Kunst digital vermitteln
Zur Ausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ bietet das Städel Museum dem Besucher die Möglichkeit, bereits im Vorfeld des Museumbesuches Informationen zur Schau zu erhalten. Mit Hilfe des interaktiven Konzeptes wird allen Interessierten die Möglichkeit eröffnet, ihren digitalen Ausstellungsbesuch nach individuellen Vorlieben zu steuern und gestalten – zur Vorbereitung auf einen realen Ausstellungsbesuch oder auch unabhägig davon. Das für den Grimme Online Award in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominierte Digitorial „Monet und die Geburt des Impressionismus“ bietet dem Besucher mit besonderen visuellen Elementen einen erweiterten Blick auf Details der Werke des Impressionisten Claude Monet. Im Interview erläutert Chantal Eschenfelder, verantwortlich für Idee, Konzeption und Redaktion, das Konzept des Digitorials und die Rolle der Impressionisten als Wegbereiter der Moderne.
Wie kam es zu dem Digitorial zur Monet-Ausstellung im Städel Museum? Was ist die Intention dahinter?
Anlässlich unseres 200-jährigen Jubiläums erweitern wir unseren Bildungsauftrag mit verschiedenen Maßnahmen auch in den digitalen Raum. Mit dem Digitorial zur momentan gezeigten Monet-Ausstellung füllen wir eine Lücke in der sogenannten „visitor journey“: Während wir in der Ausstellung über Saaltexte, Audioguide oder Führungen die Inhalte vermitteln, nehmen die Besucher nach dem Ausstellungsbesuch gerne den Katalog oder das Begleitheft zur Hand. Es fehlte aber noch ein Instrument, eine Art Vorbereitungskurs, das die Besucher bereits im Vorfeld über die wichtigsten Inhalte informiert, Begriffe klärt und schon mit einzelnen Werken vertraut macht, sodass der eigentliche Ausstellungsbesuch bereits nach den persönlichen Vorlieben individuell gesteuert verlaufen kann. Und grundsätzlich ist es natürlich so, dass ich umso mehr sehe, je mehr ich bereits weiß. Zudem ist für uns das Digitorial eine gute Gelegenheit, innovative Konzepte der digitalen Kunstvermittlung anhand wechselnder Ausstellungsthemen zu entwickeln und auszubauen.
Die Impressionisten gingen als erste in die Natur hinaus und fingen mit ihren Werken Momentaufnahmen ein. Beschreiben Sie bitte diese wichtige Zäsur in der Kunstgeschichte.
Künstler arbeiteten in der Regel im Atelier. Sie fertigten zwar durchaus Skizzen nach der Natur an, aber als die eigentliche Leistung wurde damals der künstlerische Schöpfungsakt im Atelier betrachtet; ein Prozess der Idealisierung, der in langer und mühevoller Kleinarbeit die nach der Natur skizzierten Motive in wahre Kunst überführte. Das änderte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Bereits die Künstler der sogenannten Schule von Barbizon hatten sich von der traditionellen Landschaftsdarstellung abgewandt und der Freilichtmalerei im Wald von Fontainebleau gewidmet. Das faszinierte auch die Impressionisten, da diese Arbeitsweise ihrem Interesse an der malerischen Darstellung flüchtiger Naturerscheinungen und des Atmosphärischen entgegen kam. Begünstigt wurde diese Entwicklung auch durch technischen Fortschritt: Die Erfindung der Farbtube 1841 und der Bau neuer Eisenbahnlinien, die die Hauptstadt Paris mit der Provinz verbanden, waren ein wichtiger Faktor für die Verbreitung der Freilichtmalerei. Auch die Erfindung der Fotografie, die letztlich eine vollkommen neue Sicht auf die Wirklichkeit und die Möglichkeit der „Momentaufnahme“ eröffnet hatte, wurde zum Wegbereiter für eine neue Art der Malerei.
Welche Rolle spielten die Impressionisten als Wegbereiter der Moderne?
Eine sehr große! Angefangen beim Interesse an Bildthemen aus dem alltäglichen Leben, der Freizeit oder der Großstadt, an visuellen Phänomenen wie Lichtsituationen, Spiegelungen und Bewegung, über die zum Teil ungewöhnlichen Bildperspektiven und radikalen Bildausschnitte, bis hin zur Auflösung des Bildmotivs in einzelne Farbstriche, die sich erst im Auge des Betrachters mischen und letztlich zur Befreiung der Farbe vom Gegenstand führten, sind viele Merkmale moderner Kunst bei den Impressionisten zu finden. Auch das serielle Arbeiten bei Claude Monet ist ein Charakteristikum, das sich bis in die Gegenwartskunst verfolgen lässt.
Die Gestaltung Ihrer Webseite zum Projekt Monet im Städel Museum ist eine ganz besondere. Der Blick des Users wird zielgerichtet auf einzelne, spezielle Bildausschnitte gelenkt. Wollen Sie den Betrachter so bewusst auf einen bestimmten Teil des jeweiligen Bildes hinweisen?
Ja, das ist einer der großen Vorzüge der digitalen Vermittlung im Digitorial. Der User wird nicht nur mit Informationstexten, Audiotracks oder Filmausschnitten, sondern eben auch durch visuelle Effekte, die er bei der Nutzung selbst auslöst, auf bestimmte Phänomene wie beispielsweise die impressionistische Bildkomposition hingewiesen. Auf diese Weise werden nicht nur die Möglichkeiten des digitalen Mediums voll ausgenutzt, sondern die Informationen bleiben auch besser im Gedächtnis.
Bringen Sie uns bitte kurz Ihre Arbeitsweise etwas näher. Wie sieht die tägliche Arbeit aus?
Die Aufgaben der Abteilung Bildung und Vermittlung sind sehr vielfältig. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen digitalen Projekten und analogen Angeboten für den physischen Museumsbetrieb. Dazu gehört beispielsweise die Konzeption des Führungs- und Veranstaltungsprogramms, die Buchung und Organisation von inzwischen über 3500 Führungen in der Monet-Ausstellung, Lehrerfortbildungen oder auch – vor den Sommerferien – die Bildungswoche für rund 5000 Schüler in unserer Sammlung. Wir schreiben Begleithefte zu den Ausstellungen und begleiten redaktionell die Entwicklung der Audioguides. Aber wir haben auch gerade ein Computerspiel für Kinder entwickelt, konzipieren einen Onlinekurs zur Kunst der Moderne oder arbeiten an der Weiterentwicklung unserer Digitalen Sammlung, die wir vor kurzem als Betaversion online gestellt haben. Bei allen Projekten arbeiten wir eng mit den Kuratoren, aber auch mit der Marketing- und der Presseabteilung sowie mit externen Partnern zusammen. Und stets ist der Besucher bzw. der User mit seinen Bedürfnissen der Mittelpunkt all unserer Aktivitäten.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?
Die Nominierung ist für uns eine wichtige Anerkennung der Qualität unserer digitalen Angebote. Vielleicht überrascht den einen oder anderen User auch, dass ein Kunstmuseum auf diesem Gebiet mit innovativen Beiträgen aufwartet und aufzeigt, welche Angebote durch die digitalen Möglichkeiten der Kunstvermittlung entstehen können. Uns freut also auch, dass mit der Nominierung die Kunstvermittlung als Thema in den Fokus rückt.
Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv auf das Digitorial auswirken? Was erhoffen Sie sich auch in Hinblick auf potenzielle neue Projekte?
Die Nominierung lenkt natürlich noch mehr Aufmerksamkeit auf das neue digitale Vermittlungsformat des Digitorials. Gerade bei der sehr gut besuchten Monet-Ausstellung, wo wir bereits nach acht Wochen Laufzeit über 180.000 Besucher haben und auch die meisten Führungstermine ausgebucht sind, ist das Digitorial ein wichtiges Vermittlungsinstrument. So wird es bis zum Schluss zufriedene Ausstellungsbesucher geben, weil diese sich in Ruhe vorab kostenfrei über die Ausstellung informieren können. Und für unser nächstes Projekt, das Digitorial zur Ausstellung „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“, können wir dank der Nominierung gleich mit einem ganz anderen Bekanntheitsgrad dieses Vermittlungsformat starten.
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Die Ausstellung “Monet und die Geburt des Impressionismus” im Städel Museum ist wirklich sehr aufschlussreih und gut sortiert.
Auch die Möglichkeit für den Besucher, sich im Vorfeld online Informationen für den Museumbesuch zusammenzustellen ist eine tolle Idee – aber unter der Überschrift „Kunst Digital vermitteln“ sehe ich das Städel Museum nun nicht wirklich als digitalen Vorreiter….
Hm. Aber das „Digitorial“ zur Monet-Ausstellung war doch schon wegweisend? Der Nominierungskommission und Jury war jedenfalls im deutschsprachigen Raum nichts bekannt, was dem nahe kam. Abgesehen davon hat das Städel 2015 auch die „Digitale Sammlung“ (https://digitalesammlung.staedelmuseum.de/index.html) eröffnet, sie haben WLan im ganzen Haus, eine App für weiterführende Informationen beim Museumsbesuch und ein App-Spiel für Kinder („Imagoras“). Auch wenn das nicht alles für den Grimme Online Award relevant ist, ist es doch so dass man sich in Deutschland im Museum meist noch verteidigen muss, wenn man auf dem Handy bei Wikipedia weiterführende Informationen zu einem Künstler nachsehen möchte … Wenn Sie also Tipps haben, welches Museum im deutschsprachigen Raum digital ähnlich weit ist, sind wir für Tipps dankbar. Vielleicht sind Kandidaten für den Grimme Online Award 2016 dabei!