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Vom Schaffen und Scheitern

Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar bei seinem Vortrag beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel
Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar bei seinem Vortrag beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel
Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar bei seinem Vortrag beim Symposium „Erfolgreicher digitaler Journalismus“. Foto: Daniel Kunkel

Eine Studie und ein Praxisbericht vom „Entrepreneurial Journalism“

Christopher Buschow hat zum Wintersemester die Juniorprofessur für „Organisation und vernetzte Medien“ an der Bauhaus-Universität Weimar angetreten. Zuvor verfasste er eine Studie zur Gründung neuer Medienorganisationen: „Die Neuordnung des Journalismus„. Darin untersuchte er unter anderem Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Entrepreneurial Journalism, „um zu sensibilisieren, was Herausforderungen und Fallstricke in der Gründung neuer journalistischer Organisationen sind.“

Es gebe, so sagt Buschow, eine Reihe neu gegründeter Magazine. In Frankreich gehöre „Mediapart“ dazu, was sich zu einem Leitmedium entwickelt habe, oder die „Krautreporter“ in Deutschland. Der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer, Matthias Döpfner, spreche sogar von einer Gründerwelle völlig neuer Medienunternehmen. Bei Döpfners Prognose, dass die meisten der traditionellen Medienunternehmen in ein paar Jahrzehnten verschwunden sein werden, ist Buschow allerdings skeptisch.

Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar bei seinem Vortrag beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus". Foto: Daniel Kunkel

Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar bei seinem Vortrag beim Symposium „Erfolgreicher digitaler Journalismus“. Foto: Daniel Kunkel

Warum klappt es nicht mit der Gründung?

Sechs Hauptgründe zählt Christopher Buschow auf, warum journalistische Gründer scheitern:

  1. Illusorische Vorstellungen von Tätigkeiten und Arbeitsaufwand
  2. Rollenkonflikte zwischen Journalismus und Management
  3. Unterfinanzierung und Geschäftsmodelle abseits des Journalismus
  4. Unzureichende Orientierung an den NutzerInnen
  5. Homogene Gründerteams
  6. Mangel an einschlägigen Kontakten

Häufig, so Buschow, sei eine Motivation für die Gründung, sich auf die journalistische Tätigkeit konzentrieren zu können. Der bürokratische Aufwand werde dabei unterschätzt. Und noch schlimmer: „Dort, wo man gemeinnützig arbeitet, sind die bürokratischen Hürden besonders hoch.“ Unrealistische Vorstellungen vom Finanzbedarf führten dazu, dass Journalisten in Gründermodellen oft nicht bezahlt werden könnten, „was paradox ist, weil viele der Modelle aus einem Ansatz gegen die Prekarisierung des Journalismus heraus starten“, so Buschow.

Möglicherweise könnten auch in dieser Sache weniger homogene Gründerteams helfen. „Personen mit unterschiedlichen Skills sind das bessere Team als nur Journalisten“, führt Buschow aus, „Quereinsteiger können gewisse Innovationen in das Feld tragen, die bisher nicht da waren“. Und sie könnten helfen, aus der reinen Medienmacherperspektive heraus zu kommen und sich stattdessen stärker an den Nutzerinnen und Nutzern zu orientieren.

Aber auch innerhalb der Medienszene sei es notwendig, sich zu vernetzen, „jede Gründung kann nur auf Grundlage eines sozialen Netzwerks verstetigt werden“, so Buschow. Die genannten Herausforderungen könnten teilweise bearbeitet werden. „Es gibt Förderinstitutionen, aber auch privat organisierte Plattformen“, bemerkt Christopher Buschow, „es geht darum, ein Ökosystem für Gründungen zu bauen.“

Tanja Krämer von den "RiffReportern" spricht beim Symposium "Erfolgreicher digitaler Journalismus" über die Gründung der Genossenschaft. Foto: Daniel Kunkel

Tanja Krämer von den „RiffReportern“ spricht beim Symposium „Erfolgreicher digitaler Journalismus“ über die Gründung der Genossenschaft. Foto: Daniel Kunkel

Ökosystem für freie Journalisten

Mit dem Bild des Ökosystems schafft Buschow den perfekten Übergang zu Tanja Krämer, Mitgründerin der „RiffReporter„. Diese entschuldigt sich sofort: „Ich habe offenbar als einzige keine Folien vorbereitet – wie das bei Gründern ist, dafür war keine Zeit.“ Die RiffReporter sind ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von derzeit 80 freien Journalisten, die Stimmrecht haben und auf die Entwicklung Einfluss nehmen können. Die Genossenschaft stellt eine Publikationsplattform, kümmert sich um Technik, Finanzierung und Verhandlungen und ermöglicht den Journalisten so, sich besser auf ihre Themen zu konzentrieren. Für die in den einzelnen „Korallen“ fokussierten Themen, besonders aber für die genossenschaftliche Struktur sind die „RiffReporter“ preisgekrönt, unter anderem mit dem Grimme Online Award 2018.

„Wir bauen kein neues Online-Magazin, sondern wir schaffen eine neue Organisation für Journalisten zu arbeiten“, betont dann auch Tanja Krämer, „bislang können Journalisten einzelne Beiträge nur an einzelne Verlage verkaufen. Das ist nicht so besonders tragfähig.“ Die RiffReporter bieten den Journalisten einerseits die Möglichkeit, ihre Beiträge auf der Plattform zu veröffentlichen und zu vermarkten, verhandeln aber andererseits auch mit Verlagen und können so bessere Ergebnisse erzielen, als wenn jeder Journalist einzeln die Verhandlungen führt.

Austausch ist wichtig

Dabei betont Tanja Krämer immer wieder, wie wichtig gerade freie Journalisten für die Berichterstattung sind: „Sie sind ein großer Innovationstreiber im Journalismus. Freie sind Experten, sie bearbeiten und vertiefen ein bestimmtes Themengebiet.“ Und freie Journalisten seien meist nah dran am Leser, schon weil sie für die Berichterstattung rausgehen und mit den Leuten sprächen. Diesen Austausch möchten die RiffReporter bestärken. Derzeit gibt es ein „Journalist in Residence“ Programm in Stadtbibliotheken, bei dem freie Journalisten eine Woche lang in Bibliotheken arbeiten, dort Veranstaltungen anbieten und für Fragen aller Art zur Verfügung stehen.

Die RiffReporter kümmern sich aber auch um den Austausch untereinander. „Die Vereinzelung müssen wir aufheben, damit ein gemeinsames Learning entstehen kann“, sagt Krämer. Dazu bieten sie Workshops an, in denen auch über die Ziele der jeweiligen Themenangebote gesprochen wird. „Die meisten gehen derzeit in die Richtung, dass sie Angebote machen für sehr spitze Zielgruppen. Dafür kontinuierlich und tief“, umschreibt Tanja Krämer die Ausrichtung auf dem Portal RiffReporter. So böte die Genossenschaft auch Hilfe dabei, ein Geschäftsmodell zu entwickeln. „Die Journalisten haben ihre Themen im Blick, nicht wie man mit Themen innovativ Geld verdienen kann“, berichtet Krämer. Dabei seien freie Journalisten auch Unternehmer, „sie wissen nur meistens nicht, dass sie Unternehmer sind.“ Dazu müssten sie auch im Marketing fit sein, auch für Krämer selbst eine neue Erfahrung: „Journalistisch zu denken und im Marketing zu denken, ist völlig unterschiedlich.“ Hier böten sie zwar Unterstützung, das Marketing für die jeweilige Zielgruppe müssten sich aber die Macher selbst erarbeiten. Nutzungsdaten wären hilfreich dabei, diese Daten zu bekommen sei aber oft teuer und die Zielgruppen der einzelnen Korallen seien zu spitz. „Am Ende ist man dann doch wieder auf das Bauchgefühl angewiesen“, so Krämer.

Journalismus als Investment Case?

Neben dem Zusammengehörigkeitsgefühl und der Hilfestellung in konkreten Fragen, hilft den freien Journalisten, die sich bei RiffReporter zusammenschließen aber wohl vor allem der technische und organisatorische Überbau. „Wir bieten ein Content Management System an, in das das Bezahlsystem implementiert ist“, erläutert Krämer. Außerdem vergeben sie Flatrates an Institutionen und haben eine gemeinnützige GmbH gegründet, um Fördergelder einzuwerben. Die Einnahmen flössen dabei in das Gesamtprojekt. „Wir denken, dass guter Journalismus genug Geld einbringen kann, um so ein kleines Team zu finanzieren“, so Krämer.

Der Gründungsaufwand sei allerdings hoch, man habe bürokratische Probleme, sei alleine im Ozean und müsse erstmal gefunden werden, „und wenn es nicht so läuft, hat man kaum Chancen, herauszufinden, warum es nicht so läuft“, erzählt Tanja Krämer von ihren Erfahrungen. Außerdem tauge Journalismus nicht so richtig als Investment-Case: Stiftungen förderten oft nur Gemeinnütziges und dies auch nur in ihren Förderzyklen, die dann irgendwann ausliefen. Anderweitige Förderung hätte oft nur sehr geringe Summen. Und das Mäzenatentum sei hierzulande nicht so verbreitet.

Diskussion über die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Entrepreneurial Journalism. Foto: Daniel Kunkel

Diskussion über die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Entrepreneurial Journalism. Foto: Daniel Kunkel

Gründen gegen den Untergang

„Ich war davon genervt, dass immer der Untergang des Journalismus proklamiert wurde“, sagt Tanja Krämer im Anschluss an ihren Vortrag zu ihrer Motivation für die Gründung von RiffReporter, „und ich habe immer gedacht, dass sich Freie stärker verbünden müssen.“ RiffReporter solle ein Ort sein, an dem man Journalismus so machen könne, wie man ihn sich immer erträumt habe, „wir erleben einen Braindrain an Journalisten, die keine Perspektive mehr sehen.“

„RiffReporter kann ein Ort sein, wo eine Struktur geschaffen werden kann, im digitalen Zeitalter: Eine postredaktionelle Struktur“, lobt Christopher Buschow das genossenschaftliche Modell. Es gehe auch darum, wie der Verlag des 21. Jahrhunderts aussehen kann. „Da wäre es auch an den etablierten Verlagen, Orte zu schaffen, an denen experimentiert werden kann“, fordert Buschow auf, „aber ehrlich gesagt sehe ich aus klassischen Verlagshäusern heraus wenig Innovationspotenzial im journalistischen Bereich auf der Grünen Wiese.“ Es passiere sowohl in den Verlagen, als auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder in der Medienpolitik noch zu wenig.

Tanja Krämer geht auf Nachfrage noch einmal auf die Details der Entwicklung bei den RiffReportern ein, so zum Beispiel, dass der Trend im Online-Journalismus zwar oft zu kurzen Texten gehe, die langen Texte aber gerade für ihre Zielgruppe gut funktionieren würden. Zudem überprüfen die RiffReporter, ob ein Gesamtabo auch für Endkunden, nicht nur für Institutionen, sinnvoll wäre, denn es scheine Nutzer zu geben, die sich für mehrere der sehr diversen Themen interessieren. Ein wichtiges Ziel für die nahe Zukunft sei, noch mehr Publikum zu finden: „Im journalistischen Bereich sind wir jetzt bekannt, jetzt geht es darum, auch beim Nutzer bekannt zu werden.“

„Wir brauchen journalistische Geschäftsmodelle und Räume, wo diese erprobt werden können“, betont Christopher Buschow zum Ende der Diskussion noch einmal und Tanja Krämer ergänzt: „Wenn wir es nicht versuchen, werden wir auch nicht herausfinden, ob es funktionieren kann.“

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