„Tatsächlich hatten die Täter sehr oft gerade deutsche oder österreichische Waffen bei sich.“
Ein Interview mit Daniel Erk und Dennis Pohl über die nominierte Website „Europäische Waffen, amerikanische Opfer“
Mehr als 40.000 Menschen sterben in den Vereinigten Staaten jedes Jahr durch Schusswaffen – eine Tragödie, die für europäische Waffenkonzerne einen Milliardenmarkt bietet. Ein Team von Tagesspiegel und ZDF Magazin Royale hat Dokumente ausgewertet, Daten erhoben, Experten und Insider befragt und Überlebende von US-Massakern interviewt. Entstanden ist ein umfangreiches Dossier, das sich in acht Kapiteln dem US-Waffenkult und seinen europäischen Profiteuren widmet, eingeleitet durch eine visuell ansprechende grafische Aufbereitung der recherchierten Daten. Das GOA-Blog hat mit den Daniel Erk (u.a. Idee, Produktion und Redaktion) und Dennis Pohl (u.a. Koordination, Produktion und Redaktion) über das Projekt gesprochen.
Wie ist die Idee zu Ihrem Angebot entstanden? Gab es einen konkreten Anlass?
Erk: Tatsächlich gab es einen konkreten Moment: Es war im Winter, vielleicht Frühjahr 2022, in den USA hatte gerade einmal mehr eines der vielen Shootings an einer High School stattgefunden. Die US-amerikanische Schriftstellerin Lauren Hough schrieb dazu auf Twitter, sie könne die europäische Hochnäsigkeit angesichts der US-amerikanischer Waffenproblematik nur schwer ertragen. Auch, weil europäische Waffenhersteller so viele Waffen in den USA verkaufen. Ich erinnere mich noch, wie ich mich fragte: Stimmt das? Noch an diesem Abend recherchierte ich die Tatwaffen der blutigsten Shootings. Tatsächlich hatten die Täter sehr oft gerade deutsche oder österreichische Waffen bei sich.
Was war der größte Erfolgsmoment in der Arbeit, was die größte Herausforderung?
Erk: Es gab zwei besonders große Herausforderungen. Zum einen, die finanzielle Dimension darzustellen. Unser Rechercheur, Alex Forsthofer, fand dann die Scheidungspapiere des Ehepaars Glock, das sind in den USA oft öffentliche Daten. Das war natürlich eine wertvolle Quelle.
Pohl: Die andere Herausforderung war, mit begrenzten Mitteln allen Aspekten der Recherche gerecht zu werden. Wir haben deswegen viel Wert auf Hintergrundgespräche gelegt — ohne die Hilfe von NGOs, andere Journalistinnen und Journalisten, Anwälten und Aktivisten hätten wir den Text so nicht schreiben können.
Erk: Dass unsere US-Korrespondentin Juliane Schäuble für die Geschichte eines der Opfer von Sandy Hook treffen konnte, war zum Beispiel wirklich wichtig. Weil die Recherche sonst Gefahr gelaufen wäre, eine Wirtschaftsgeschichte zu werden. Aber am Ende des Waffengeschäfts sterben Menschen.
Pohl: Der größte Erfolgsmoment war, als Daniel und ich verstanden, dass die Waffengeschäfte der deutschen Konzerne direkt vom Wirtschaftsministerium unterstützt wurden. Wir hatten uns den Messeplan der „Shot Show“, der größten Waffenmesse der USA in Las Vegas angesehen — und da stand das einfach dabei!
Welche Resonanz gab es auf Ihr Angebot und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Pohl: Kurz vor der Veröffentlichung haben wir das Wirtschaftsministerium natürlich mit unserer Recherche konfrontiert. Dann ging es plötzlich sehr schnell: Noch ehe der Text in der Zeitung war, hatte Habecks Ministerium die finanzielle Förderung der Waffenkonzerne beendet. Mit dieser Meldung schaffte es unsere Recherche sogar in die Tagesschau.
Erk: Wir bleiben am Thema „Waffen“ natürlich dran und beobachten genau, wie sich das entwickelt. Und wir halten die Augen offen, ob wir Themen finden, die wir mit den Erfahrungen aus dieser Recherche beim Tagesspiegel gemeinsam bearbeiten können.
Vielen Dank für das Interview!
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