„Von diesen Frauen wollte ich erzählen – von ihren Kämpfen, aber auch von der Welt, in der sie lebten, und von den Kontexten, in denen sie agierten.“
Ein Interview mit Bianca Walther über den nominierten Podcast „Frauen von damals“
Der Podcast „Frauen von damals“ der Historikerin Bianca Walther berichtet in aktuell 27 Folgen über Frauen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die für ihre Rechte und Freiheiten kämpften – ob als Aktivistinnen für Frauenrechte, als Pionierinnen in ihrem Beruf, Widerstandskämpferinnen oder Menschen, die sich Freiräume für Lebensmodelle jenseits der heterosexuellen Norm schufen. Das Angebot überzeugt mit Quellen und Tipps zum Weiterlesen in den Shownotes sowie einem begleitenden Instagram-Kanal (@frauenvondamals). Der GOA-Blog hat Bianca Walther drei Fragen zum Podcast gestellt.
Wie ist die Idee zu Ihrem Angebot entstanden? Gab es einen konkreten Anlass?
Die „Frauen von damals“ sind eigentlich ein Kind der Pandemie. Im Hauptberuf bin ich Konferenzdolmetscherin, und als im Frühjahr 2020 alle Veranstaltungen abgesagt wurden, hatte ich von einem Tag auf den anderen einen leeren Terminkalender. Da kam mir die Idee, dass ich mir mit der freien Zeit jetzt mal einen alten Wunsch erfüllen könnte: Geschichten von Frauen zu erzählen, die sich Freiheiten erkämpften und neue Lebensmodelle jenseits der traditionellen Norm von Ehe und Familie erschlossen.
Mit Geschlechtergeschichte hatte ich mich zu dem Zeitpunkt schon länger befasst. Neben dem Job hatte ich an der Fernuni Hagen Geschichte studiert und dabei den Schwerpunkt auf die Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gelegt.
Von diesen Frauen wollte ich erzählen – von ihren Kämpfen, aber auch von der Welt, in der sie lebten, und von den Kontexten, in denen sie agierten. Die Geschichte von Frauen, wie auch die Geschichte aller marginalisierten Gruppen, ist ja immer auch eine Geschichte von Menschen, die in Machtverhältnissen handeln, die sie nicht selbst geschaffen haben. Sie müssen ständig Abwägungen treffen: Gehe ich den leichteren oder den schwierigeren Weg? Wie groß ist mein Leidensdruck? Wofür habe ich die Kraft, wofür die Ressourcen? Wie viel Druck kann ich aushalten? Was bin ich bereit zu opfern, um etwas zu erreichen? Gerade diese Fragen finde ich an Biografien so extrem spannend, weil sie uns wirklich ermöglichen, dem Menschen näherzukommen.
Zunächst begann ich also, einige Blog-Beiträge einzusprechen, die ich irgendwann einmal geschrieben hatte. Das stieß auf ein gewisses Interesse, und das wiederum motivierte mich, eine Reihe draus zu machen. So entstand der Podcast. Es hatte also tatsächlich eher spontan begonnen, entwickelte aber bald eine eigene Dynamik. Nach und nach habe ich mir besseres Equipment zugelegt, mich mit anderen Podcaster*innen ausgetauscht, und später kam dann noch ein Instagram-Kanal hinzu – quasi für die kleine Dosis Frauengeschichte zwischendurch.
Was war der größte Erfolgsmoment in der Arbeit, was die größte Herausforderung?
Ein herausragender Moment war definitiv die Nominierung für den Grimme Online Award. Dass mein spontan entstandenes Ein-Frau-Projekt neben so vielen tollen Projekten für diesen Preis nominiert wurde, war für mich eine riesige Überraschung, und es ist eine wunderbare Bestätigung meiner Arbeit. Ganz allgemein werte ich es aber auch als riesigen Erfolg, dass die Geschichten, die ich erzähle, ein Publikum finden.
Frauengeschichte und queere Geschichte gilt vielen nach wie vor als Nischenthema – sogar vielen Historikern (und das ist, würde ich sagen, korrekt gegendert). Ich will, dass sich das ändert. Frauengeschichte und queere Geschichte ist kein Einzelinteresse, sondern Menschheitsgeschichte, und ich freue mich, wenn ich mit meiner Stimme einen Teil dazu beitragen kann, dass sich unser Blick auf die Geschichte weitet. Über den Podcast und den Instagram-Kanal werde ich mittlerweile auch für Vorträge, Artikel, Buchbeiträge und andere Formate angefragt, was ich auch sehr schön finde, weil durch jeden zusätzlichen Kanal wieder neue Menschen erreicht werden können.
Größte Herausforderung ist und bleibt die Zeit. Da ich den Podcast neben meinem Hauptberuf betreibe, muss ich immer einen Weg finden, alles unter einen Hut zu bringen. Der Podcast wird nicht finanziell gefördert. Fördergelder zu beantragen ist für ein laufendes Projekt ohnehin schwierig; Werbung möchte ich nicht schalten. Das heißt, dass ich die Produktion der Folgen mit meinem Arbeitsalltag in Einklang bringen muss. Jede Folge braucht ihre Zeit. Die Skripte gären oft mehrere Monate, bevor ich mich dransetze und sie – idealerweise innerhalb einer Woche – fertigstelle. Zu jeder Folge lese ich mehrere Bücher und Artikel; meist kommt auch noch Arbeit mit Originalquellen dazu, was das Ganze noch einmal komplexer macht.
Das Einsprechen geht vergleichsweise schnell, aber dann kommt die Postproduktion: Bearbeiten der Tonspur, Zusammenstellen von Zusatzinfos und Literaturangaben, kurz vor Schluss noch einen Fehler finden, eben schnell nochmal das Studio aufbauen, einen Satz nachsprechen, reinschneiden, probehören, nicht zufrieden sein, es nochmal machen … bis das Ganze dann endlich steht und sendefertig ist. Die Stunden, die ich auf eine Episode verwende, darf ich gar nicht zählen. Aber wenn sie dann fertig ist und die ersten Rückmeldungen kommen, ist alle Mühe wieder vergessen.
Welche Resonanz gab es auf Ihr Angebot und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
An dieser Stelle muss ich meiner Community ein riesiges Kompliment machen: Die Resonanz auf mein Angebot übertrifft alle meine Erwartungen. Mittlerweile folgen mir über 30.000 Menschen auf Instagram; der Podcast hat allein auf der größten Plattform über 5.000 Abonnent*innen. Auf jede Folge bekomme ich Rückmeldungen per E-Mail, über Instagram oder über die Bewertungsfunktionen der Podcast-Plattformen. Oft sind es Nachrichten, die mich persönlich sehr berühren. Viele Menschen erzählen mir, dass sie genau diese Geschichten im Schulunterricht vermisst haben, dass sie Mut machen oder zum Nachdenken anregen, dass sie also etwas in ihnen auslösen. Viele schätzen es auch, dass ich historischen Kontext liefere. Ich tauche gern tief in die Geschichten ein und nehme meine Zuhörer*innen gern in die Umstände und die Gedankenwelt der jeweiligen Zeit mit.
Gleichwohl es ist natürlich immer ein Risiko: Ist das jetzt wichtig oder habe ich mich verquatscht? Aber ich merke, dass die Hörer*innen es immer wieder positiv anmerken, wenn ich eine Schleife extra drehe, um einen Hintergrund zu erläutern oder die Forscherinnen vorzustellen, ohne deren Arbeit ich viele der Geschichten in meinem Podcast gar nicht erzählen könnte.
Meine weiteren Pläne richten sich danach, was zeitlich machbar ist. Ideen für Podcast-Folgen und Instagram-Beiträge habe ich genug, und ich würde auch meinen alten Blog gern wieder regelmäßiger bespielen. Da sind einige Entwürfe und auch Forschungsergebnisse in der Schublade, die ich gern zu Artikeln verarbeiten würde, und manche Podcast-Folgen könnte ich mir gut in einer englischsprachigen Fassung vorstellen, um ein internationales Publikum zu erreichen. Ein Traum für die fernere Zukunft wäre, meine Recherchen über Frauenpaare in Kaiserzeit und Weimarer Republik in Buchform zu gießen. Weibliche Lebensgemeinschaften und Liebesbeziehungen um 1900 sind mein absolutes Lieblingsthema. Da gibt es so viel, was ich gern einmal in einem größeren Zusammenhang darstellen würde. Aber wie viel davon umsetzbar ist, wird die Zukunft zeigen – es ist nun mal alles eine Frage der Kapazitäten.
Vielen Dank für das Interview!
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