TikTok: Wissen neu gedacht
Im vergangenen Jahr kam es zu einer Premiere beim GOA: Erstmalig gewann ein TikTok-Account den begehrten Online-Award. Niklas Kolorz, der mittlerweile 1,1 Mio. Follower*innen verzeichnet, steckt als Ein-Mann-Show hinter dem Profil @niklaskolorz und überzeugte die Jury mit seiner Vision, komplexe und wissenschaftliche Inhalte in maximal einer Minute für sein häufig junges Publikum aufzubereiten. Gleich zwei Preise durfte der Content Creator mit nach Hause nehmen, denn er wurde nicht nur in der Kategorie „Wissen und Bildung“ ausgezeichnet, sondern konnte sich auch über den Publikumspreis freuen und betonte, dass Wissensformate auf sozialen Medien immer relevanter werden.
Insbesondere die videobasierte Plattform TikTok scheint sich dafür als geeignete Ressource zu positionieren, was sich auch in den Daten der JIM– und ARD/ZDF-Onlinestudie niederschlägt. Während das soziale Netzwerk erst 2016 am Markt vorgestellt wurde, war es 2020 die meistgedownloadete App und nahm in den letzten zwei Jahren in Deutschland deutlich an Beliebtheit und Bedeutung zu. Besonders interessant: Laut der JIM-Studie 2021 informieren sich 22 % der Jugendlichen online über das aktuelle Tagesgeschehen auf TikTok. Damit liegt die Plattform vor den Online-Angeboten öffentlich-rechtlicher Anbieter sowie vorinstallierten Newsfeeds und speziellen Nachrichten-Apps. Das Netzwerk dient dementsprechend neben der reinen Unterhaltung auch der Informations- und Wissensbeschaffung.
Bildung 2.0 – Unterricht im Appformat
Kein Wunder also, dass TikTok auch für den GOA eine immer größere Rolle spielt. Auch für den diesjährigen Grimme Online Award wurden bereits fleißig digitale Angebote eingereicht, darunter diverse TikTok-Accounts. Mit dabei: Die Journalistin, Moderatorin und Historikerin Leonie Schöler. In kurzen Video-Postings werden bei ihr interessante Geschichtshappen kompakt, verständlich und gebündelt aufbereitet. Mit begleitenden Bildern und dem themenspezifischen Link zum Wikipedia-Artikel wird Geschichte zum multimodalen Erlebnis für die Zuschauer*innen. Einmal pro Tag versorgt Leonie ihre rund 140 Tausend Follower*innen mit Wissen zu gesellschaftsrelevanten Themen wie dem Black History Month, Feminismus, der Bundestagswahl 2021 etc. Das schätzt auch ihr Publikum: „Ich lerne hier mehr als in Geschichte“ lautet ein Kommentar unter ihrem Video zur Kongokonferenz. Die Plattform erlaubt es ihr außerdem, mit anderen zu kollaborieren, die sich mit ihrem Content ebenfalls der Wissensvermittlung auf der App verschrieben haben. Mit ihrer Online-Präsenz zeigt die Historikerin: Geschichte muss nicht langweilig sein.
Wer sich schon einmal gefragt hat, wie groß das Universum ist oder ob es für Menschen möglich sein könnte, auf dem Mars zu leben, der ist bei Robert richtig. Seinen 1,9 Mio. Follower*innen werden auf dem TikTok-Account @wissensbert täglich neue Videos zu Wissenschaft und Forschung zur Verfügung gestellt. Auch neue Entdeckungen und wissenschaftlicher Fortschritt stehen bei Robert an der Tagesordnung. Dabei setzt er in seinen Videos auf die Salienz der Bilder: Durch den Einsatz visueller Reize werden komplexe Themen multimodal und entwirrt dargestellt. Die mediale Form scheint insbesondere das junge Publikum anzusprechen – „Auf TikTok lern ich in 1 Minute mehr als in 45 Minuten Schule“, lobt ein Kommentar den Content.
Dass schulpflichtige Kinder und Jugendliche das Angebot auf TikTok nicht nur zu reinen Unterhaltungszwecken, sondern auch zum Wissensgewinn als Ergänzung zur unterrichtlichen Bildung nutzen, scheint in den Kommentarspalten deutlich zu werden. Sollten Schulen dann nicht digitale Ressourcen für eigene Zwecke nutzen, wenn Inhalte hier kompetent und ansprechend aufbereitet werden? Mit der Digitalisierung der Bildung, Schulen im Angesicht des Fernunterrichts und Bildungskonzepten der Politik beschäftigt sich der TikTok-Account @netzlehrer. Durch humoristisch gestaltete Videos zeigt er den Status Quo in vielen deutschen Schulen, macht auf Mängel aufmerksam und tauscht sich in den Kommentarspalten mit seiner Community über unterschiedliche Erfahrungen aus. Dabei bietet die Plattform TikTok ein besonderes Tool zur Interaktion: Auf Kommentare kann mit einem Video-Posting geantwortet werden. So ist es dem Netzlehrer möglich, auf Fragen seiner Zuschauer*innen ausführlich und konkret zu antworten und so wiederum neue Diskurse anzustoßen. Insgesamt hat man hier das Gefühl, einem sachlichen Austausch beizuwohnen, der sich zwischen dem Creator und den Kommentar-Schreiber*innen entwickelt.
Aufklärung digital
Die Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens „Bestattungen Burger“ klären auf ihrem TikTok-Account über den Tod auf, oder genauer: Über all das, was man einen Bestatter schon immer einmal fragen wollte. Sensibel, sachlich und mit großer Expertise werden mit Vorurteilen des Berufs aufgeräumt, eigene Erfahrungen geteilt und Hilfestellungen geleistet, wie man als hinterbliebene Person mit Verlust und Trauer umgehen kann. Den über 750 Tausend Follower*innen wird ein Blick „hinter die Kulissen“ gewährt und ein Arbeitsfeld in kurzen Video-Postings vorgestellt, was gesellschaftlich vermutlich primär negativ konnotiert ist. Auch die Enttabuisierung der Thematik scheint hier ein großes Anliegen zu sein.
Selbiges gilt für den TikTok-Account @safespace.offiziell vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Hier werden Themen rund um Körper, Periode und Sex verhandelt und insbesondere Aufklärungsarbeit betrieben. Fragen von Zuschauer*innen, die gesellschaftlich häufig mit Scham behaftet sind, werden humorvoll, anschaulich und mit der richtigen Portion Ernsthaftigkeit beantwortet und tragen zur Normalisierung ebendieser bei. In den Kommentarspalten wird regelmäßig mit der Community interagiert, Fragen beantwortet und nach Themenvorschlägen gefragt, sodass garantiert wird, dass die Inhalte für die Follower*innen in Bezug auf das eigene Leben und eigene Erfahrungen relevant und nachvollziehbar bleiben.
TikTok bietet als videobasierte Plattform und soziales Netzwerk durch die Bereitstellung multimodaler Tools einen Ort, an dem Wissen schnell, kompakt und anschaulich aufbereitet und rezipiert werden kann. Dass sich viele bereits die Ressourcen und Möglichkeiten der App zu Bildungszwecken zunutze machen, zeigen die vorgestellten Einreichungen zum Grimme Online Award 2022. Weitere Vorschläge zum #GOA22 können noch bis einschließlich 1. März 2022 eingereicht werden.
Ein Gastbeitrag von Katharina Schmitz
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