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Das nominierte Angebot „Fort McMoney“ ist ein Doku-Game, das auf der Realität basiert. Nämlich der Realität der Boomtown Fort McMurray in Kanada, in der die Ölindustrie regiert. Die Webproduktion von ARTE France lässt den User spielerisch in das Geschehen eintauchen und virtuell über ökonomisches Streben, soziale Fragen und ökologisches Gewissen mitentscheiden. Der leitende Programmredakteur für Webprojekte, Alexander Knetig, verrät, auf welcher Seite die Spieler stehen.
Sind Sie von der Nominierung überrascht worden oder haben Sie ihr Angebot selbst vorgeschlagen?
„Fort McMoney“ wurde, neben weiteren Angeboten, von der Arte-Zentrale G.E.I.E. zur Nominierung vorgeschlagen. Bei solch einer prestigeträchtigen Auszeichnung ist die Freude natürlich immer groß, auch wenn wir schon mehrere Male mit Produktionen von ARTE France nominiert waren, wie zum Beispiel mit „Prison Valley“ und „Alma“.
Wie ist Ihr Angebot entstanden?
Das ist eine lange Geschichte, aber um es kurz zu fassen: Das Projekt wurde von dem Autor, David Dusfresne, ins Leben gerufen. Er ist französischer Journalist und wohnt seit drei Jahren in Kanada. Wir haben auch schon „Prison Valley“, Gewinner des Grimme Online Award 2011, gemeinsam mit ihm realisiert. „Prison Valley“ ist ein krasser Ort in Colorado. David Dusfresne teilte uns mit, sein „Prison Valley“ in Kanada gefunden zu haben: Fort McMurray. Dort liegen die drittgrößten Ölreserven der Welt. Die Stadt lebt praktisch nur von der Erdölproduktion und ist eine der größten Städte nördlich des Polarkreises. Über dieses Eldorado der Erdöllobby wollte David eine große Reportage machen. Das Projekt wurde von den kanadischen Produzenten „TOXA“ und dem „National Film Board of Canada“ (NFB/ONF) getragen. Zuerst war der Gedanke, dass Ölsande in Europa kein großes Thema seien. In Kanada hingegen spricht jeder darüber. Dort macht der Abbau ein Drittel bis die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes aus. Um unsere User stärker mit einzubeziehen, entstand gemeinsam eine Idee: ein „Doku-Game“ basierend auf der Realität. Das Videospiel war die Lösung, um das Thema auch für Leute aus Europa interessant zu verpacken. Anfang 2012 fingen wir an zu produzieren und im November 2013 sind wir online gegangen.
Wie sah Ihre tägliche Arbeit aus und wer war daran beteiligt?
Während der „heißen Phase“ waren drei Kollegen als „Puppet Master“ in allen drei Sprachen aktiv, um das Doku-Game im Stundentakt, anstatt zu schlafen, zu moderieren. Zwischen Ende November bis Ende Februar gab es wöchentliche Diskussion zu den neuen Folgen. Heute hat sich der Andrang beruhigt, doch man kann nach wie vor „Einflusspunkte“ in dem Spiel gewinnen und mit anderen Usern chatten. Was die tägliche Arbeit in der Entwicklungs- und Produktionsphase betrifft, war es ein sehr spannendes Projekt, weil so viele Menschen daran beteiligt waren. Der Autor war in der Entwicklungsphase viel mit seinem Kameramann und den Produktionsteams in Fort McMurray unterwegs um zu drehen. Die Game-Designer haben nach der Materialsichtung Vorschläge für ein Drehbuch gemacht. In der Produktionsphase ging es darum, diese großen Ideen zu verwirklichen. Es wurde viel Zeit im Schneideraum verbracht. Aus über 25 Stunden Filmmaterial wurden knapp acht Stunden, die online gesehen werden können, was immer noch viel für das Netz ist. Dann folgte die Produktion des Interfaces und des Multiplayers. Die Funktion, dass Tausende Menschen gleichzeitig miteinander online spielen konnten, war meiner Meinung nach die größte Herausforderung, und an der Umsetzung haben wir monatelang gearbeitet. Aber es hat sich gelohnt: Die Spieler konnten sich gegenseitig motivieren, an den Referenden teilzunehmen, und sich zusammenschließen. Es gab dabei drei große Eckpfeiler in den Diskussionen: „Pro Industrie“, „Pro Sozial“ oder „Pro Umwelt“.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass dieses Projekt, weiterhin international angeschaut wird, sowohl auf Festivals als auch von Usern. Zum ersten Mal kommen bei einer unserer ARTE France Webproduktionen 40 Prozent aller User aus Deutschland. Bisher waren es immer 5-15 Prozent. Unter anderem haben wir das einer Partnerschaft mit der „Süddeutschen Zeitung“ zu verdanken. Außerdem möchten wir auch mobilen Usern einen Zugang ermöglichen und bieten im Juni die „Fort McMoney-App“ für „iOS“ an. Für die reale Stadt Fort McMurray wünsche ich den Menschen, dass sie sich ein wenig an dem Spiel orientieren, bei dem die Umweltschützer in der Überzahl waren und das Spiel für sich entschieden haben. Der extreme Abbau von fossilen Brennstoffen ist meiner Meinung nicht nachhaltig. Und für unsere Webproduktionen wünsche ich mir, dass wir dank Autoren, Produzenten und Budgets der Direktion auch weiterhin die Möglichkeit haben, solch tolle Projekte zu realisieren. In den letzten 5 Jahren konnten bereits über 40 Webproduktionen entstehen. Dabei möchten wir jedes Mal so innovativ wie möglich sein, um die User für unsere Angebote zu begeistern.
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