Menschen aus dem Internet versammelt euch! – Der #GOA23 auf der c/o pop zu Gast
Die Stimmung im Herbrand‘s in Köln ist bereits ausgelassen, das Gelände gut besucht mit lauter medien- und musikbegeisterten Menschen. Die c/o pop Convention ist in vollem Gange. Am späten Vormittag tru-deln dann auch die ersten Nominierten des Grimme Online Award ein. Eigentlich hätte das Event in der Form schon 2020 im Herbrand’s stattfinden sollen, doch wie bei so vielem machte die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Umso schöner, dass, nach einer gemeinsamen digitalen Umsetzung in 2021, die Bekanntgabe des GOA dieses Jahr wieder bei der c/o pop vor Ort stattfinden kann.
Einige Nominierte kommen mit Rollkoffern und leicht erschöpft von einer langen Anreise, andere ganz aufgeregt und etwas nervös vor der bevorstehenden Fragerunde. Allen gemeinsam ist die Begeisterung für ihr Projekt und die Lust, ihr Anliegen mit den Anwesenden zu teilen. 23 der insgesamt 28 nominierten Online-Projekte können sich heute schon einmal kennenlernen und miteinander netzwerken. Gleich am Empfang erhalten die Gäste eine mündliche To-Do-Liste: es werden Fotos von jedem Angebot gemacht und im Wintergarten im ersten Stock entstehen kurze Videointerviews. Johannes Meyer und Christian Noll sind dafür gleich mit einem ganzen Videoteam der Intermedia Uni Köln vor Ort und befragen die jeweiligen Ansprechpartner*innen zu ihrem Angebot. Manche Gäste kommen schon in Teams, andere Projekte treffen sich erst vor Ort am Empfang und freuen sich gemeinsam über die Nominierung.
Ein Blick nach draußen und auf das Regenradar nimmt die Entscheidung schließlich ab: Das Wetter in Köln ist wechselhaft und so wird das geplante Get-Together im Anschluss an den offiziellen Teil nach drinnen verlegt.
Nach einem ersten kurzen Beisammensein und dem letzten schnellen Kaffee begeben sich die Ansprechpartner*innen der nominierten Projekte in die Diskussionsrunde. Doch auch die Publikumsreihen sind gut besetzt: neben interessierten Besucher*innen der c/o pop ist der nominierte YouTube-Kanal „Doktor Whatson“ gleich durch elf Mitwirkende vertreten. Von der Veranstaltung wusste im Vorfeld jedoch nur Moderator und Ideenfinder Cedric Engels. Seinem Team verrät er von der No-minierung erst unmittelbar vor den Türen des Herbrand’s. Die gelungene Überraschung sorgt in den nächsten Stunden für Hochstimmung.
Mit in der Tischrunde sitzen neben Grimme-Instituts-Leitung Dr. Frauke Gerlach auch Christoph Sterz und Vera Lisakowski, die die Nominierten und ihre Angebote vorstellen. Außerdem mit dabei ist das jüngste Nominierungskommissionsmitglied Shahrzad Golab. Gleich zu Beginn liefert die Studentin eine Einschätzung über die Berechtigung von TikTok-Kanälen unter den nominierten Projekten und berichtet von ihren Erfahrungen aus intensiven Tagen bei den Entscheidungssitzungen. Gerade der Generationsunterschied habe in der ein oder anderen Diskussion zu einem differenzierten Verständnis von Humor geführt. Einig wurde sich die Nominierungskommission trotzdem und mit Fabi Rommels TikTok-Account ist dieses Jahr tatsächlich mal ein rein unterhaltendes Angebot unter den Nominierten.
Die Power-Point-Präsentation wird gestartet und gibt erste Eindrücke zu den Podcasts, Instagram-Seiten, Online-Magazinen und Virtual-Reality-Formaten. Jetzt können die Nominierten endlich selbst zu Wort kommen. Wir erfahren, was sie motiviert hat, welche Hürden es bei der Recherche zu überwinden galt und wie mit Feedback und Kritik umgegangen wird.
Bei unterschiedlichsten Projekten in vier verschiedenen Kategorien zeigen sich trotzdem Gemeinsamkeiten. Die meisten Nominierungen gibt es in diesem Jahr in der Kategorie Information. Bei den zehn in Köln anwesenden Projekten machen Joana Lehner und Ekaterina Bodyagina mit ihrem Scrollytelling „Das Geschäft mit ukrainischen Flüchtlingen“ den Anfang. Unterstützt durch Video- und Kartenmaterial berichtet die Reportage ausführlich davon, wie Ukrainerinnen von deutschen Unternehmer*innen durch vermeintliche Hilfsangebote ausgebeutet werden. Im Gespräch erzählen die beiden jungen Reporterinnen, wie sie Ekaterina Bodyagina eine Fake-Identität erschaffen haben, um sie auf Vermittlungswebsites als Lockvogel zu nutzen.
Neben den Scrollytelling-Formaten tauchen in diesem Jahr wieder einmal viele Podcasts auf. So zum Beispiel der emotionale Sechsteiler „Die Flut – warum musste Johanna sterben?„. Head-Autorin Laura Krzikalla vom SWR ist Teil der Runde und erzählt, wie schwierig es war sich diesem sensiblen Thema zu nähern und der Flutkatastrophe im Ahrtal mit Johanna ein Gesicht zu geben: „Wir haben uns bewusst dazu entschlossen, nichts auszulassen. Wir wollten dem Vergessen, ohne voyeuristisch zu sein, entgegenwirken.“
Bevor es mit dem zweiten großen Block, der Kategorie Wissen und Bildung, weiter geht, spricht Moderator Christoph Sterz mit Janine Baumeister. Mit ihrem Projekt „Augen auf Beton“ bringt sie die Menschen von der Baustelle auf die Zäune davor und ins Internet und ist nun eins der beiden nominierten Angebote in der Kategorie Spezial. „Die Menschen auf der Baustelle werden schnell unsicht-bar. Oder sie werden negativ betrachtet. Ich wollte schauen: Wer sind diese Menschen eigentlich?“, antwortet sie auf die Frage, was ihr persönlicher Anstoß war.
Auch die Nominierten in der Kategorie Wissen und Bildung glänzen mit interessanten Podcasts, spannenden YouTube-Videos, interaktiven Websites und tiefgängigen Instagram-Kanälen. So auch Sonja Smolenski mit ihren Recherchen zu dem Verhalten von deutschen Unternehmen während der NS-Zeit. Mit „Boycott deutsche Leidkultur“ teilt sie auf Instagram ihr Wissen auf sarkastische und plakative Weise. „Mir ist stark aufgefallen, dass es antisemitische, rassistische Kontinuitäten gibt. Und dass Unternehmen wie auch Einzelpersonen da involviert waren. Da wollte ich den Finger in die Wunde legen“, erzählt sie in der Diskussionsrunde.
Auch mit in der Runde sitzt André Pätzold, Projektleiter des Angebotes „Wo unsere Erde unbewohnbar wird„, eine der beiden klimabezogenen Nominierungen. Bei der Visualisierung des Datenprojektes war seinem Team und ihm vor allem die Publikumserreichbarkeit wichtig: „Wissenschaftliche Projekte und Artikel haben es oft wirklich schwer. Diese ganzen schwierigen Daten wollten wir ganz einfach visuell runterbrechen, damit es für ein breites Publikum zugänglich wird.“
Selbst bei schweren, anspruchsvollen Themen – und die finden sich unter den GOA-Nominierten nicht selten – bleibt die Gesprächsatmosphäre entspannt und locker. Zum Abschluss kommen schließlich noch die fünf Anwesenden der insgesamt sechs Nominierten aus der Kategorie Kultur und Un-terhaltung zu Wort. Die weiteste Anreise hatten Emilia Garbsch und Nikolai Prodöhl von „andererseits„, die teils aus Österreich zur Bekanntgabe kamen. „Jeder 5. Mensch in Österreich hat eine Behinderung. Sie werden aber in den Medien nicht abgebildet. Die Menschen sollten ihre Geschichten selbst erzählen.“, berichten die beiden Autor*innen im Interview. Die inklusive Redaktion behandelt mit ihrem Magazin eine bunte Themenmischung . Schön, dass sich diese Vielfalt auch mit den beiden Autor*innen in der Gesprächsrunde widerspiegelt.
Nach über zwei Stunden spannendem Frage-Antwort-Spiel ist es höchste Zeit für eine Erfrischung. Bei herzhaften und süßen Häppchen werden weitere Fotos geschossen und es entsteht auch das ein oder andere projektübergreifende Bild. Die Teammitglieder des GOA haben währenddessen alle Hände voll zu tun, begleiten die Gäste von den Stehtischen zum Videodreh und sorgen dafür, dass niemand übersehen wird. Die Zeit nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung ist dabei jedoch vielmehr ein nettes Beisammensein statt einem Ausspähen der Konkurrenz. Am 15. Juni treffen die Nominierten erneut aufeinander, wenn in der Flora in Köln bis zu neun Grimme Online Award verliehen werden. Neben den acht möglichen, durch die Jury festgelegten Preisen, darf auch das Publikum entscheiden. Bis eine Woche vor der Preisverleihung kann beim Publikumsvoting noch für drei der persönlichen Favoriten abgestimmt werden.
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