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Corona und die Kultur

Collage von Screenshots von zum Grimme Online Award eingereichten Online-Kultur-Angeboten.
Collage von Screenshots von zum Grimme Online Award eingereichten Online-Kultur-Angeboten.
Collage von Screenshots von zum Grimme Online Award eingereichten Online-Kultur-Angeboten.

In der Corona-Pandemie haben Kulturschaffende lautstark auf sich aufmerksam gemacht. Die Kulturstiftung des Bundes hat Gelder verteilt, um digitale Kultur zu fördern. Doch was ist wirklich im Netz zu sehen? Wir haben die Einreichungen zum Grimme Online Award 2021 durchgesehen und viele – zu viele – Angebote gefunden, so dass wir hier nur exemplarisch einige aufführen können.

Kultur gegen die Langeweile
Screenshot eines Videos von Rea Garvey aus den "Yellow Jacket Sessions".
Screenshot eines Videos von Rea Garvey aus den „Yellow Jacket Sessions“.

Einzelne Kulturschaffende wollten nicht beschäftigungslos zu Hause sitzen, oder nur Balkonkonzerte geben, deshalb haben sie ihr Tätigkeitsfeld ins Netz verlagert. Allen voran natürlich Igor Levit, der sein Wohnzimmer zum Konzertsaal machte und allabendlich auf seinem Twitterkanal ein Konzert gegeben hat. Dabei folgten ihm vor allem auch Menschen, die sonst nicht unbedingt in ein Klavierkonzert gehen – hier ging es um das Zusammengehörigkeitsgefühl. Andere Hauskonzerte gab Rea Garvey auf YouTube: „The Yellow Jacket Sessions„, gemeinsam mit seiner Frau und Gästen – und mit vielen Talkelementen. Überhaupt waren und sind Live-Talks von Kulturschaffenden während der Pandemie ein Ding. Gerne auch auf Instagram. So zum Beispiel von der Schauspielerin Elena Uhlig, die mit „Uhligs Stilles Örtchen“ ihren Fans Lockdown-Unterhaltung bietet. Aber auch andere Kultursparten können aus der Corona-Situation schöpfen. So hat der Fotograf Per Christian Brown für sein Projekt „Mein Heim“ die Erfahrungen obdachloser Menschen in Berlin während der Covid-19-Pandemie dokumentiert.

Mehr Sichtbarkeit
Screenshot der Übersicht über die Streams der "Nachtkritik".
Screenshot der Übersicht über die Streams der „Nachtkritik“.

Zahlreiche Kulturinstitutionen und Festivals haben ihr Programm ins Digitale verlagert, es gibt Solidaritätsplattformen zur Unterstützung Kulturschaffender und auch öffentlich-rechtliche Sender haben vermehrt versucht, Kultur im Netz sichtbarer zu machen. Auch das Theaterportal Nachtkritik2009 für einen Grimme Online Award nominiert – hat schnell reagiert und zeigt seit März 2020 Streams aus unterschiedlichen deutschsprachigen Theatern. Teilweise können die Zuschauer*innen im begleitenden Chat sogar mit den Macher*innen diskutieren. Herausfordernd für die Aufmerksamkeit, aber ein digitaler Mehrwert. Den bietet auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit ihrer Theaterserie „Spielplanänderung“. Hier stellen herausragende Schauspieler*innen vergessene Theaterstücke in Videosequenzen vor – eingebettet in ein umfangreiches Begleitprogramm. Kulturorte macht das Düsseldorfer Magazin „The Dorf“ in seinem Podcast „May the Dorf be with you“ sichtbar. In 20 Episoden werden Locations vom Kult-Club bis zum Konzerthaus in Gesprächen mit den jeweiligen Betreiber*innen vorgestellt und natürlich die Pandemie-Probleme thematisiert.

Screenshot des Kunstblogs "KunstArztPraxis".
Screenshot des Kunstblogs „KunstArztPraxis“.

Probleme durch die Pandemie haben aber nicht nur Kulturschaffende, sondern auch Kulturjournalist*innen. Einer von ihnen hat sich mit einem neuen Blog den fehlenden Berichterstattungsgegenständen entgegengestellt und die „KunstArztPraxis“ eröffnet. „Der die das Kunst-Blog für NRW“ bietet – so die Selbstbeschreibung – „körperstärkendes und Seelentröstendes aus den Museen NRWs“. Mit Hinweisen auf laufende Ausstellungen und Sammlungserweiterungen, aber auch mit ausführlichem Material aus früherer Berichterstattung.

Digitales Besucherprogramm
Screenshot eine Videos aus der Reihe "Ivor & Lars" der Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Screenshot eines Videos aus der Reihe „Ivor & Lars“ der Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

Seelentröster, das ist Kultur tatsächlich für einige Besucherinnen und Besucher – und die Sehnsucht danach war groß, wie zum Beispiel der Ansturm auf die Tickets für die Ausstellung „Andy Warhol Now“ im Kölner Museum Ludwig zeigte. Doch was machen die Häuser, wenn niemand oder nur ganz wenige kommen dürfen? Ein digitales Besucherprogramm muss her! Am einfachsten ist das als Führung. Auf YouTube lädt zum Beispiel das Deutsche Bergbaumuseum Bochum die Besucher*innen ein: Mitarbeiter*innen zeigen und erläutern ihre Lieblingsstücke aus der Ausstellung. Auch das Deutsche Panzermuseum (ja, das gibt es!) in Munster ist auf YouTube sehr aktiv: Der Direktor erklärt vom Antrieb bis zur Literatur wirklich alles über Panzer, berichtet aber auch über allgemeine Themen rund um das Museum. Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hingegen hat ihren „Bewohner“ Ivor gebeten, gemeinsam mit Kurator Lars die Sammlung zu erklären. Und in der Reihe „Art for Lunch“ haben Kuratorinnen und Kuratoren jeden Dienstag um 12 Uhr durch ihre jeweilige Sammlung geführt – so konnte man mal eben in der Mittagspause durch die Paraderäume August des Starken im Residenzschloss Dresden schlendern oder das Gerhard-Richter-Archiv im Albertinum besichtigen.

Screenshot eines Videos vom Kölner Stadtmuseum mit einer Führung durch die Ausstellung "Köln 1945".
Screenshot eines Videos vom Kölner Stadtmuseum mit einer Führung durch die Ausstellung „Köln 1945“.

Noch kürzere Führungen bietet das Kölnische Stadtmuseum an: Die Speed-Führungen mit dem Direktor und der Kuratorin zur Ausstellung „Alltag in Trümmern – Köln 1945“ dauern meist nicht mal zwei Minuten! Mit ungefähr fünf Minuten sind die Videos der Reihe „Ask an Artwork“ des Städel Museums nicht viel länger. Wer bei einer Führung gerne Fragen stellt, ist hier auf jeden Fall richtig: Kuratorin Anna beantwortet vorher von Kunstinteressierten gestellte Fragen zu jeweils einem Kunstwerk des Hauses. Und für diejenigen, die sich auch bei einer Führung gerne selbst umsehen, sind bestimmt die Live-Führungen durch die einzelnen Abteilungen des Deutschen Museums München geeignet – von der Meeresforschung bis zur Starkstromtechnik gibt es sie auch mit Rundumblick in 360-Grad.

Verlassene Theater
Screenshot des Videoprojekts "Stimmen aus dem leeren Theater" des Berliner Ensembles.
Screenshot des Videoprojekts „Stimmen aus dem leeren Theater“ des Berliner Ensembles.

Die Theater haben zwar auch ihre Vorstellungen gestreamt – mal aktuelle und live, mal historische aus der Konserve -, sie haben digitale Publikumsgespräche gemacht und manchmal auch Making-Ofs ihrer Produktionen online gestellt. Einige von ihnen sind aber auch online kreativ geworden und haben ihre Aktivitäten ins Digitale transferiert. Manches davon ist ganz dicht an einer normalen Theatervorstellung, manches sehr weit davon entfernt. Die Jugendtheater haben wahrscheinlich schon generationenbedingt eine geringere Hürde zu überwinden beim Sprung ins Digitale. So hat das Theater der jungen Welt Leipzig ein interaktives Stück über Umweltaktivismus mit Gaming-Elementen auf der Plattform Zoom im Programm und das Stück „Gulliver“ ist komplett interaktiv und in großen Teilen auf einen Discord-Server verlagert. Andere Theater haben die innere Leere – der Seele oder des Zuschauerraumes – zum Thema gemacht: In den Videos zu „Stimmen aus einem leeren Theater“ halten Schauspieler*innen des Berliner Ensembles Monologe, die Reihe „Tagebuch eines geschlossenen Theaters“ besteht aus über 150 aufwendig inszenierten Kurzfilmen, die das Ensemble des Münchner Residenztheaters seit Beginn der Corona-Pandemie produziert.

Screenshot des Instagram-Videoprojektes "Curfew Calls" von Studierenden der Filmhochschule München.
Screenshot des Instagram-Videoprojektes „Curfew Calls“ von Studierenden der Filmhochschule München.

Auch eine Gruppe Studierender der Filmhochschule München hat aus der Not Kunst gemacht und mit Handy- und Laptopkamera die Drama-Serie „Curfew Calls“ auf Instagram gestartet um unter Einhaltung der Hygienevorschriften weiterarbeiten zu können. Das Schauspiel Köln hingegen hat sich zunächst von seinem eigentlichen Metier gelöst und einen Podcast produziert: „Lockdown – Draußen Frühling, drinnen Krise“ beschreibt den Umgang mit dem erzwungenen Stillstand im Frühjahr 2020 und die neuen Entdeckungen, die man zu Hause und im Umgang mit der Nachbarschaft macht. Komplett von der Bühne gelöst hat sich das Wiener Burgtheater – und auch wieder gar nicht. Sie haben Vorstellungen ausschließlich in der Vorstellung der Zuschauer*innen stattfinden lassen. #vorstellungsaenderung und #wunschvorstellung hießen die Twitter-Aktionen, in denen das Theater endlich mal so sein konnte, wie sich das Publikum es vorstellt. Jeder durfte seine Ideen und Anmerkungen einbringen und die imaginären Stücke auf Twitter begleiten. Zugegeben: Im Nachhinein etwas schwer nachzuvollziehen, aber für alle die dabei waren, ein einmaliges Erlebnis.

Zwischen Spiel und Bonbonrascheln
Screenshot eines Videos über die Fondation Beyeler bei "Animal Crossing: New Horizons".
Screenshot eines Videos über die Fondation Beyeler bei „Animal Crossing: New Horizons“.

Aber auch über das eigentliche Angebot hinaus haben die Kulturinstitutionen ihr Aktivitätsfeld erweitert. Die Bayerische Staatsoper in München bietet neben ihren Streams mit Soundmaschine für optionales Bonbonrascheln oder Getuschel auch die Quiz-App „Intermezzo„, die auf unterhaltsame Weise kurioses Opernwissen abfragt – und sich dabei weit ab vom klassischen Bildungsbürgertum bewegt.

Dorthin hat sich auch die Fondation Beyeler begeben: Sie hat das Museum auch im Spiel „Animal Crossing: New Horizons“ eröffnet. Die Spieler*innen können dort jetzt Werke von Künstlern wie Claude Monet, Kasimir Malewitsch oder Piet Mondrian aus der Sammlung Beyeler betrachten. Das Staatstheater Augsburg hingegen sieht seine virtuellen Aktivitäten bereits als Kerngeschäft: Dort hat man eigens eine Leiterin für Digitale Entwicklung eingestellt. Und Inszenierungen für die virtuelle Realität geschaffen. Die Geräte verschickt das Theater nach Hause, so dass man das Rundum-Theatererlebnis auf dem Sofa haben kann. Auch das Städel Museum hat sich aus seiner eigentlichen Domäne, der Kunst, heraus begeben und einen Musikpodcast gemacht: Beim „Städel Mixtape“ wird Musik zu einem Kunstwerk gespielt und das mit Informationen zum Werk verbunden.

Kultur für die Ohren
Screenshot des Podcasts "Die Leichtigkeit der Kunst".
Screenshot des Podcasts „Die Leichtigkeit der Kunst“.

Podcasts sind überhaupt so ein Ding in Corona-Zeiten – aus oder über Kulturinstitutionen. In „Die Leichtigkeit der Kunst“ sprechen Claudia Linzel und Rabea Logen, die sich als Kunstliebhaberinnen ohne kunsthistorischen Hintergrund bezeichnen, über ein Themenspektrum rund um die Kunst, um Künstler*innen und Ausstellungen – und das mit interessanten Gesprächspartner*innen. In „Immer Theater“ von Radio Bochum gibt es Gespräche mit Menschen aus dem und rund um das Bochumer Theater. Für „DiasporART“ spricht Marianna Deinyan mit Artists of Color über ihre Kunst, ihre speziellen Probleme und ihre Sichtweise. Eine postkoloniale Perspektive bringt „Rembrandt, habibi!“ des Kunstmuseums Basel ein, und ergänzt so die Ausstellung „Rembrandts Orient“.

Screenshot des Podcasts "Beats & Bones" vom Museum für Naturkunde Berlin.
Screenshot des Podcasts „Beats & Bones“ vom Museum für Naturkunde Berlin.

Und „Die Gesichter hinter den Kulissen“ des Kölner Museums Ludwig stellt genau diese Personen vor: Restaurator*innen, Kurator*innen oder den Museumsdirektor. Aber nicht nur Kunstmuseen können Podcast, auch das Berliner Museum für Naturkunde spielt mit – mit gleich zwei Podcasts: „Beats and Bones“ orientiert sich an den verschiedenen Abteilungen und Themengebieten des Museums und „Süßes oder Saurier“ bereitet Wissensinhalte aus dem Museum für Kinder auf.

Das war er, der Ritt durch viele – aber immer noch nicht alle – Corona-Kulturangebote, die zum Grimme Online Award 2021 eingereicht wurden. Ob etwas davon nominiert wird? Das stellt sich am 22. April 2021 um 16.30 Uhr heraus. Zu sehen im Stream auf unserem YouTube-Kanal oder bei der c/o pop xoxo.

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