Konstruktiv diskutieren im Netz
#ichbinhier steht für einen konstruktiven Dialog in den sozialen Medien. Ohne Hass, ohne Hetze, ohne „Fake News“. Inspiriert durch die Schwesterorganisation der schwedischen Gruppe #jagärhär startete Hannes Ley im Dezember 2016 eine Facebookgruppe, um Schärfe aus Diskussionen zu nehmen und die Menschen sachlich zum Nachdenken anzuregen. Das Hauptproblem sieht Hannes Ley in der Verallgemeinerung durch polarisierende Schlagzeilen. Die Aktivitäten unter dem Hashtag #ichbinhier sind in der Kategorie „Spezial“ für den Grimme Online Award 2017 nominiert. Im Interview erzählt Initiator Hannes Ley von den Beweggründen und seiner persönlichen Verbindung zum Thema.
Wie entstand #ichbinhier? Welche Motivation steckte dahinter?
#ichbinhier ist im Dezember 2016 entstanden. Die Idee stammt ursprünglich aus Schweden. Ein Freund von mir ist im Dezember Opfer eines Shitstorms geworden, was mich ziemlich mitgenommen hat. Als mir ein skandinavischer Freund über die Idee und die Umsetzung erzählte, kopierte ich sie für Deutschland, da ich in „#jagärhär“, was auf deutsch „ich bin hier“ bedeutet, viel Potential sah.
Warum wurde dafür die Plattform Facebook gewählt?
Facebook ist unglaublich reichweitenstark. Dadurch tritt dort auch das Hassproblem besonders stark auf. Die User lesen immer häufiger in ihrer Chronik Nachrichten, anstatt sich auf den Webseiten der einzelnen Nachrichtenanbieter zu informieren. Man hat auf Facebook die Möglichkeit, die einzelnen Artikel zu kommentieren und seine persönliche Meinung zu verbreiten. Da das Prinzip von #ichbinhier in Schweden auch über Facebook praktiziert wird, haben wir es für Deutschland übernommen.
Woher stammt das Diskussionsmaterial? Kann jedes Mitglied Themenvorschläge einreichen?
Die Mitglieder können Themenvorschläge einreichen. Wir haben aber auch eine Redaktion aufgebaut, die recherchiert und Aktionen startet. Wir bieten unseren Mitgliedern Guidelines, welche dabei helfen, mit bestimmten Menschen zu diskutieren und welche Fakten sie benötigen, wenn sie zum Beispiel über Ausländerkriminalität schreiben möchten, und wie man einen Troll erkennt et cetera.
Die Diskussionskultur auf Facebook soll verbessert werden. Wie viele Mitglieder tragen innerhalb der Gruppe tatsächlich dazu bei?
Aktiv schreiben circa 500 Leute Kommentare und circa 5000 Leute verteilen ihre Likes. Das ist ein Engagement, das nicht so zeitintensiv ist, wie Kommentare zu verfassen. Dazu kümmern sich aktuell 30 Moderatoren um die Betreuung der Mitglieder, um einen respektvollen Umgang miteinander und um das Einpflegen weiterer Guidelines.
Welches Diskussionsthema oder welche Situation hat Sie seit Gruppengründung besonders bewegt?
Das, was immer wieder aufkommt, ist die Pauschalverurteilung von Geflüchteten. Sie sind in Deutschland mittlerweile ein Sündenbock für alle Probleme geworden: Ausländerkriminalität, Vergewaltigung, wirtschaftliche Probleme, Silvester in Köln und so weiter. Jedes Mal, wenn etwas Schlimmes in Deutschland passiert und ein Ausländer in Deutschland ein Verbrechen begeht, wird es zum Anlass genommen, um zu pauschalisieren. Das beschäftigt mich sehr stark, weil die Verallgemeinerung meines Erachtens eines der Hauptprobleme ist, die wir haben.
Wird #ichbinhier zukünftig ausgebaut? Welche Pläne gibt es für das Projekt?
Wir haben uns als Gruppe darauf geeinigt, dass wir einen gemeinnützigen Verein gründen werden. Wir sind bereits im Gründungsprozess. Die Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins ermöglicht es uns, eine Finanzierung bestimmter Aufgaben und Projekte zu realisieren, Personal zu beschäftigen und Prozesse zu formalisieren. Für #ichbinhier ist das ein wichtiger Schritt zur Professionalisierung unseres Angebots.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie? Wie könnte sich ein Gewinn positiv auf das Projekt auswirken?
Die Nominierung für den Grimme Online Award ist eine Wertschätzung für unsere Arbeit und gibt uns ein Qualitätssiegel. Man hat erkannt, dass wir etwas Wertvolles für die Gesellschaft tun, etwas, das wirklich Sinn macht. Es kann uns in der Professionalisierung helfen, damit wir ernst genommen werden, wenn wir Förderanträge stellen und wir förderungswürdig sind.
Das Interview führten Kathrin Krok und Jonas Schmidt.
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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.
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