Animationen mit Seele
Bei dem Wissenschaftskanal „Dinge erklärt – Kurzgesagt“ geht es alle zwei Wochen um Physik, um Politik, um Biologie oder um Weltraumforschung. Das funk-Angebot geht mit aufwändigen Animationen komplizierten oder scheinbar einfachen Fragen auf den Grund. Die Art und Weise reduziert jedoch nicht, sondern macht jedes Thema mit viel Liebe zum Detail zugänglich.
„Dinge erklärt – Kurzgesagt“ ist für den Grimme Online Award 2020 in der Kategorie „Wissen und Bildung“ nominiert. Im Interview erzählt Gründer und Creative Director Philipp Dettmer, wie seine eigenen Komplexe mit der englischen Sprache zur Idee geführt haben und wie viel Arbeit hinter einem Video stecken kann:
Wie und wann wurde „Kurzgesagt“ gegründet?
Kurzgesagt wurde 2013 gegründet, als Folgeprojekt meiner Bachelorarbeit. Ich habe damals ein erstes Video, inspiriert von amerikanischen Wissens-YouTubern, als Bachelorarbeit gemacht und es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Damals wusste ich nicht so richtig, was ich nach dem Studium machen soll, nur, dass ich keinen richtigen Job wollte. Und da habe ich mir gedacht, ich fange mal mit solchen Videos an! Daraus ist dann „Kurzgesagt“ hervorgegangen.
Wer ist an dem Kanal beteiligt?
Uns gibt es bald acht Jahre. Und wir sind jetzt inzwischen über 30 Leute, die sich in viele verschiedene Abteilungen unterteilen. Wir glauben an Spezialisierungen. Jeder macht das, was er am besten kann. Ich bin der Haupt-Skriptschreiber und für die Inhalte hauptverantwortlich, habe aber auch ein Redaktionsteam hinter mir und Researcher. Und dann haben wir unser Illustrationsteam, die machen die Grafiken und übersetzen quasi visuell die Texte und tragen da immer ganz viel zum Erklären bei. Dann haben wir das Animationsteam. Die nehmen die illustrierten Bilder und animieren sie und machen das Ganze dann dynamisch. Diese drei Teams sind bei uns intern die Kreation. Sie machen gemeinsam 60 Prozent der Firma aus. Wir haben natürlich auch noch zwei Komponisten und unseren Sprecher. Die sind aber nicht fest bei uns angestellt. Aber sie gehören auch zum Produktionsprozess.
Wir haben aber noch mehr Teams. Mit dem Wachstum haben wir nämlich gemerkt – auch wenn wir so lange wie möglich versucht haben, so unprofessionell zu bleiben wie möglich – dass es das Leben unnötig schwer macht. Darum haben wir zum Beispiel mehrere Producer und Projektmanager, die alle möglichen Sachen im Hintergrund machen, die der Kreation helfen, sowie auch den Außenkontakt übernehmen und E-Mails beantworten.
Wir haben zudem ein Office-Management, also Leute, die intern helfen, dass alles zusammen funktioniert. Und dann haben wir ein Merchandise- und Design-Team, die vor allem Auftragsarbeiten machen: Klassisches Grafikdesign, aber auch Merchandise wie Posterdesigns. Die meisten Leute haben aber tatsächlich einen Grafikdesignhintergrund oder sind Quereinsteiger.
Wie werden die Themen ausgewählt?
Die echte Antwort ist, dass wir machen, worauf wir Lust haben. Das ist der Luxus, den wir uns gönnen mit der ganzen Geschichte. Wir haben natürlich auch manchmal Input von Sponsoren und so weiter. Aber im Großen und Ganzen machen wir wirklich, was wir möchten. Und oft, weil wir die Themen einfach selbst recherchieren, kommen die Themen aus einer anderen Recherche und am Ende haben wir dann Ideen für fünf weitere Videos. Und wenn wir sehen, dass wir das nächste Video anfangen müssen, überlegen wir, habe ich heute Lust auf Ameisen oder auf Schwarze Löcher?
Wie viel Zeit benötigt eine Animation und die Recherche im Schnitt?
Das schwankt, aber da sind wir jetzt gerade bei so ungefähr 1.200 Stunden insgesamt angekommen. Das ist ein ganz guter Mittelwert bei uns. Jedes Team braucht knapp 300 Stunden für das Schreiben, Illustrieren, Animieren. Obwohl das natürlich ganz weit auseinandergehen kann. Das längste Skript hat ca. anderthalb Jahre gedauert, das längste Illustrieren und Animieren auch. Wir haben durchaus Videos, an denen wir ein, zwei Jahre arbeiten.
Die vermittelten Inhalte sind oft kompliziert – ist das der Grund, warum Sie Animationen verwenden?
Das könnte ich jetzt auf verschiedene Art und Weise beantworten. Zum einen war ich damals, 2012, ein großer Fan von Wissens-YouTube in Amerika. Davon inspiriert wollte ich dann auch so etwas machen. Aber ich hatte überhaupt keinen Bock, vor die Kamera zu gehen. Ich hatte damals Komplexe wegen meines Englischs. Ich wollte einfach nicht. Ich wusste nicht, wie ich das hätte machen sollen und hatte auch keinen Bock mich da als Person und mein Privatleben dem so auszusetzen.
Und zum anderen ist einer der großen Vorbildkanäle oder eigentlich der Grund, warum es „Kurzgesagt“ gibt, der YouTube-Kanal „Crash Course“. Dort hatten Sie Animationsfilme. Ich habe die gesehen und mir gedacht, okay, ich habe da keine Erfahrung, habe auch noch nie animiert oder illustriert oder geschrieben, aber ich glaube, das kann ich machen. Am Anfang war ich ja ganz allein. Aber sowas konnte ich mir vorstellen und ich wusste – Gott sei Dank – nicht, wie schwierig das alles ist. Sonst weiß ich nicht, ob ich es gemacht hätte. Aber so ein bisschen Naivität war da. Es hat sich machbar angefühlt, machbarer als andere Sachen.
Durch die Animation könnte man meinen, dass das Format besonders Kinder ansprechen soll. Ist das so? Und wie arbeiten Sie gegen das Vorurteil an?
Tatsächlich habe ich gar nicht auf dem Schirm, dass Animation für Kinder sein soll. Ich bin kein großer Anime-Gucker, aber da gibt es ja ganz viel, was auch ganz viel Tiefe haben kann. Viele Kinder gucken uns und das finde ich echt schön. Doch wir haben mit Animation die Möglichkeit alle zu erreichen. Das ist, meiner Meinung nach, ein Medium, das nicht eingeschränkt ist.
Welche Animation ist Ihre Lieblingsanimation bisher?
So viele! Aber unser Einsamkeits-Video hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil wir sehr, sehr lange daran gearbeitet haben und sehr viele verschiedene Leute da wirklich ihre ganze Seele reingepumpt haben. Nicht, dass das nicht eh schon normal ist bei uns. Dass alle immer ihr Bestes geben, macht es sehr schön bei uns zu arbeiten. Das hat man ja sonst im Berufsleben nicht so oft. Aber bei dem Video haben wir wirklich nochmal extra einen draufgelegt. Jeder hat noch mal geschaut, was er aus sich herausholen kann und wir haben hart gearbeitet, um die bestmöglichen Worte zu finden und die bestmögliche Sequenz, die bestmöglichen Bilder und Videos. Die Reaktionen auf das Video haben gezeigt, dass das funktioniert hat. Es hat sehr viele Leute direkt ins Herz getroffen. Wir haben aber viele Babys, die wir lieben.
Wie planen Sie die Zukunft des Kanals?
Auf der einen Seite machen wir einfach weiter. „Kurzgesagt“ ist ein bisschen ohne Endziel gestartet. Aber gerade ist ein Ziel von dem, was wir machen, einfach die Möglichkeit zu behalten weiterzumachen. Wir wollen aber auch den Prozess einfacher und weniger anstrengend machen und versuchen besser zu werden. Wir planen, ganz langsam zu wachsen. Wir sind kein Start-up, wir haben kein Skalierungsdruck, wir sind nicht zu verkaufen. Wir machen langsam und unser Ding. Und wir haben natürlich viele große Projekte, an denen wir arbeiten, die wir hoffentlich in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten ein bisschen in die Welt tragen können. Ich kann schon ein bisschen spoilern, dass wir an einem Geschichtskanal arbeiten und einige andere schöne Projekte im Hintergrund machen. Mehr möchte ich aber noch nicht verraten.
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