Wie wollen wir in Zukunft fernsehen?
In 2020 feierte die ARD ihr 70-jähriges Bestehen. Laut war es in diesem Jahr um das öffentlich-rechtliche Fernsehen – aber nicht, um sich der Vergangenheit zu widmen, sondern vor allem mit Blick auf Gegenwart und Zukunft. Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt im letzten Jahr die Debatte um Struktur und Gebühren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Anfang 2021 saßen fünf nicht von Rassismus betroffene Personen in der Talkshow „Die letzte Instanz“, um über Grenzen rassistischer Sprache zu entscheiden. Das warf erneut Fragen nach Diversität und den Umgang mit Minderheiten auf, ebenso wie der viel beachtete Aufruf #Actout im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Kurz und gut: Es gibt Redebedarf – gerade was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeht.
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), das Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie (DIID) und das Grimme-Institut haben eine Onlinebeteiligung ins Leben gerufen, dem Redebedarf eine verarbeitbare Form gegeben und beim Publikum nachgefragt: Wie und was möchten Sie in Zukunft sehen?
Bisher haben Zuschauer*innen in rund 2500 Beiträgen Kritik, Forderungen und Vorschläge geäußert. Eine Konfliktlinie, die in Bezug auf das Netz in den Blick gerät, ist die Frage: Wie werden Zuschauer*innen erreicht und miteinbezogen?
„Viele deutsche Produktionen erreichen mich nicht“, sagte uns Moderator Philip Walulis im Interview. Sein Aufruf lautete: Die Öffentlich-Rechtlichen sollten ihre Vermarktung und Präsenz auf Social-Media-Plattformen ausbauen.
Fernsehangebote im Netz – nur wo?
Bei den vielen Filmen und Serien, die einem online zur Verfügung stehen, gehen deutsche Produktionen sonst gerne mal an einem vorbei, erzählte uns Walulis. Das liege daran, dass er beispielsweise keinen Fernsehanschluss habe und erst über Freunde, Medien oder auf Social-Media Empfehlungen von Filmen, Serien oder Dokumentationen erhalte. Auf der Onlineplattform offenbarte sich hier ein Generationskonflikt. Dieser zeigte sich zum Beispiel in einer größeren Debatte, ob das lineare Fernsehen erhalten bleiben sollte. Thematisiert wurde zum Beispiel, dass durch das Einstellen des linearen TVs sogenannte „Offliner“, welche das Internet nicht nutzen können oder wollen, vom Angebot ausgeschlossen würden. Das spreche gegen den Programmauftrag. Betont wurde außerdem die große Bedeutung des linearen Fernsehens für die Schaffung einer Alltagsstruktur sowie als Gelegenheit für Anschlusskommunikation über geteilte Fernseherfahrungen. Der Großteil der Diskutanten erwartet dennoch, dass ein digital abrufbares Programm zur Normalität werde. Das führte zur nächsten Frage: Wo sollten die Inhalte abrufbar sein?
Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass die Mediatheken ausgebaut und überarbeitet werden müssen. Der Vorschlag, dass es nur noch eine Mediathek für alle öffentlich-rechtlichen Sender geben sollte, stieß fast ausschließlich auf Zustimmung. Hier wurde zudem eine europäische Lösung – beispielsweise als eine Plattform für alle EU-Länder – diskutiert.
Öffentlich-rechtliche Formate auf YouTube? Ja, aber…
Weniger Übereinstimmung fand sich bei der Frage, ob öffentlich-rechtliche Inhalte auf YouTube, Facebook oder Instagram ausgespielt werden sollten. Argumentiert wurde, dass YouTube eine Plattform sei, über die junge Menschen erreicht und auf öffentlich-rechtliche Inhalte aufmerksam gemacht werden können. Dagegen sprechen für viele Teilnehmende allerdings datenschutzrechtliche Gründe. Nicht wenige Personen äußerten Bedenken, dass durch gebührenfinanzierte Angebote privatwirtschaftliche Unternehmen nicht profitieren sollten. Kanäle wie WDR (654.000 Follower) oder Tagesschau (920.000 Follower), deren Inhalte anders als beim Content-Netzwerk von ARD und ZDF, funk, für das lineare Fernsehen konzipiert sind, konnten sich auf YouTube etablieren und so neue Zielgruppen hinzugewinnen. Das wurde auf der Plattform allerdings nicht nur positiv besprochen: Mit Blick auf Beschreibungen und Aufmachung vieler Videos würden Texte und Themen verkürzt wirken und die Vorschaubilder (engl. „Thumbnails“) übernähmen in vielen Fällen eine animierende, grelle YouTube-Ästhetik.
Wie gelingt Interaktivität?
Ein klares Meinungsbild zeigte sich bei dem Interesse an interaktiven Formaten. „Als Zuschauende Fernsehen mitgestalten“ wurde zu einem zentralen Thema. Das könne einerseits durch die Miteinbindung bei der Programmgestaltung erreicht werden, andererseits durch interaktive Formate wie beispielsweise die „Ferdinand von Schirach-Verfilmungen“. Die Transparenz und der Mehrwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könne auf diese Weise erhöht werden. Wie man das Publikum bei der Ausgestaltung des Fernsehprogramms einbinden könnte, blieb aber bisher noch offen. Der Wunsch nach interaktiven Elementen wurde hingegen schon konkretisiert: Einige Teilnehmende wünschten sich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen für Interaktionen mit dem Publikum zukünftig auf Plattformen wie Facebook verzichte. Stattdessen sollte eine eigene, nicht-kommerzielle Plattform aufgebaut werden.
Vorschläge kommentieren und abstimmen!
Zuletzt diskutierten die Teilnehmenden, wie eine Live-Einbindung des Publikums in Shows oder Filmen konkret umgesetzt werden könnte. Die Auswertung der Beiträge hat begonnen, die Ergebnisse werden in der dritten und finalen Phase vorgestellt, die am 01. März 2021 startet. Anders als zuvor werden dieses Mal aber keine Fragen aufgeworfen, sondern konkrete Vorschläge zur Abstimmung und Diskussion gestellt. Registrieren Sie sich und entscheiden Sie mit, welche Anregungen und Ideen sollten wir an Sender und Fernsehmacher:innen weitergeben? Wie wollen wir in Zukunft fernsehen?
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