Lydias Welt: Endlich gesehen werden
Lydia Zoubek ist Bloggerin, Mutter von zwei Kindern, in Jordanien geboren, und sie ist blind. Seit 2016 betreibt sie ihren Blog „Lydias Welt“. Dort schreibt sie über ihre Alltagserfahrungen als blinder Mensch, wie sie ihre Umgebung wahrnimmt und wie man sie unterstützen kann. Mit ihrem selbstbewussten Schreibstil kritisiert sie manchmal, eckt auch an. Aber sie vernetzt sich auch mit anderen BloggerInnen und liefert weiterführende Links, die für Blinde und Sehende gleichermaßen interessant sind.
Das Projekt ist für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Wissen und Bildung nominiert. Im Interview spricht Lydia Zoubek über ihre Tätigkeit als blinde Bloggerin, über Reaktionen ihrer UserInnen und darüber, was sie von Sehenden erwartet.
Was motiviert Sie, Ihren Blog zu betreiben?
In den Medien wird viel über blinde Menschen berichtet, die etwas Besonderes geleistet haben. Die meisten Filme, in welchen blinde ProtagonistInnen vorkommen, strotzen nur so vor Klischees. Über den Alltag blinder Menschen gibt es nur wenig Berichterstattung. Mein Blog berichtet aus meinem Alltag als blinde Mutter. Dabei steht die Praxis im Vordergrund. Ich erkläre, wie ich koche, putze oder mich blind im Straßenverkehr bewege. Der Blog lebt durch meinen Alltag und durch Fragen, die meine LeserInnen bewegen. Und weil es den typischen Blinden nicht gibt, freue ich mich über GastautorInnen, die etwas dazu beitragen wollen.
Welche besonderen Werkzeuge verwenden Sie, um an Ihrem Blog zu arbeiten?
Ich schreibe mit einer handelsüblichen 10-Finger-Tastatur und lese den Text mittels einer Sprachsoftware und einer Braille-Zeile, die mir die Inhalte in Braille übersetzt. Manchmal schreibe ich meine Beiträge aber auch am Smartphone. Hier gibt es eine Bedienungshilfe, die mir den Inhalt hörbar macht und mein iPhone in eine Art Braille-Display umwandelt. Für das Optische habe ich meinen Assistenten im Hintergrund, der das für mich erledigt.
Welches Feedback bekommen Sie zu Ihrem Projekt?
Die Rückmeldungen sind positiv. Bei kritischen Beiträgen kommt auch mal negatives Feedback. Aber das bringt freie Meinungsäußerung nun mal mit sich. Erst recht, da es den typischen Blinden nicht gibt. Genauso wenig wie den typischen Sehenden oder den typischen Blogger. Ich sehe konstruktive Kritik eher als eine Form, mit LeserInnen in einen Dialog zu treten.
Gibt es bestimmte Verhaltensweisen und Reaktionen von sehenden Menschen, die Sie gerne ändern würden?
Ich wünsche mir mehr gegenseitigen Respekt und Kommunikation auf Augenhöhe. Wir sind im 21. Jahrhundert. Und da ist ein blinder Mensch nicht mehr ausschließlich Fürsorgeempfänger. Es kann nicht sein, dass blinde Menschen von Sportstudios, Schwimmbad oder Fahrgeschäften in Freizeitparks aufgrund einer Sehbehinderung ausgeschlossen werden. Und es kann auch nicht sein, dass bestimmte Reiseanbieter die Mitnahme blinder Reisender an die Begleitung durch eine VOLLJÄHRIGE Person knüpfen. Besonders wichtig ist mir, dass sehende Menschen mich fragen, bevor sie mich packen und in einen Bus ziehen oder irgendwohin zu schieben versuchen. Das ist einfach nur erschreckend, weil ich nicht sehen kann, warum mich da jemand berührt und ob das Freund oder Feind ist. Und fragen kostet bekanntlich nichts. Also, sprecht mit uns, und nicht ohne uns über uns!
Ihre Spendenaktion für blinde Menschen in Togo war ein großer Erfolg. Haben Sie noch weitere ähnliche Projekte im Sinn?
Ja, zurzeit lebt eine blinde Frau in meinem Haushalt, der ich Blindentechniken vermittle. Dafür habe ich einen Spendenpool eingerichtet, damit wir Hilfsmittel und andere Dinge möglich machen können, die vom normalen Lebensunterhalt abweichen. Ideen habe ich einige, die ich gern nach und nach realisieren werde. Ganz wichtig dabei ist mir, dass meine LeserInnen immer wissen, wo ihre Spende hingeht. Dieses Vertrauen ist etwas Kostbares, das ich mir bewahren möchte.
Das Interview führte Mert Koc.
Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.
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