„Klimajournalismus [findet] durchaus seine Leser*innen (…)“
Ein Interview mit Vera Schroeder über „Die Strömung, die alles verändern kann“
Die Scrollytelling-Geschichte „Die Strömung, die alles verändern kann“ der Süddeutschen Zeitung beschreibt mit teils animierten Grafiken, wie die Atlantische Umwälzzirkulation (AMOC) funktioniert, wie das Klima in Europa von ihr (und vom Golfstrom) bestimmt wird und welche Folgen eine durch den Klimawandel herbeigeführte Abschwächung dieser Strömung haben könnte. Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen erläutern anhand erhobener Daten und mit daraus entwickelten Modellen Wahrscheinlichkeiten und Konsequenzen. Vera Schroeder aus der SZ-Redaktion Wissen hat dazu ein paar Fragen des GOA-Blogs beantwortet.
Wie ist die Idee zu Ihrem Angebot entstanden? Gab es einen konkreten Anlass?
Die Frage, inwieweit die Erderwärmung die AMOC, diese riesige Umwälzwärmepumpe im Atlantik, verändert, beschäftigt die Wissenschaft seit Jahrzehnten. Bereits 2004 gab es einen großen Hollywoodfilm zum Szenario des Abbruchs der Strömung, „The Day After Tomorrow“ mit Jake Gyllenhaal und Dennis Quaid.
Im vergangenen Sommer veröffentlichten die dänischen Forscher-Geschwister Ditlevsen eine medial viel beachtete Arbeit, wonach das alles schon ziemlich bald, im Grunde ab 2025, anstehen könnte. Wir wollten wissen: Wie kommt es zu dieser Jahreszahl in der Arbeit der renommierten Forschenden? Wie sehen andere wissenschaftliche Kolleginnen und Kollegen das? Wie sicher sind diese Prognosen? Und was wissen wir hingegen alles noch nicht?
Einmal genau zu erklären, wie die AMOC wohl funktioniert und wo überall aber auch noch große wissenschaftliche Unsicherheiten stecken – das war die Idee der Geschichte.
Was war der größte Erfolgsmoment in der Arbeit, was die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung war es, den sehr komplexen Stoff lesbar und verstehbar zu präsentieren – und gleichzeitig in Bezug auf die Sicherheiten und Unsicherheiten präzise zu bleiben. Dazu kam die Herausforderung, die uns selbst immer wieder einen Knoten im Hirn bereitet hat: Wenn man so vieles nicht sicher weiß, wie lässt sich die alarmierende Nachricht, die in diesem komplexen Stoff steckt, angemessen kommunizieren? Dass auch die Forschenden selbst zu diesen Fragen unterschiedlich stehen, war in Bezug auf die großen aktuellen Fragen der Wissenschaftskommunikation interessant.
Der größte Erfolg der Geschichte war dann aber eindeutig: die große Leserresonanz.
Welche Resonanz gab es auf Ihr Angebot und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Die Geschichte war inhaltlich wie wirtschaftlich ein riesiger Erfolg, was uns enorm gefreut hat. So viele Menschen haben das gelesen! Diese hohen Zugriffszahlen und auch Verkaufszahlen haben einmal mehr gezeigt, dass Klimajournalismus durchaus seine Leser*innen findet und wie genau sich die Menschen für die Physik und die Wissenschaft hinter der Klimakrise interessieren, wenn man sie ansprechend und verständlich aufbereitet.
Die Geschichte hat, wie man sich vorstellen kann, über Wochen viele Kapazitäten gebunden. Sie ist trotz aller Bemühungen um Verständlichkeit inhaltlich sehr anspruchsvoll. Dass sich das lohnt und dass die Menschen das lesen, ist journalistisch ein wichtiges Zeichen für uns. Wie viele Menschen verstehen wollen, welche Risiken die Erderwärmung mit sich bringt, hat uns persönlich und langfristig für unsere Klimaberichterstattung sehr motiviert.
Vielen Dank für das Interview!
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