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Mal ganz naiv nachgefragt…

Screenshot „Jung & Naiv“

Angefangen auf YouTube, inzwischen auch im TV und in Europa unterwegs: „Jung& Naiv – Politik für Desinteressierte“ erklärt politische Zusammenhänge so, dass auch Laien sie verstehen und Uninteressierte angesprochen werden. Um Antworten auf die Fragen zu erhalten, die er schon immer wissen wollte, erfand sich Tilo Jung neu: er spielt die naive Figur. Damit hat er schon Peer Steinbrück oder den Regierungssprecher vor die Kamera bekommen. Doch in seinen Interviews kommen nicht nur Politiker zu Wort.

Sind Sie von der Nominierung überrascht worden oder haben Sie ihr Angebot selbst vorgeschlagen?

Ich wüsste nicht, dass wir das Angebot selbst vorgeschlagen haben. Klar, ich bin immer noch über jede Anerkennung überrascht, weil ich finde, dass wir noch so klein und Nische sind. Ich reibe mir bei jeder Nominierung die Augen. „Jung & Naiv“ kommt mir eher wie ein Insider-Format vor. Indem wir im Fernsehen auf Joiz laufen, sind wir zwar in gewisser Weise damit erfolgreich, aber ja trotzdem nicht so populär.

Wie ist Ihr Angebot entstanden?

Bevor ich die erste Folge im Februar 2013 produzierte, führte ich durch meine Arbeit bei Zeitung und Radio viele Gespräche. In Interviews mit Politikern oder mit Menschen, die viel zu sagen haben, merkt man irgendwann, dass die Fragen, die man gerne stellen möchte, nicht beantwortet werden. Entweder, weil die Leute weggehen, keine Lust haben oder nicht mehr mit dir sprechen wollen. So musste ich mir einen anderen Weg ausdenken und erfand die naive Figur. Ich merkte, wenn man einen Charakter spielt, dann funktioniert das. Mit diesem spielerischen Element entstehen ganz andere Interviews und es existieren viel mehr Freiheiten. Am Anfang habe ich das unterschätzt. Es fing spielerisch an und das, was nun daraus geworden ist, hatte ich vorher nicht im Kopf. Die Stilmittel, wie das Duzen oder das enge Zusammensitzen, kamen eher selbstverständlich. Als es dann mit den Politikern losging, habe ich das einfach weiter geführt.

Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus und wer ist daran beteiligt?

Mit Alexander Theiler und Hans Hütt sind wir mittlerweile zu dritt. Da inzwischen die 2. Staffel bei Joiz im Fernsehen läuft, produzieren wir dafür eine Folge pro Woche. Unser Hauptgebiet ist jedoch nach wie vor online. Wir möchten uns nicht an Fernseh-Gesetzmäßigkeiten halten und produzieren in der Regel 2-3 Folgen in der Woche. Wenn es aktuelle oder erklärungswürdige Themen gibt und wir Gäste haben – dann reden wir darüber. Auf der aktuellen Europatour haben wir 25 Folgen in zwei Wochen gedreht und 20 weitere kommen noch. Wir waren in Spanien und Griechenland – Italien, England, Osteuropa folgen. Wir sprechen dabei aber nicht nur mit Politikern. So kannst du keine Situation im Land erklären – die haben ihre Agenda und erzählen dir nicht alles. Das Format heißt ja auch nicht „Politiker für Desinteressierte“, sondern „Politik für Desinteressierte“. Mit ca. jeden 4. Folge sind Politiker sind nur ein Teil davon. Sonst spreche ich gerne mit Experten, Sachverständigen und Journalisten, die Zusammenhänge unabhängiger erklären und freier über Details sprechen können. Mit Politikern sind das andere Situationen.

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Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich würde mir wünschen, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen mit der Sendung befassen. Ich finde, wir machen öffentlich-rechtliches Programm. Meiner Meinung nach ist es einer der Grundaufträge der Öffentlich-Rechtlichen, Bildung und Information bereitzustellen. Ich finde es ein wenig ironisch, dass wir bei einem Privatsender laufen. Ich meine, wir müssen nicht im Fernsehen sein, aber es wäre natürlich schön, wenn man Unterstützung aus dem Bereich bekommen würde, wo sie eigentlich herkommen sollte. Ansonsten freue ich mich, dass wir uns weiterhin Unabhängigkeit bewahren können. Uns ist wichtig, dass uns keiner reinredet, mit wem und worüber wir sprechen. Außerdem möchte ich das Format gerne internationalisieren. Auf der Europatournee produzieren wir fast mehr als jede 2. Folge auf Englisch. Das möchte ich auch in Zukunft so beibehalten. So können auch die Naiven aus Nicht-Deutschland verstehen, wie Politik in Deutschland funktioniert. Das ist ja auch der Sinn des Europa-Projekts: Mehr Verständnis füreinander entwickeln. Damit wir begreifen, was in Griechenland los ist, was in Spanien los ist, warum die Situation so ist, wie sie ist. Was die Europäer tun können, was Deutschland tun kann. Was die deutsche Regierung getan hat, wofür sie mitverantwortlich ist und wofür sie keine Verantwortung trägt. Am Ende wollen wir keinen Meinungs-Journalismus machen und behaupten „Das muss so und so gemacht werden“, sondern wir wollen erklären. Ich habe immer das Bob-Dylan-Zitat im Kopf: „Don’t criticize what you can’t understand“ – man kann nicht etwas kritisieren oder besser machen, was man nicht versteht. Am Anfang steht immer das Verständnis. Das hat mir in den Medien immer gefehlt. Es wird immer tagesaktuell berichtet, aber die Einordnung fehlt. Darum fangen wir oft beim Ursprung an. Dafür ist die naive Figur eben das Gute.

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