,

Schon gesehen? Naturklänge und ihre Harmonien

Bavigation auf der Webseite über eiine Weltkarte. Screenshot: Andreas von Bubnoff

Wie knistert ein Korallenriff? In der Multimedia-Reportage „Klangökologie: Symphonien der Natur“ wird einerseits die Klangökologie als neue Wissenschaft vorgestellt. Andererseits werden an Hör- und Videobeispielen die Harmonien der Natur verschiedener Orte erlebbar. Über eine interaktive Weltkarte oder direkt über den Text kann sich der Besucher anhören, wie sich Tiere an ihr Umfeld anpassen und „Melodien schaffen“. Das Projekt ist in der Kategorie Wissen und Bildung für den Grimme Online Award 2016 nominiert. Im Interview erklärt der Wissenschaftsjournalist Andreas von Bubnoff die Hintergründe des Projekts.

In Klangökologie: Die Symphonien der Natur entführen Sie den Leser und den Hörer in eine Welt der Klänge und natürlichen Symphonien. Wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Ich bin schon länger vom Thema Klang fasziniert gewesen. Einer meiner ersten Artikel handelte von Jim Gimzewski, von der University of California in Los Angeles. Er nutzte ein sogenanntes „Atomic Force“ Mikroskop als eine Art winzigen Plattenspieler, den man an Zellen hält – und wandelte damit die Vibrationen der Zellen in Klang um. Mich hat schon damals fasziniert, dass man so eventuell über den Klang feststellen kann, ob Zellen zum Beispiel Krebszellen sind. Das hat mich nie losgelassen. Vor ungefähr drei Jahren habe ich dann für Science Friday eine Geschichte darüber gemacht, dass Leute Musik in die farbtragenden Zellen von Tintenfischen geleitet haben. Die Zellen haben tatsächlich angefangen, zu einem Hip Hop Song rhythmisch zu pulsieren. Als es dann vor zwei Jahren darum ging, sich mit einem Multimedia Projekt für ein Robert Bosch Stipendium zu bewerben – es wurden zukunftsweisende Herangehensweisen für den Wissenschaftsjournalismus gesucht – habe ich mich mit der Soundscape Idee beworben: Es wird dabei der Klang eines Lebensraumes als Ganzes und nicht nur einzelner Tierarten aufgenommen und wissenschaftlich analysiert. Zu der Zeit wurden die ersten Artikel über diese neue Wissenschaftsrichtung der „soundscape ecology“, die man als Klanglandschaftsökologie oder einfach Klangökologie übersetzen kann, veröffentlicht. Und das habe ich dann vorgeschlagen und es wurde akzeptiert.

Klangspektrum des Beginns der „Great Animal Orchestra Symphonie für Orchester und wilde Soundscapes“ © Studioaufnahme in Cardiff, Großbritannien; Spektrogrammvideo: Andreas von Bubnoff

Klangspektrum des Beginns der „Great Animal Orchestra Symphonie für Orchester und wilde Soundscapes“ © Studioaufnahme in Cardiff, Großbritannien; Spektrogrammvideo: Andreas von Bubnoff

Wie sah Ihre Arbeit am Projekt aus?

Ich habe mit 30 Künstlern und Wissenschaftlern Interviews geführt. Dann habe ich über 200 Klangdateien danach untersucht, ob sie in die Geschichte hineinpassen und auch ein interessantes Klangspektrum ergeben. Das zeigt die Frequenzzusammensetzung eines Klanges, mit hohen Frequenzen weiter oben und niedrigeren Frequenzen weiter unten. Das war teilweise auch eine visuelle Herangehensweise, denn nicht alle Klänge sehen als Klangspektrum schön aus. Ich habe außerdem Wissenschaftler und Klangkünstler bei der Arbeit gefilmt.

War die Form einer multimedialen Reportage etwas Neues für Sie?

In der Form auf jeden Fall. Ich habe die Videos alle selber gemacht und mir den Schnitt selber beigebracht. Auch die meisten Klangvisualisierungen habe ich selber übernommen. Vieles war eine sehr steile Lernkurve. Also ein tolles Projekt, um Neues zu lernen.

Die einzelnen Klangbeispiele werden von sogenannten Spektogrammvideos unterstützt. Warum nutzten Sie eine visuelle Komponente, um die Symphonie zu begleiten?

17 verschiedene Arten kann man auf dieser Aufnahme aus dem Regenwald in Borneo unterscheiden, darunter sechs Froscharten sowie 11 Grillen- bzw. Laubheuschreckenarten. © Aufnahme und Spektrogrammvideo: David Monacchi, Conservatorio di Musica „G. Rossini“, Pesaro, Italien. Artenbestimmung Frösche: Ulmar Grafe, Universiti Brunei Darussalam.

17 Arten können auf dieser Regenwald-Aufnahme in Borneo unterschieden werden, darunter  Frösche und  Heuschreckenarten. © Aufnahme und Spektrogrammvideo: David Monacchi, Conservatorio di Musica „G. Rossini“, Pesaro, Italien.

Wir sind sehr vom Sehsinn geprägt. Daher habe ich mir gedacht: Warum nicht Klangspektren als visuelle Hilfe benutzen, um Klänge leichter zugänglich zu machen? Die Spektrogramme sind fast wie eine Partitur. Ohne sie müsste man mit vielen, vielen Worten erklären, wo in einem Stück genau diese eine Stelle ist, die man meint. Eines der besten Beispiele ist der amerikanische Jazzmusiker David Rothenberg. Er ist in Hawaii mit einem Boot herausgefahren und hat versucht, mit einem Buckelwal zu musizieren: Er hat einen Unterwasserlautsprecher installiert, so dass der Wal unter Wasser hören konnte, was Rothenberg auf seiner Klarinette spielte. Der Wal hat dann tatsächlich angefangen, bestimmte Klangmuster Rothenbergs zu imitieren. Man kann aber solche Muster und die genauen Stellen, an denen der Wal das tut, nur nachvollziehen, wenn man sich das Klangspektrum anschaut. Eine der Haupterkenntnisse der Klangökologie ist außerdem, dass die Natur sogenannte Klangnischen hat: verschiedene Tierarten überlappen sich in ihrer Frequenz oft nicht. Das kann man vielleicht, wenn man musikalisch trainiert ist, hören, aber man kann es am besten nachvollziehen, wenn man es auch sieht. In einem Beispiel singen fünf verschiedene Zikadenarten, und ohne das Klangspektrum zu sehen, könnte man nicht hören, dass sie sich nicht in ihren Frequenzen überlagern.

Eines der besten Beispiele für plötzliche Veränderungen der Klanglandschaft ist der „dawn chorus“ oder Morgengesang der Vögel. Besonders eindrucksvoll ist er im Sasso Fratino in Italien, einem Waldgebiet, zu dem der Zutritt des Menschen seit 1959 untersagt ist. An diesem Morgen konnte man mindestens zehn Vogelarten hören. © Aufnahme und Hintergrundbild: Gianni Pavan, CIBRA laboratory, Università di Pavia, Pavia, Italy; Spektrogrammvideo: Andreas von Bubnoff

Der Morgengesang der Vögel im Waldgebiet Sasso Fratino in Italien. Der Zutritt für Menschen ist dort seit 1959 untersagt. © Aufnahme und Hintergrundbild: Gianni Pavan, CIBRA laboratory, Università di Pavia, Pavia, Italy; Spektrogrammvideo: Andreas von Bubnoff

Es gibt auch eine ästhetische Komponente. Das lauteste Tier im Vergleich zur Körpergröße weltweit ist ein Unterwasserinsekt, welches in Flüssen und Teichen in Europa lebt. Wenn man sich nun das Klangspektrum anschaut, sieht das ganz hübsch aus, mit geordneten Gruppen senkrechter Streifen. Dagegen sehen die Schreie südamerikanischer Brüllaffen im Klangspektrum nicht so interessant aus. Einer meiner Interviewpartner hat mich auch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass das Morgenkonzert der Vögel im Wald im Klangspektrum interessanterweise selbst wie ein Wald aussieht. Die Klangspektren können also eine witzige Ästhetik einnehmen.

Warum verwenden Sie das Format eines Artikels?

Ich persönlich finde die Textform angenehmer, weil man immer wieder ein- und aussteigen kann. Ein Podcast wäre da etwas zu linear. Bei diesem Projekt ist es wie bei einem Museumsbesuch: Wie in einer Ausstellung kann man sich etwa Unterwasserklänge anschauen und dann die Seite wieder verlassen. Beim nächsten Mal hört und schaut man sich dann vielleicht die „mysteriösen Klänge“ an. Der Text zieht sich wie ein Faden durch alles durch. Er bietet eine visuelle Auflagefläche, von der aus man sich in die Soundposition begeben und dann wieder zurückgehen kann. Man kann aber auch herumspringen, indem man einfach auf die Weltkarte geht und sich zufällig etwas anhört.

Andreas von Bubnoff bei der Nominierung für den Grimme Online Award 2016. Foto: Grimme-Institut / Rainer Keuenhof

Andreas von Bubnoff bei der Nominierung für den Grimme Online Award 2016. Foto: Grimme-Institut / Rainer Keuenhof

Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?

Ich habe mich sehr gefreut, als der Anruf kam. Es ist gut, dass mehr Menschen auf das Projekt aufmerksam gemacht werden, weil es ein wichtiges Thema ist. Wir müssen uns bewusst machen, dass viele dieser Klänge verschwinden. Viele Menschen nehmen Naturklänge außerdem gar nicht mehr wahr. Deshalb ist die Nominierung besonders schön.

Autorin: Mila Jofelin Evers

Um das Video anzuzeigen, ist ein Verbindungsaufbau zu YouTube erforderlich. Durch YouTube werden bei diesem Vorgang auch Cookies gesetzt. Details entnehmen Sie bitte der YouTube-Datenschutzerklärung.

Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert