Mensch Mutta – Eine Zeitreise in die DDR
Passend zum 30. Jubiläum des Mauerfalles in diesem Jahr wird in „Mensch Mutta„, einem Podcast der Journalistin Katharina Thoms, in sieben Folgen das Leben ihrer Mutter in der DDR geschildert. Mutter und Tochter dachten lange: ein ganz normales Leben.
Während der Gespräche zeigen sich jedoch kleine Besonderheiten im Leben der Mutter in der DDR: der Farbfernseher – bezahlt von der Tante in Kanada –, die Arbeit im katholischen Ferienheim für Kinder oder die verschlafene Nachricht vom Mauerfall. Eine berührende, persönliche und professionell produzierte Geschichtsvermittlung – nicht nur für Menschen, die den Alltag in der DDR nicht erlebt haben.
Das Projekt ist für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Im Interview spricht Katharina Thoms über ihren Podcast und Reaktionen, die er hervorgerufen hat.
Wie kamen Sie auf die Idee, die Geschichte Ihrer Mutter zu präsentieren?
Ich habe das Thema schon lange mit mir herumgetragen, weil ich immer wieder gemerkt habe, dass das Leben meiner Mutter etwas anders verlaufen ist als das meiner Freunde und deren Mütter hier im Westen, wo ich jetzt schon lange lebe.
Irgendwann ist mir dann klar geworden, dass es ganz unterschiedliche Lebensentwürfe sind. Und dass das Leben meiner Mutter so, wie es verlaufen ist, auch etwas mit der DDR zu tun hat. In ihrem Leben hat es kleine Irrungen und Besonderheiten gegeben, nichts groß Dramatisches; aber das hat schon alles sehr ihr Leben geprägt und dadurch natürlich auch meins und wie ich aufgewachsen bin. Vor zwei Jahren habe ich dann mal angefangen, Interviews mit ihr zu führen. Ich habe gedacht, vielleicht kann man da irgendwas draus machen. Dabei war die Erstellung eines Podcasts auch schon eine Idee. Ich habe das Ganze dann aber erstmal ohne großen Druck weiterverfolgt. Irgendwann kam so viel Material zusammen, dass es sich gelohnt hat, die Geschichten zu erzählen.
War Ihre Mutter sofort bereit, bei Ihrem Projekt mitzumachen?
Sie war sofort bereit. Ich hatte gedacht, ich muss mehr Überzeugungsarbeit leisten. Am Anfang waren es sehr lose Gespräche und nicht zu viel am Stück. Immer mal wieder, wenn ich sie besucht habe, habe ich meine Aufnahmegeräte mitgebracht und dann haben wir ein, zwei Stunden geredet. Dann gab es aber auch wieder viele Wochen und Monate, in denen nichts passiert ist. Daher war das Projekt am Anfang auch gar nicht so groß und ernst geplant und sie hat nicht damit gerechnet, dass mit dem Stoff wirklich was passiert.
Wie sind Sie bei der Materialstrukturierung vorgegangen?
Erst einmal habe ich Material gesammelt. Als ich dann circa zwei Drittel der Interviews geführt hatte, habe ich angefangen, diese zu transkribieren. Das war natürlich ein Haufen Arbeit, aber im Endeffekt hat es alles sehr erleichtert. Ich bin dann ähnlich wie bei einem Drehbuch vorgegangen, habe strukturiert und geschaut: Wo sind die Spannungsbögen, welche Geschichte sollte man wo reinpacken, wo passt sie am besten zu? Ich wollte es nämlich nicht rein chronologisch erzählen. Vieles habe ich dann auch auf kleine Kärtchen geschrieben und versucht, einen großen Spannungsbogen zu entwerfen. Aber ich habe zugleich drauf geachtet, dass auch jede Folge eine kleine Geschichte mit Spannungsbogen beinhaltet.
Welchen Einfluss hatte das Projekt auf das Verhältnis zu Ihrer Mutter?
Ehrlich gesagt einen ziemlich guten. Plötzlich hat man viel ausführlicher als vorher miteinander geredet. Es ist nicht so, dass wir uns vorher nichts zu sagen hatten, aber die Interviews haben schon nochmal ein tieferes Verständnis, besonders von meiner Seite aus, gebracht.
Haben Sie jetzt eine andere Sicht auf die DDR?
Meine Sichtweise ist nun noch etwas differenzierter. Ich habe selbst auch noch zehn Jahre in der DDR verbracht. Und auch wenn ich selbst noch ein Kind war, war es ja nicht so, dass man den ganzen Tag in Angst und Schrecken gelebt hat – überhaupt nicht.
Es gab einen ganz normalen Alltag, der von bestimmten Dingen geprägt war, die man dann aber so hingenommen und akzeptiert hat. Erst beim Erzählen ist mir dann aufgefallen, dass es gar nicht so selbstverständlich war, dass es bestimmte Dinge nicht gab, dass man bestimmte Dinge in der Schule nicht sagen sollte und so weiter. Das war einfach Common Sense, gelerntes Verhalten, unter allen Menschen in der DDR. Außerdem gab es viele Kindertagesstätten; es war selbstverständlich, dass Frauen alleine leben konnten, sich scheiden lassen konnten, selbstverantwortlich waren. Das sind alles Dinge, von denen ich geprägt wurde. Und die werden heutzutage nochmal diskutiert – wobei ich mich dann heute frage: Waren wir nicht schon mal weiter?
Wie waren die Resonanzen auf das Projekt von Hörerinnen und Hörern?
Ich habe wirklich nichts Negatives zurückgespiegelt bekommen. Davor hatte ich wirklich etwas Angst, besonders auch, weil ich meine Mutter so damit reingezogen habe. Auch sie war sehr von dem positiven Feedback überrascht.
Am meisten freut es mich, dass ich von Menschen, die auch im Osten aufgewachsen sind, viel positives Feedback bekommen. Es fielen Sätze wie: „Endlich erzählt es mal jemand“, „So nachvollziehbar, so war es bei uns auch“, „Ich erkenne meine Familie oder meine Mutter da wieder“, „Es hat mich angeregt, auch selbst nochmal mit meinen Eltern darüber zu reden, wie es denn eigentlich war“. Aber auch Menschen, die nicht so viel über die DDR wussten, haben sehr positiv auf „Mensch Mutta“ reagiert. Das hat mich ebenfalls sehr gefreut, da es auch eines meiner Hauptziele war, über das Leben in der DDR zu informieren und davon zu erzählen.
Wie reagierte Ihre Mutter, als Sie ihr von der Nominierung berichteten?
Ich habe sie am Telefon schon auf die Nachricht vorbereitet und gesagt, sie soll sich bitte hinsetzen. Sie war sehr erstaunt und baff und konnte es zunächst gar nicht glauben. Ihr nächster Satz war dann: „Zur Preisverleihung gehe ich aber nicht.“ Das hat sie sich inzwischen aber anders überlegt!
Das Interview führte Alexandra Kunde.
Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redakteur an der TH Köln.
Hallo Katharina,
bin stolz auf Dich.
Liebe Grüße
Martin B.