„Diese Standards könnten jährlich tausende Menschenleben retten.“

Ein Interview mit Elisa Harlan über die nominierte Website „Herzstillstand kann alle treffen, jede Sekunde zählt“

Herz-Kreislauf-Stillstand kann jeden treffen – jederzeit und überall. Über Leben und Tod entscheidet dann oft die Zeit, also wie schnell der betroffenen Person geholfen wird. Von jährlich ca. 55.000 Reanimierten überleben nur etwa 10 Prozent. Doch es könnten deutlich mehr sein. Das SWR Data Lab hat bei allen 283 Rettungsdienstbereichen in Deutschland Daten abgefragt und mit ergänzenden Recherchen eine umfangreiche, interaktive und personalisierbare Datenstory zum Thema Reanimation und Qualitätsmanagement im Rettungsdienst zusammengestellt. Das GOA-Blog hat dazu mit der Teamleiterin des SWR Data Lab, Elisa Harlan, ein Interview geführt.

Screenshot der SWR-Website

Screenshot der SWR-Website „Herzstillstand kann alle treffen, jede Sekunde zählt“

Wie ist die Idee zu Ihrem Angebot entstanden? Gab es einen konkreten Anlass?

SWR-Datenreporter:innen beschäftigen sich schon einigen Jahren intensiv mit Daten aus dem Rettungswesen. Gemeinsam mit dem SWR-Reporter und Mediziner Patrick Hünerfeld entstand die Idee, mehr über die knapp 300 deutschen Rettungsdienstbereiche zu erfahren und ihnen unterschiedliche Fragen, zum Beispiel zum Einsatz moderner Technik, zu senden. Mit diesem enormen Aufwand wollten wir Transparenz in einer gesundheitlichen Notsituation herstellen, die alle Menschen sehr elementar betreffen kann und daher von hoher Relevanz ist.

Mithilfe unserer Auswertung konnten wir massive Missstände im deutschen Rettungswesen enthüllen. Besonders bei Reanimationen und Herz-Kreislauf-Stillständen sind Retter zu oft zu spät. Von der Erkennung eines Herz-Kreislauf-Stillstandes über Ersthelfer-Apps und Laienreanimation bis zur Rettung durch die professionellen Retter fehlen bisher in vielen Regionen Deutschlands gesetzliche Regelungen und wissenschaftlich fundierte Standards.

Was war der größte Erfolgsmoment in der Arbeit, was die größte Herausforderung?

Die Reporter:innen des im vergangenen Jahr neu gegründeten SWR Data Lab arbeiten erst seit gut einem halben Jahr zusammen. Dass dieses Team zusammengewachsen ist und sich dieses Großprojekt zugetraut hat, feiern wir als Erfolg! Dazu kommt: Wir haben mit ausführlichen „Daten-Dossiers“ gearbeitet – automatisiert zugeschnitten für alle Reporter:innen in der ARD, für jeden einzelnen der knapp 300 Rettungsdienstbereiche. Auch wurden Bundesland-Dossiers erarbeitet.

Mit diesen Daten-Dossiers konnten die Kolleg:innen losziehen und relevante Geschichten vor Ort recherchieren, Expert:innen hinzuziehen und Verantwortliche konfrontieren. Diese Vernetzung innerhalb der ARD gab es in dieser Form noch nicht und hat zu einer großen Verbreitung geführt.

Welche Resonanz gab es auf Ihr Angebot und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Die thematisierten Missstände hat nach der Veröffentlichung des SWR auch Karl Lauterbach in der neuen Notfallreform angesprochen und anerkannt: Diese Standards könnten jährlich tausende Menschenleben retten. Aus den Rückmeldungen von Reporter:innen vor Ort und Gesprächen/Mails mit Verantwortlichen in den Rettungsdienstbereichen haben wir erfahren, dass unsere Recherche an einigen Stellen bereits Entwicklungen im Rettungswesen angestoßen hat.

Das treibt uns an. Wir wollen uns weiterhin Themen widmen, die Menschen bewegen und aufrütteln und denen wir mit datenjournalistischen Methoden noch mal zu einer systematischen Tiefe und Präzision verhelfen können. Auch vertiefte Kooperationen mit Reporter:innen innerhalb und außerhalb der ARD und das Teilen von Rechercheergebnissen haben das Potenzial, zielgerichtet wichtige Themen zu platzieren, gesellschaftliche Diskussion anzuregen und tech-getriebene Methoden für alle Reporter:innen nutzbar zu machen.

Diese Vernetzung hat dazu geführt, dass an den zwei Veröffentlichungstagen im Juli mehr als 20 Millionen Menschen von den Ergebnissen der Recherche erfahren haben – durch überregionale und nachrichtliche Berichterstattung in Online, Hörfunk und Fernsehen.

Vielen Dank für das Interview!

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