Mehr als Influencer-Werbung
Körperbehaarung, Mobbing oder Depressionen: Themen, die oft als Tabu gelten und doch viele junge Frauen betreffen oder beschäftigen. Wo gibt es Informationen? Wie können diese Themen an die Zielgruppe transportiert werden?
Der Instagram-Kanal „Mädelsabende“ vom WDR, nominiert für den Grimme Online Award 2018 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung, ist eine mögliche Anlaufstelle. Die wöchentlich wechselnden Themen behandeln aber nicht nur Problematisches – mit ExpertInnen wird über alles gesprochen, was junge Frauen interessiert. Redakteurin Verena Lammert erzählt im Interview von der journalistischen Arbeit mit Instagram und der sozialen Verantwortung, die dieser Kanal mit sich bringt.
Wer sitzt im Team von Mädelsabende?
Geballte Frauenpower. Ich hatte die Idee für das Projekt und habe mich dann im eigenen Haus umgeguckt, um jemanden für die Zielgruppe zu finden. Clare habe ich kennengelernt, als sie Volontärin bei uns war – und gedacht: „mit der müssen wir irgendwas machen“. Bei 1Live, also wo unsere jüngeren Autoren unterwegs sind, habe ich auch gesucht. Ich fand es wichtig, dass wir mit so einem Projekt auch Nachwuchstalente fördern. Im Team sind jetzt die drei Presenterinnen Clare Devlin, Farah Schäfer und Naina Kümmel. Dann gibt es noch mich als Redakteurin und Ideengeberin und noch eine Rechercheurin, Marie Hanrath. Das ist unser kleines Team und wir holen uns immer punktuell Verstärkung.
Was für eine Botschaft möchten Sie mit dem Kanal senden?
Wir wollen im Endeffekt zeigen, dass es auf Instagram mehr gibt als nur Beautyfotos und Influencer-Werbung. Wir wollen junge Frauen ansprechen, die zwischen 18 und 24 sind oder etwas jünger. Da ist man noch in so einer Orientierungsphase. Die Presenterinnen sehen sich auch als Vorbild. Letztendlich ist man in der Pubertät und hat kleinere Lebenskrisen, da wollen wir mithelfen und Ansprechpartner sein.
Warum wurde Instagram ausgewählt?
Weil die Zielgruppe, also junge Frauen und Mädchen, bei Instagram am aktivsten ist. Wir fanden es auch sehr spannend, das Storytelling auszuprobieren – unser Kanal lebt ja tatsächlich sehr von den Storys, weniger vom Feed. Für uns war interessant, bei dieser neuen journalistische Form herauszufinden: Wie baut man da inhaltlich vernünftige Geschichten auf? Das war so ein Innovationsantrieb.
Wie werden Storys im Gegensatz zum normalen Feed genutzt?
Die Musik spielt bei uns in den Storys, aber wir nutzen den Feed, um auf die Storys aufmerksam zu machen und auch nachhaltig Rechercheergebnisse festzuhalten. Wir planen ja immer Themenwochen und meistens gibt es in der Themenwoche auch eine Faktenstory. Diese Fakten versuchen wir dann auf Faktentafeln im Feed festzuhalten. Jetzt haben wir das Glück, dass es inzwischen auch die Highlights gibt, da versuchen wir immer ein Wochenthema so zusammenzufassen. So dass man auch die Chance hat – selbst wenn die 24-Stunden-Storys weg sind – es noch nachgucken zu können, wenn man sich für ein Thema interessiert.
Was belastet oder beschäftigt diese Zielgruppe denn besonders?
Beziehungsprobleme werden häufig genannt. Wir bekommen sehr viele Direktnachrichten und wir beantworten auch wirklich jede einzelne persönlich. Wir haben sehr viel zum Thema Körperbehaarung, haben wir festgestellt: Muss man rasiert sein oder nicht? Es gab aber auch schon ernstere Themen wie Depressionen und Mobbing. Dann muss man natürlich schnell agieren. Wir haben das Team erweitert und Beratungsstellen angesprochen, an die wir immer verweisen können. Uns freut dann wirklich, wenn plötzlich zwei Wochen später eine Nachricht kommt: „Ich habe bei euch was gesehen zum Thema Depressionen und habe dann erkannt, dass ich besser zum Arzt oder Therapeuten gehe. Ich habe das wegen euch gemacht.“
Übt das nicht unheimlichen Druck aus?
Total. Deswegen besprechen wir uns im Team auch immer vor diesen Wochen. Wo können wir Hilfestellung geben? Wie antworten wir? Die Mädels bringen natürlich auch sehr viel Persönlichkeit mit rein. Zum Beispiel hat Naina selbst eine Historie mit Depressionen und kann dann kompetent und gut agieren.
Zu einigen Themen holen Sie sich von außerhalb eine bunte Mischung an ExpertInnen. Wer sind da ihre Ansprechpartner?
Das ist ganz unterschiedlich. Wir arbeiten mit Mini-Influencern zusammen als Experten, weil wir natürlich unseren Kanal bekannter machen wollen. Aber ich suche niemanden aufgrund seiner Follower-Zahl aus. Ich finde es ganz wichtig, dass sie thematisch zu uns passen und einen vernünftigen Hintergrund haben. Dann haben wir – da wir sozusagen eine Mini-Ausgabe der Fernsehsendung „Frau tv“ sind – von dort einen sehr großen Expertenstamm zu verschiedenen Themen, die auch junge Frauen und Mädchen interessieren.
Betreffen Themen wie Depressionen oder Mobbing nicht auch Jungen?
Es ist uns total wichtig, dass wir kein exklusiver Kanal sind und irgendwen ausschließen. Klar ist es erstmal an junge Frauen gerichtet, es heißt ja auch „Mädelsabende“, aber wir möchten auch sehr gerne junge Männer ansprechen. Wir haben manchmal männliche Experten und bekommen auch von Jungen Anfragen, die spannend sind – „Was würdet ihr als Frauen dazu sagen, wenn ich das und das meiner Freundin anbiete?“ In den Userzahlen zeigt sich aber – das kommt einfach durch die Themenwahl – dass wir von den Followern her zu 95 Prozent weiblich sind. Themen wie Depressionen sind auch für andere Zielgruppen interessant, aber wir erzählen immer den weiblichen Aspekt. Depressionen wurden zum Beispiel als Thema aufgegriffen, weil gerade junge Frauen am häufigsten betroffen sind.
Das Interview führte Juliane Glahn.
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Die Videos entstanden im Rahmen der medienpraktischen Seminare des Masterstudiengangs International Media Studies (IMS) der DW-Akademie.
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