Am Nordpol mit Rundumblick
Die ferne und raue Arktis in den eigenen vier Wänden oder mobil: Mit der ARTE Video-Dokumentation „Polar Sea 360°“ wird dieses Erlebnis möglich. Der Einsatz von neuester Kameratechnik beamt den Zuschauer direkt an den Ort des Geschehens, er kann das Terrain selbst erkunden und erlebt so die Region und deren Wandel durch den Klimawandel aus erster Hand. Die Video-Webdokumentation ist für den Grimme Online Award 2015 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Im Interview spricht Redakteur Kay Meseberg über die Verwendung der 360°-Technologie und die Intention, den Klimawandel erlebbar zu machen.
Sie nehmen den Nutzer mit auf eine Reise in die legendäre Nordwestpassage zwischen Nordpol und Kanada. Dies geschieht in Form einer 360°-Video-Dokumentation, einer Webseite mit umfangreichem Kartenmaterial, einer 360°-App und einer Kurzdokumentation für sogenannte Virtual-Reality-Headsets. Erklären Sie bitte dieses Konzept und den Gedanken dahinter.
Der 83-jährige Inuit Gamailie Kilukishak ist Dorfältester. Er lebt in der Gemeinde Pont Inlet im arktischen Norden Kanadas an der legendären Nordwestpassage. Seine Familie hat ihm beigebracht, das Wetter vorherzusagen. Und das konnte er auch sehr genau. Doch seit einigen Jahren nützt ihm sein Wissen nichts mehr. Die Erderwärmung führt dazu, dass das Wetter unberechenbarer geworden ist. Geschichten wie diese zu erzählen, war Ziel des Projekts „Polar Sea 360°„. Alle Welt redet vom Klimawandel, doch wie erleben das Menschen, die bereits heute davon unmittelbar betroffen sind? Viele der Protagonisten, die wir in der Arktis-Region interviewt haben, erzählen von ihren Befürchtungen aber auch Hoffnungen, die sie mit dem Klimawandel verbinden. Sie leben in einer der Regionen der Welt, die am stärksten von der Eisschmelze gezeichnet ist. Klimawandel an sich ist ein sehr technischer Begriff. Den wollten wir mit Leben füllen und so dem Publikum nahe bringen. Dank der innovativen Technologie der 360°-Videos geht sogar noch mehr. Denn das Publikum kann sich direkt in die Arktis beamen und dort vor Ort umschauen, ein umfassendes 360°-Bild von einer Region im Wandel erlangen. Das hat es so noch nicht gegeben.
Möchten Sie durch dieses Hautnah-Erlebnis aufrütteln und die Problematik des Klimawandels mehr in den Fokus der öffentlichen Diskussion rücken?
Das Feedback von vielen Nutzern war, dass sie dank der App und der 360°-Dokumentation nun hautnah erleben konnten, welche Auswirkungen der Klimawandel hat, wie sich die Landschaft verändert und die Polarregion zu einem neuen Eldorado entwickelt. Insofern hilft ein crossmediales Erlebnis wie Polar Sea 360° dabei, für das Thema zu sensibilisieren.
Bringen Sie uns bitte kurz Ihre Arbeitsweise etwas näher.
Ich selbst war für das Projektmanagement und die Redaktion zuständig. Gemeinsam mit den Produzenten und vielen anderen Beteiligten haben wir 2013 ein Konzept für einen Onlineauftritt entwickelt, der Teil des crossmedialen Projekts „Polar Sea 360°“ ist. Basis war die zehnteilige Fernsehserie. Wir haben dann auf die sehr neue Technologie von 360°-Videos gesetzt, um die Problematik zu veranschaulichen, um den Nutzern die Möglichkeiten zu geben, sich in der Arktis umzuschauen, sich sogar mit Hilfe von Virtual-Reality-Headsets wie Oculus Rift oder Samsung Gear VR dorthin zu begeben. Als das Projekt entstand, war ein sehr großer Teil der Technologie noch in der Entwicklung. Schließlich gab es parallel zu den Arbeiten an „Polar Sea 360°“ mit dem Aufkommen der Oculus-Rift-Brillen und immer neuen und besseren Kameras und Playern für 360°-Videos diverse Quantensprünge in der Technologie. Das führte dazu, dass es bereits vor Fertigstellung des Projekts Anfragen von wichtigen Technologieunternehmen wie Mozilla gab, die Polar-Sea-Inhalte für Demonstrationszwecke zu nutzen. Bei der Produktion hatten wir oft das Gefühl, in einen Dampfzug einzusteigen und mit einem ICE anzukommen, so sehr hat sich in der Produktionsphase der technologische Fortschritt beschleunigt und auf das Ergebnis dieses Projekt ausgewirkt. Abgesehen davon bedeutet das Drehen von 360°-Videos auch erheblich viel Neuland für Filmemacher, man kann sich beispielsweise nicht einfach hinter der Kamera verstecken, wie man das von traditionellen Aufnahmen gewohnt ist. Folge: Das Team musste sich hinter Steinen, in Häusern oder in Booten verstecken.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?
Die Nominierung für den Grimme Online Award ist eine sehr große Ehre für das Team, das über mehr als zwei Jahre hart an diesem Projekt gearbeitet hat und eine Bestätigung für den eingeschlagenen Weg, mit Hilfe innovativer Technologien gute Geschichten zu erzählen.
Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv für das Projekt „Polar Sea 360°“ auswirken? Was erhoffen Sie sich auch in Hinblick auf potenzielle neue Projekte?
Der Gewinn des Grimme Online Award kann sehr behilflich sein bei der Realisierung weiterer Projekte im Bereich 360°-Video und Virtual Reality. In diesem Bereich passiert gerade sehr viel. Regisseure wie Steven Spielberg halten die Technik für die Zukunft des Kinos. ARTE war mit „Polar Sea 360°“ einer der ersten Fernsehsender überhaupt, der sich mit diesem neuen Format auseinandergesetzt hat. Die Reaktionen waren so vielversprechend, dass es bereits konkrete Überlegungen für folgende Projekte gibt. Insofern könnte der Gewinn nicht nur eine Auszeichnung sein, sondern auch für einen sehr hilfreichen Schub sorgen, um weiterhin qualitativ hochwertige Inhalte in 360° zu produzieren und zu publizieren.
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