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Es droht ein Cyberkrieg

Screenshot “netwars / out of CTRL”
Screenshot “netwars / out of CTRL”
Screenshot “netwars / out of CTRL”

In einer digitalen und vernetzen Welt lassen sich Katastrophen mühelos innerhalb von Minuten per Computer herbeiführen. Die interaktive dokumentarische Webserie „netwars / out of CTRL“ zeigt in fünf Episoden auf, wie virtuelle Angriffe plötzlich real werden. Basierend auf aktuellen Fakten wird der Nutzer direkt in das Geschehen eingebunden und weiß irgendwann nicht mehr, wann Realität zur Fiktion wird. Das Projekt ist für den Grimme Online Award in der Kategorie Wissen und Bildung nominiert. Im Interview spricht Executive Producer Michael Grotenhoff über die bei vielen vorherrschende passive Haltung gegenüber Cyberkriminalität und die Intention, dieses Thema fassbarer zu machen.

Wie kam es zu dem Projekt „netwars / out of CTRL“?

Die Idee zu „netwars / out of CTRL“ entstand schon 2007, bei Dreharbeiten zu einer TV-Dokumentation zum Thema „Cybercrime“. Während des Drehs wurde Estland, ein kleines IT-basiertes Land, Opfer einer breit angelegten Cyberattacke. Ein politischer Konflikt zwischen Estland und Russland eskalierte und wurde plötzlich online weiter ausgetragen. Über einen virtuellen Angriff auf kritische Infrastrukturen Estlands wurde der Konflikt gefährlich real und hatte auch ganz reale Auswirkungen: Das Onlinebanking-System brach zusammen, Geldautomaten funktionierten nicht mehr, Notrufnummern fielen aus. Die Regierungswebseiten wurden lahmgelegt. Es ging plötzlich eine sehr spürbare, ganz reale Angst um. Da wurde mir als Journalist zum ersten Mal deutlich, dass Cyberangriffe eine neue Waffe sind, die in Konflikten immer mehr eine Rolle spielen werden und dass diese Angriffe fatal sein können, weil wir durch die zunehmende Vernetzung immer mehr Angriffsflächen schaffen. Die inzwischen allgegenwärtige digitale Vernetzung, der fast schon getriebene Vernetzungswahn fordert seinen Preis. Das war vor acht Jahren und gerade mal der Anfang. Jetzt, 2015, wissen wir dies – spätestens seit den NSA-Enthüllungen von Edward Snowden.

Dennoch sind viele Menschen dem Thema immer noch sehr passiv und teilnahmslos gegenüber – nach dem Motto: „Damit hab ich ja nichts zu tun“, oder: „Ich habe ja nichts zu verbergen.“ Wir wollten zeigen. „Du bist da mittendrin. Es geht um deine Daten, die missbraucht werden. Du bist Teil eines täglichen Cyberwars, der mittlerweile bizarre Züge trägt.“
Deshalb wollten wir dies scheinbar abstrakte Thema noch fassbarer und spürbarer machen. Und zeigen, dass es nicht weit weg ist. Da geht es nicht nur um Nullen und Einsen. Wir wollten zeigen, das geht jeden persönlich etwas an. Deshalb haben wir das Thema personalisiert und emotionalisiert, ohne die Fakten dahinter zu verschweigen.

Durch Ihre Webserie hat der User die Möglichkeit, seine „Cyberfähigkeiten“ zu testen und gleichzeitig werden ihm dabei Schwächen bei seinem alltäglichen Umgang im Netz und System-Sicherheitslücken aufgezeigt. Wollen Sie so ein besseres Bewusstsein in der Gesellschaft im Umgang in der Online-Welt entwickeln?

Ja, das ist unsere Intention. Und das geht am besten über spielerische Interaktion. Die User sollen involviert werden. Wir wollen keine passive „Lean Back“ Variante, sondern wir wollen überraschen, provozieren, zum Beispiel über die Figur des zynischen Cyberwaffenhändlers, der durch die interaktive Webdoc führt. Der „Salesman“ lockt den User in die einzelnen Szenarien hinein. Durch Beteiligung, durch spielerische Elemente und dadurch, dass wir mit persönlichen Daten der User arbeiten, wird das Thema viel näher und personalisierter.
Nicht zu vergessen ist die Rolle der interaktiven Graphic Novel bei „netwars / out of CTRL“. Sie führt die Themenwelt auf eine nächste Ebene. Hier geht es um ein fiktionalisiertes Szenario. Nach dem Motto: Wenn gewisse Probleme nicht gelöst werden, könnte ein Konflikt so eskalieren. Die Geschichte ist sehr real und man hat hinter der spannenden Fiktion die Fakten-Ebene. Und dort erfährt man: Das ist kein abgefahrener „Science Fiction“, den wir da erzählen, sondern da sind viele Dinge schon tatsächlich passiert. Und das alles ist technisch und politisch auch so möglich.

Screenshot "netwars / out of CTRL"

Screenshot „netwars / out of CTRL“

In fünf Episoden zeigen Sie auf dokumentarische Art und Weise sehr schockierend auf, wie leicht potenzielle Cyber-Angriffe durchzuführen sind. Kann man sich überhaupt vollkommen sicher im Netz bewegen?

Vollkommen sicher ist ja bekanntlich nichts. Auch und gerade im IT-Bereich wird das nie so sein. Wir wollen aber auch nicht das Gegenteil propagieren und sagen: Alles muss offline gehen, lasst die Finger vom Netz. Das ist unrealistisch und entspricht nicht unserem Lebensalltag. IT ist wichtig und hilft. Wir wollten aber dem allgegenwärtigen Vernetzungswahn etwas entgegensetzen und die von vielen unterschätzten Gefahren noch mal persönlich deutlich machen. Man kann bewusster mit dem Netz umgehen und ein paar Sicherheitsregeln beachten, die schon sehr helfen können. Da haben wir auch viele Tipps und Ratschläge auf unserer Website. Generell geht es uns darum, darauf aufmerksam zu machen, dass man sich auch selber aktiv kümmern muss, wenn man nicht will, dass man zum Spielball wird. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Umgang mit den digitalen Daten eines jeden Einzelnen, die man häufig gedankenlos zur Verfügung stellt, da man nicht mal ahnt, was damit passieren könnte.

Michael Grotenhoff von "netwars / out of CTRL"; Foto: Grimme-Institut / Jens Becker

Michael Grotenhoff von „netwars / out of CTRL“; Foto: Grimme-Institut / Jens Becker

Bringen Sie uns bitte kurz Ihre Arbeitsweise etwas näher. Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?

Wir haben uns als Firma neu erfunden und in den letzten Jahren zu einer Crossmedia-Company umgekrempelt. Unser Unternehmen „Filmtank“ geht ganz neue Wege im dokumentarischen Storytelling. Ursprünglich aus dem Dokumentarfilm kommend, erschaffen wir heute Story-Universen. Dazu setzen wir auf unterschiedlichste Formate wie Film, Game, Graphic Novel oder Webdokumentation und lassen das Publikum Teil der Geschichte werden. Wir sehen uns durchaus als Pioniere, immer auf der Suche nach der perfekten Verbindung von technologischen Möglichkeiten, inhaltlichen Ideen und Zielgruppenerweiterungen. So bringen wir Storytelling und Technik zusammen, sodass man eine neue, ungewohnte und erhellende Perspektive auf die Welt bekommt. Alle unsere Produktionen haben eines gemeinsam: Sie erweitern den Horizont.

Im Detail heißt das: Wir bauen an dokumentarischen Themenwelten, die über mehrere Plattformen erzählt werden und dadurch eine viel größere Reichweite haben, verbunden mit einer größeren Nachhaltigkeit. Wir schaffen dabei so genannte „Rabbitholes“, also Motivationen, von einer Plattform zur nächsten zu hoppen. Jede Plattform steht auch gut für sich alleine, bietet aber für sich genommen einen Mehrwert für die gesamte Story-World, ist also so aufgebaut, dass man ein rundes Story-Universum hat. Dadurch erweitert man die Reichweite und die Zielgruppen, es sind mehrere Zielgruppen, die sich überschneiden.
Wenn man Themenwelten schafft, dann sind die Plattformen von Anfang an so miteinander verknüpft, dass man einen User-Flow entwickelt, dass sich die Geschichte von einer Plattform zur anderen Plattform organisch weiterentwickelt. Wir bauen keine isolierten Plattformen oder sehen Crossmedia nicht nur als Add On zum Marketing. Wir versuchen, in sich funktionierende Themen- oder Geschichten-Welten zu schaffen, in der die Plattformen sinnvoll miteinander verknüpft sind.

Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?

Die Nominierung allein schon ist eine Riesen-Ehre und ein Ritterschlag für unsere Arbeit und das Projekt „netwars /out of CTRL„, weil unsere Arbeit vom renommiertesten deutschen Online-Preis, dem „Deutschen Internet-Oskar“, Beachtung gefunden hat. Wir haben mit diesem Projekt sehr viel gewagt. Wir sind inhaltlich neue Wege gegangen, haben uns als Firma neu aufgestellt und sind auch ein unternehmerisches Risiko eingegangen. Denn wir glauben fest daran, dass diese Art und Weise Geschichten zu erzählen Zukunft hat. Dass „netwars /out of CTRL“ mit einer Grimme-Nominierung geehrt wurde, zeigt uns, dass wir genau auf dem richtigen Weg sind.

Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv auf das Projekt“ netwars / out of CTRL“ auswirken? Was erhoffen Sie sich auch in Hinblick auf potenzielle neue Projekte?

Wenn nun noch aus der Nominierung ein Preis wird, dann umso besser… Wir wollen und arbeiten daran, dass „netwars / out of CTRL“ weitergeht. Da würde der Award sehr helfen. Wir haben es nämlich als längerfristiges Projekt angelegt. Und es gibt noch eine Menge zu erzählen und noch eine Menge zu hacken . . .
Der Grimme Online Award würde „netwars /out of CTRL“ und Filmtank natürlich einen Riesen-Push nach vorne geben. Das gilt sicherlich auch für andere größere Crossmedia-Projekte, die wir gerade in der Vorbereitung haben.

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