25 Jahre später: Die Mauer fällt virtuell
Neben dem Gedenken an den Beginn des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren stand im letzten Jahr eines der frischesten historischen Ereignisse der Bundesrepublik im Vordergrund: Der Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren am 9.November 1989. Dieses Jubiläum wurde in vielen Online Angeboten aufgegriffen und gewürdigt. Auffallend ist, in wie vielen verschiedenen Formen das historische Erinnern stattfinden kann. Einerseits wird klassisch auf die Begebenheiten in Multimedia-Reportagen zurückgeblickt, andererseits werden die neuen Möglichkeiten von Social Media und Nutzerinteraktion eingesetzt, um das Gedenken partizipativer zu gestalten. Hier eine kleine Auswahl aus den Vorschlägen für den Grimme Online Award 2015.
Web-Formate transportieren Emotionen des Mauerfalls
Der MDR produzierte in diesem Jahr zwei Web-Angebote zum Thema Mauerfall. Die Reportage „Bornholmer Straße“ zeigt begleitend zum ARD-Film, der in diesem Jahr einen Grimme-Preis der Kategorie Fiktion erhält, die Stunden der Grenzöffnung an der innerdeutschen Grenze. Hier folgt man dem Strom der Menschen, beginnend von Günter Schabowskis Pressekonferenz bis hin zur Grenzöffnung. Sogar die genauen Uhrzeiten werden dabei berücksichtigt, um die Entscheidungsbrisanz der Grenzposten in diesem kurzen Zeitraum zu demonstrieren. Durch die Darstellungsform im 2014 entwickelten Reportage-Tool „Pageflow“ kann sich die Reportage auch ästhetisch sehen lassen. Unterstützt werden die Fakten von historischen Originalaufnahmen, sowie Ausschnitten aus dem ARD-Film. Das zweite Angebot widmet sich der Besetzung der deutschen Botschaft in Prag und der Ausreise vieler DDR-Bewohner mit dem „Zug in die Freiheit„. Nach den erlösenden Worten von Hans-Dietrich Genscher wird hier eindrucksvoll die Brisanz der Situation zwischen Freiheitsstreben und der Ungewissheit über die neue Freiheit dargestellt. Der Zug musste, so die klare Anweisung der DDR, unbedingt über das Staatsgebiet der DDR fahren. Somit wurde das Misstrauen und die Angst gegenüber der DDR und der Stasi geweckt, nicht sicher in der BRD anzukommen. Die Geschehnisse werden von zahlreichen ehemaligen Passagieren selbst, oder von prominenten Akteuren wie Hans-Dietrich Genscher kommentiert. Nach der erfolgreichen Reise in die BRD trennten sich die Wege der Flüchtlinge, die aber 25 Jahre später noch einmal besucht werden. Sie erinnern sich erneut und erzählen, in welcher Weise dieser Zug ihren Lebensweg verändert hat. Beide Angebote schaffen es, die Emotion der Ereignisse dem Nutzer näher zu bringen.
Social-Media und Partizipation
Das Dossier der Tagesschau zeigt die Vielfalt der Möglichkeiten auf, mit der man sich der Thematik nähern kann. Es umfasst sowohl chronologische Rückschauen, Interviews, persönliche Erfahrungs-geschichten als auch webspezifische technische Tools wie Animationen oder Sammlung von Tweets. Social-Media-Plattformen werden von einigen Anbietern genutzt, um die Ereignisse dem Nutzer erlebbar zu machen. Neben den Aktionen „Die tagesschau twittert den Mauerfall“ oder dem interaktiven Projekt „Mauerspecht“ des ZDF steht hier vor allem der Twitter Account @Mauerfall89 der BILD in Kooperation mit der Stasi-Unterlagenbehörde und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam im Vordergrund. Schon Monate vor dem Mauerfall konnten die User die Entwicklung vor 25 Jahren tagesaktuell nachempfinden. Mit über 13.000 Followern war das Projekt 2014 in der Reichweite ein großer Erfolg. Die Rezeption nach Beendigung des Projekts gestaltet sich allerdings schwierig, da der Live-Effekt hier nicht mehr gegeben ist.
Doch nicht nur die Rückschau steht im Mittelpunkt der Angebote. Viele werfen auch einen Blick auf die heutige Situation. Die Zeit verdeutlicht in der Reportage „Das geteilte Land“ mithilfe von anschaulichen Karten und Interaktionsmöglichkeiten, dass Ost und West auch 25 Jahre nach dem Mauerfall in einigen mitunter sehr kuriosen Aspekten, wie beispielsweise in der Anzahl der Wohnmobile, noch sehr unterschiedlich sind. Auch im Erscheinungsbild der Bundesrepublik hat sich einiges getan: Fast alle Angebote bieten Vergleichsfotografien an, die historische Grenzstellen oder Orte damals und heute zeigen. Man sieht, die Grenze, die Ost und West 40 Jahre geteilt hat, ist heute nur noch schwerlich zu identifizieren. Wo hingegen die „gefallenen“ Mauerteile heute stehen, zeigt „The Wall Net„. In diesem ungewöhnlichen Projekt kann man sich durch die verschiedenen Standorte der einzelnen Mauerstücke klicken. Das kann an manchen Stellen schon überraschen: Sogar in Asien oder Lateinamerika stehen Exemplare an öffentlichen Plätzen oder in Parks.
Am Ende steht die Erkenntnis, dass durch viele gelungene Web-Reportagen und Aktionen, auch Personen, die dieses historische Ereignis nicht selbst miterlebt haben, die Emotionen dieser Nacht eindrucksvoll nacherleben können.
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