Erzählungen von Drogenabhängigkeit, fern jeglicher Stigmata
Die Biografie-Serie „Shore, Stein, Papier“ auf dem YouTube-Channel „zqnce“ gleicht einem Tagebuch. Der Ex-Junkie Sick erzählt über sein Leben, geprägt von Kriminalität, Gewalt und Drogenproblemen – unverblümt und ehrlich. Durch das unkonventionelle Setting in einer Küche und den authentischen Protagonisten wird eine enorme Glaubwürdigkeit der Darstellung erreicht. Das für den Grimme Online Award in der Kategorie Wissen und Bildung nominierte Video-Format „Shore, Stein, Papier“ liefert wöchentlich neue Episoden. Im Interview bringt Redakteur Paul Lücke die vielfältigen Arbeitsabläufe näher und gibt einen kleinen Ausblick auf zukünftige Folgen.
Wie kam es zu dem Projekt „Shore, Stein, Papier“? Was war die Intention dahinter?
Unser Protagonist war uns über unseren Bekanntenkreis und sein Blog bereits bekannt und man wusste um den Unterhaltungswert seiner Erzählungen und die interessanten Einblicke in seine Lebenswelt. Als wir im Jahr 2012 mit dem Online-Kanal „zqnce“ als Original-Channel auf YouTube online gehen sollten, hatte unser Geschäftsführer Ramon Diehl die Idee, mit dem Format „Shore, Stein, Papier“ online zu gehen. Die Idee war, ein Format zu schaffen, das gleichzeitig informiert und unterhält, um dem Zuschauer die Lebenswelt von Drogenabhängigkeit und Kriminalität, fern von den üblichen Stigmata, näher zu bringen.
Der Ex-Junkie „Sick“ erzählt in der Küche bei Kaffee und Zigarette seine Lebensgeschichte, wodurch eine gewisse Nähe und Authentizität erreicht wird. Ermöglicht diese Art der Erzählung einen leichteren Zugang zur Aufklärung über die Drogenthematik?
Ich denke, dies ist sein Geheimnis. Er weiß, wovon er redet und die Atmosphäre des Küchengesprächs entkleidet den Mythos, um den sich die Berichterstattung über die Welt der Drogen üblicherweise rankt. Durch das Setting sitzt uns schlicht ein Mensch gegenüber, der uns seine Lebensgeschichte in einzelnen Geschichten erzählt.
Auch nach mehr als 300 Folgen sind nur wenige persönliche Details über „Sick“ bekannt. Können Sie uns einen kurzen Ausblick auf kommende Episoden geben? Was kann der Zuschauer erwarten?
Eigentlich weiß man sehr viel über ihn, wenn man ihm zuhört. Vielleicht mehr als über so manchen Bekannten, Verwandten oder Freund aus seiner Umgebung. Natürlich fehlen Angaben zum Wohnort oder ähnliche Informationen. Aber sind diese Informationen wichtig, um jemanden zu kennen? Vielleicht ist die häufigste Aussage von Zuschauern, wenn sie ihn treffen: „Ich habe das Gefühl, ich kenne dich.“ Inzwischen sind über 330 Folgen online und ich will natürlich ungern etwas vorweg nehmen. Vielleicht nur so viel: Mit der 2. Staffel entwickelt sich die Drogenwelt, Kokain und Ecstasy finden ihren Platz, und durch die Erfahrungen des Gefängnisses und seinem Hang zum Extremen bekommt die Geschichte von Sick einen erschreckenderen Charakter.
Bringen Sie uns bitte kurz Ihre Arbeitsweise etwas näher. Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus?
Es lässt sich am besten in Arbeitsphasen darstellen. Eine Konstante ist natürlich die Vorbereitung der Folgen für die Ausstrahlung am Mittwoch. In dieser Postproduktionsphase sichte ich als Redakteur das gedrehte Material und entscheide über Schnitte, Länge der Folgen und gebe jeder Folge zunächst einen Arbeitstitel. Die Folgen werden in einer Rohversion von unserem Cutter geschnitten und ich überlege dann bei der erneuten Sichtung, ob Korrekturen notwendig sind und welchen Titel die Folge endgültig bekommt. Vorangehen müssen dem ganzen aber zunächst Recherche- und Drehphase. In der Recherchephase finden Vorgespräche mit dem Protagonisten statt, um die Themen und Geschichten einzukreisen und dabei einen groben Drehplan zu entwickeln. Dann werden ergänzende Informationen in den Zeitungsarchiven recherchiert, um den historischen Hintergrund zu verdichten. Für die Drehphase entwerfe ich dann einen konkreten Drehplan mit vier bis fünf Oberthemen, anhand derer wir uns beim Dreh durch die jeweilige Lebensphase bewegen. Beim Dreh ist es dann wichtig, „Sick“ in die Zeit seiner Erzählung zu versetzen und ein Gefühl für seinen Erzählfluss zu entwickeln, um etwaige Nachfragen seitens der Redaktion während des Drehs richtig zu setzen, damit die Erzählungen flüssig und rund sind.
Was bedeutet die Nominierung für den Grimme Online Award für Sie?
Es ist eine große Anerkennung für uns als junge Produktionsfirma, für einen Preis nominiert zu sein, der von einer Institution wie dem Grimme-Institut verliehen wird. Als Redakteur freue ich mich sehr über die Nominierung in der Kategorie „Wissen und Bildung“, weil sie zeigt, dass die Nominierungskommission wie ich und auch viele unserer Zuschauer in „Shore, Stein, Papier“ mehr sieht als bloße Unterhaltung.
Wie könnte sich ein Gewinn des Grimme Online Award positiv auf das Projekt „Shore, Stein, Papier“ auswirken? Was erhoffen Sie sich auch in Hinblick auf potenzielle neue Projekte?
Als erstes wären da sicher Jubelstürme von allen Beteiligten des Projektes. Darüber hinaus hat der Gewinn des Grimme Online Award natürlich eine Aussagekraft innerhalb der Medienlandschaft, aber inwieweit es sich konkret für das Projekt und unsere Produktionsfirma auswirkt und ob sich die äußere Wahrnehmung verändert, darüber können wir nur spekulieren.
Eine Herzensangelegenheit ist sicher die Drogenaufklärung. Wir haben schon Kontakt mit verschiedenen Lehrern, die das Format für die Drogenaufklärung nutzen oder nutzen wollen, und mit dem Preis wäre es sicher ein weiteres Argument für die Bildungsinstitutionen, ihre Drogenprävention vielleicht auch mithilfe von „Shore, Stein, Papier“ zu erneuern.
Als Produktionsfirma im Online-Bereich sind wir immer auf der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Vielleicht ist der Grimme Online Award ein Argument, um weitere Formatprojekte flüssiger produzieren zu können.
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