Humoristische Kritik an der erwarteten Makellosigkeit von Frauen
Frauen werden in den Medien wie zum Beispiel Frauenzeitschriften gern auf Defizite hingewiesen. Corinne Luca zeigt in ihrem Blog makellosmag – die blog (fem.) die teilweise skurrilen und abstrusen Erwartungen auf, die tagtäglich an Frauen gestellt werden. Auf humoristische und durchdachte Weise erhebt sie Einspruch und zeigt Frauen die Fallen der Konsumgesellschaft, die umgangen werden können. Das „makellosmag“ ist in der Kategorie Kultur und Unterhaltung für den Grimme Online Award 2016 nominiert.
Wie entstand das Projekt „makellosmag“? Was ist seine Intention?
Ich habe schon immer Frauenzeitschriften gelesen. Wenn man jünger ist, greift man fast automatisch zu diesen Angeboten, wenn man Unterhaltung und vielleicht auch ein paar Antworten finden will. Nach und nach hat sich aber bei mir eine Distanz zu den Inhalten aufgebaut. Ich wollte unterhalten werden und fühlte mich nach dem Zuklappen immer ein bisschen schlechter als vorher. Als Kulturwissenschaftlerin betrachtete ich das Ganze eher analytisch und dachte: „Vielleicht geht es anderen beim Lesen auch so?“ So entstand vor zwei Jahren der Wunsch, mit dem Finger auf die teilweisen Absurditäten und die Strukturen dahinter zu zeigen und der Blog war geboren. Es sollte aber kein erhobener Zeigefinger sein, sondern ein Fragezeichen, das sich – getragen von einem klugen und witzigen Zugang – langsam einschleicht. So entstand auch der Name „makellosmag“. Bei mir wird nicht erklärt, was die richtige Sommerfarbe ist und wieso man sich um Cellulitis sorgen muss.
Woher stammen die Ideen für einen neuen Blogeintrag? Persönliche Erfahrungen? Reflektion von Gelesenem? Kommunikation mit den Lesern?
Es ist wohl eine Mischung aus allem. Ich kaufe immer mal wieder Frauenzeitschriften, wenn auch bedeutend weniger als vorher, und lese auf ihren Onlinepräsenzen. Wenn man die Augen offen hält, begegnet einem auch erstaunlich viel Absurdes im Alltag. Ebenso fließt immer mal eine private Anekdote ein. Ich bin inzwischen Mutter zweier Töchter, da betreffen mich die Themen noch unmittelbarer. An der Reaktion von Kindern merkt man oft erst, wie skurril viele Dinge sind. Die stehen im Supermarkt sehr verwundert vor Brüsten, die für Buttermilch werben – wenn wir bereits wie selbstverständlich vorbei gehen.
Sie setzen sich mit der Frauenrolle auseinander, machen sich lustig über Werbung und Frauenklischees. Es scheint, als üben Sie Kritik am Makellosen. Was möchten Sie den Frauen mit auf den Weg geben?
Ein erster Impuls ist immer, den Frauen zu sagen: „Macht euch nichts draus.“ Das spiegelt sich auch gern in Kommentaren wider: „Wieso lest ihr das, warum zieht ihr euch den Schuh an? Steht doch drüber und geht einfach dran vorbei!“ Ich möchte zeigen, dass man es sich so einfach nicht machen kann. Weil die Botschaften allgegenwärtig sind. Die Medien vermitteln einen bestimmten gesellschaftlichen Blick auf Frauen, bestimmte Erwartungshaltungen werden immer wieder formuliert. Dabei geht es um Selbstoptimierung und ein schlechtes Gewissen. Wenn das Workout für die Bikinifigur jetzt nur noch 5 Minuten dauert, musst du wirklich faul sein, wenn du es nicht angehst. Das ist nicht banal. Wir sollten uns als Gesellschaft fragen, ob wir diese Bilder wollen. Und was sie insbesondere mit jungen Mädchen machen, die immer früher Unsicherheiten mit ihrem Körper ausfechten. Sendungen wie „Germany‘s Next Topmodel“ wollen Unterhaltung sein aber regen zum Vergleich an. Und sind oft die einzige Art Medienangebot, die wir großflächig machen.
Was macht die Auseinandersetzung mit diesen Themen mit Ihnen persönlich?
Natürlich macht die Beschäftigung mit diesen Themen etwas mit einem, darum geht es ja in meinem Blog. Aber ich versuche, eine Distanz herzustellen. Wenn ich hinter die Strukturen blicke und weiß, dass es um mich als Konsumentin geht, dass mir eine Unsicherheit eingeredet wird, um mir gleich die Lösung zu verkaufen, dann funktioniert das ganz gut. Ich entwickele einen gewissen Ehrgeiz und möchte eben nicht in die Fallen tappen, sondern ein bisschen klüger sein. Das klappt mal mehr, mal weniger gut.
Beim Lesen entsteht der Eindruck, dass Sie sehr ehrlich und schonungslos mit sich selbst umgehen. Fällt Ihnen das manchmal schwer?
Im Schreibprozess fällt mir Schonungslosigkeit mit mir selbst nicht schwer, weil ich bei der textlichen Bearbeitung gut abstrahieren kann. Im täglichen Leben schaffe ich das Abstrahieren nicht immer. Dann steht man im Laden und sieht genau die Creme gegen Augenfalten im Korb, die einem zwanzig Mal in der Woche begegnet ist. Diese Ehrlichkeit auf dem Blog ist mir wichtig. Es entspricht mir nicht und würde auch nichts bringen zu sagen: „Ich hatte das alles noch nie. Mir ist das egal. Ich habe noch nie versucht, 10 Kilogramm abzunehmen oder vor dem Spiegel geschaut, ob die Oberarme wabbeln.“ Ich will eben nicht sagen, das tangiert mich alles nicht und ihr müsst euch auch davon frei machen. Ich lebe genauso wie alle anderen in dieser Welt und weiß, dass es schwer ist und dass es bestimmte Erwartungen gibt. Manchmal erfüllt man sie und fühlt sich danach total bescheuert. Und manchmal fühlt man sich unemanzipiert, weil man etwas toll findet. Es geht darum, zu wissen, was dahinter steckt, nämlich oft rein kommerzielles Interesse. Und man soll den Mut haben, die Dinge einfach sein zu lassen, die einem nicht gut tun und nur das Gefühl geben, voller Makel zu sein. Das heißt aber eben nicht, dass man sich nicht schminken soll oder keinen Bauch-Beine-Po-Kurs machen darf.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie? Wie könnte sich ein Gewinn positiv auf das Projekt auswirken?
Die Nominierung ist absoluter Wahnsinn! Nicht nur von meinen wunderbaren Leserinnen und Lesern anerkannt zu werden, sondern auch auf dieser professionellen Ebene, ist einfach toll. Ich denke nicht groß über das Gewinnen nach und freue mich einfach sehr über die Nominierung. Für die Zukunft könnte ich mir vorstellen, mein Blog weiter zu öffnen. Es gibt im englischsprachigen Raum einige Blogs, die sich auch als Plattform verstehen, auf denen Frauen ihre eigenen Geschichten erzählen können. Schließlich kann ich nicht alles sehen, was interessant sein könnte. Die Idee, erstmal mit Gastbeiträgen zu starten, existiert schon eine Weile, aber ich habe es bisher nicht umgesetzt. Aus Zeitgründen, aber auch, weil ich nicht sicher war, ob die Reichweite groß genug ist, um möglichst verschiedene Geschichten zu sammeln. Das jetzt anzugehen und das Magazin so zu erweitern, kann ich mir gut vorstellen.
Autorin: Anna Kiepe
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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.
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