„Wir haben uns bemüht, möglichst viele verschiedene Themen einer DDR-Jugend anzuspielen.“

Ein Interview mit Nadja Klier über die nominierte Website „DDR BOX“

In der „DDR BOX“ des gleichnamigen Vereins interviewen Jugendliche etliche Zeitzeug*innen – darunter Schauspielerinnen, Musiker, Fotografinnen, Schriftsteller – dazu, was ihre Jugend in der DDR geprägt hat. Ihre Erinnerungen sind festgehalten in mehr als 80 Videos, eingeordnet in die Kategorien Politik & Staat, Jugend & Alltag, Rebellion & Widerstand und Kunst & Kultur. 14 Erklärvideos, ebenfalls von Jugendlichen moderiert, vermitteln Wissen zu Mauer, Staatssicherheit, Erziehung, zu Mode und Sport, aber auch zu 22 Berufsbildern aus der Zeit. Das GOA-Blog hat Nadja Klier, die für Idee, Produktion und Regie der DDR BOX verantwortlich ist, drei Fragen zum Angebot gestellt.

Screenshot der Website

Screenshot der Website „DDR BOX“

Wie ist die Idee zu Ihrem Angebot entstanden? Gab es einen konkreten Anlass?

Im Jahr 2020 erhielten wir Fördermittel für eine Veranstaltung zur DDR-Geschichte mit jungen Menschen und Zeitzeug:innen. Die Pandemie machte Live-Veranstaltungen jedoch für eine Weile unmöglich und wir dachten uns, bevor wir das Geld zurückgeben, widmen wir es besser um. So machten wir einen kleinen Dokumentarfilm mit Jugendlichen. In diesem 30-Minuten-Film ließen wir uns von ihnen zu unseren DDR-Biografien befragen. Dieses Format kam in den Schulen sehr gut an, weil es durch die wiederkehrenden Kontaktbeschränkungen der Jahre 2020-2022 nicht möglich war, Zeitzeug:innen direkt in den Unterricht einzubinden. Es war jedoch wichtig, diese Bildungsarbeit kontinuierlich fortzusetzen, da die Jugendlichen
nur wenig über die deutsche Teilung, die deutsch-deutsche Geschichte und vor allem über die DDR wissen. So entstand die Idee, ein – stets griffbereites – Online-Portal zur DDR zu entwickeln: die DDR BOX. Wir haben dafür extra einen Verein gegründet.

In der DDR BOX erzählen viele verschiedene Zeitzeug:innen in mehreren kurzen Interviews, wie sie ihre Jugend erlebt haben und welche Probleme sie beim Heranwachsen in einem Land hatten, dessen Grenzen undurchlässig schienen. Diese fast 100 Videos werden ergänzt durch aktuell 14 Erklärvideos und eine Sektion zur Berufslenkung in der DDR mit 22 Beispielberufen.

Das Besondere an der DDR BOX ist, dass alle unsere Videos von Jugendlichen geführt werden.

Was war der größte Erfolgsmoment in der Arbeit, was die größte Herausforderung?

Der größte Erfolgsmoment ist in der Tat die Nominierung für den Grimme Online Award 2024! Schon während der Entwicklung der DDR BOX dachte ich, das wäre sicher ein cooles Projekt für das Grimme-Institut, es war jedoch erstmal nur ein Gedanke. Allein durch die Nominierung wird das Projekt schneller bekannt bei zukünftigen Fördermittelgebern, möglichen Kooperationspartnern und Lehrkräften. Letztere sind neben den Jugendlichen unsere zweite Zielgruppe.

Die größte Herausforderung war, erstens, alle anvisierten Interviews und Erklärvideos während der Projektlaufzeit fertigzustellen. Für die Erklärvideos gibt es jede Menge Material aus den Rundfunk- und Fernseharchiven, Fotos der Bildagenturen oder aus dem Archiv der DDR-Opposition (der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.) sowie Akten aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv, das recherchiert werden muss. Das kostet Zeit und manchmal auch Geduld.

Zweitens sind wir in der Art der Abbildung unserer Informationen, unseres Contents, recht anspruchsvoll. Wir wollen eine gewisse Ästhetik präsentieren und eine Erzählform schaffen, die auch in 10 Jahren noch attraktiv für Zuschauer:innen ist, also den Aspekt der Nachhaltigkeit visuell optimieren. Wir haben viel Zeit in Recherche und Design investiert und wirklich tolle Partner an unserer Seite gehabt.

Als die DDR BOX im September 2023 nach mehr als zwei Jahren Produktionszeit endlich online ging, war das natürlich ein großer Meilenstein für uns.

Welche Resonanz gab es auf Ihr Angebot und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Das Feedback auf die DDR BOX ist bis jetzt durchweg positiv. Wir haben uns bemüht, möglichst viele verschiedene Themen einer DDR-Jugend anzuspielen und ein breites Angebot zu erstellen. Jugendliche sind häufig an Sport, Mode oder einfachen Alltagsfragen interessiert. Diese Bereiche sind alle eingeflossen. Leider ist es sehr schwer, die Zeitzeugen-Interviews oder Erklärvideos einfach zu ergänzen. Dafür wären zusätzliche finanzielle Mittel notwendig und neue Förderanträge können nur für in sich abgeschlossene Teilprojekte beantragt werden, die sich entweder thematisch oder durch das Format vom vorangegangenen Projekt abgrenzen.

Wenn ich als Zeitzeugin mit meinem Buch „1988 – Wilde Jugend“ und der DDR BOX in Schulen im gesamten Bundesgebiet Workshops und Lesungen veranstalte, nutze ich die Zeit mit den Jugendlichen und frage nach, was sie wirklich interessiert, worüber sie zum Thema DDR gern mehr erfahren möchten, wie der Content dazu aussehen sollte und was man an der DDR BOX noch verbessern könnte. Diese Antworten fließen in die Ideenfindung für neue Formate ein. Wir haben noch viele Ideen und produzieren aktuell ein neues Format – es lohnt sich also, ab Februar 2025 wieder reinzuschauen und neuen Content mit spannenden Geschichten zu erfahren. Und so wünschen wir uns ein kontinuierliches Wachsen der
modulkonzipierten DDR BOX.

Das Förderprogramm der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur „Jugend
erinnert“ von 2021, das die Realisierung der DDR BOX ermöglicht hat, ruft zu einer zweiten Runde auf. Selbstverständlich schreiben wir schon fleißig am Konzept und hoffen, auch ein zweites Mal gefördert zu werden. Dieses Förderprogramm ist außergewöhnlich und hat viele tolle Projekte entstehen lassen.

Es gibt noch so viele Themen aus der vierzigjährigen Geschichte der DDR, für die Jugendliche sensibilisiert werden sollten. Wir möchten ihnen, den Lehrkräften und allen an der DDR-Geschichte Interessierten das Wissen dazu in unseren besonderen Formaten lebendig vermitteln. Wir, die Macher:innen der DDR BOX, sind in diesem Land, das es nicht mehr gibt, aufgewachsen und haben die Chance, vom Leben dort besonders authentisch zu erzählen.

Vielen Dank für das Interview!

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