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Vom Star-Moderator zum Verschwörungs­ideologen – WTF happened to Ken Jebsen?

Screenshot "Cui bono - WTF happened to Ken Jebsen"
Screenshot "Cui bono - WTF happened to Ken Jebsen"
Screenshot „Cui bono – WTF happened to Ken Jebsen“

In den 90er Jahren ist Ken Jebsen als innovativer Radiomoderator bekannt. Er tanzt aus der Reihe und fällt durch seine Schlagfertigkeit, seinen Humor und seinen Größenwahnsinn auf. Jebsen will hoch hinaus und strebt eine Karriere im Fernsehen an. Sein Plan scheitert. Stattdessen bietet ihm der Jugendsender Fritz eine eigene Radiosendung an. Er moderiert zehn Jahre seine eigene Radiosendung „KenFM“ und schafft sich so eine eigene Plattform, wo er bereits mit einigen kruden Aussagen aneckt. Mit einer Holocaustleugnung, die Jebsen bestreitet, treibt er es dann 2011 auf die Spitze und wird kurz darauf entlassen.
Er entdeckt die Videoplattform YouTube für sich, auf der er sich radikalisiert. Ken Jebsen wird, gerade im Kontext der Corona-Pandemie, zu einem der einflussreichsten Verschwörungstheoretiker Deutschlands.

Die Dokumentar-Podcast-Serie „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ erzählt die Geschichte des ehemaligen Star-Moderatoren und versucht, den Aufstieg und Fall Ken Jebsens zu ergründen. Der Podcast ist eine Original Podcast Series und entstand in der Zusammenarbeit von Studio Bummens, NDR, rbb und K2H. Der Podcast ist für den Grimme Online Award 2022 in der Kategorie „Information“ nominiert. Im Interview spricht Khesrau Behroz von Studio Bummens über die Hintergründe des Podcasts, die Gefahr von Desinformation und gibt einen kleinen Ausblick auf die zweite Staffel.

In den vergangenen zwei Jahren haben Verschwörungsideolog*innen in Deutschland und auch in anderen Teilen der Welt an Popularität gewonnen. Warum habt ihr euch dazu entschieden, gerade über Ken Jebsen zu berichten?

Der Podcast ist in einer Zeit entstanden, in der in Deutschland, vor allem in Berlin, Leute auf den sogenannten „Hygienedemonstrationen“ waren und sich in Stuttgart Querdenker zusammengetan haben. Dass diese Bewegungen so groß wurden und alle möglichen Menschen daran teilnahmen, haben wir natürlich auch gesehen. Wir haben die Situation auf den Straßen beobachtet und uns gefragt: Was sind das für Leute? Warum sind sie da? Und einer dieser Menschen war Ken Jebsen. Wir kannten ihn als innovativen und coolen Radiomoderator und fragten uns, was bloß mit ihm passiert war. What the fuck happened to Ken Jebsen? Das war unser Impuls, diesen Podcast zu machen. Denn anhand von Ken Jebsen kann man eine Entwicklung nacherzählen, weil er eine Person des öffentlichen Lebens ist und weil er seit vielen Jahren produziert und publiziert. Es gibt viele Audioaufnahmen und Videoaufnahmen von ihm. Es war für einen Podcast eine dankbare Situation, eine Figur zu haben, anhand derer man eine verschwörungsideologische Laufbahn erzählen kann. Deswegen haben wir uns für Ken Jebsen entschieden.

Warum habt ihr euch für das Format „Podcast“ entschieden? Inwiefern ist ein Podcast besonders gut geeignet, Ken Jebsens Geschichte darzustellen?

Screenshot "Cui bono - WTF happened to Ken Jebsen"
Screenshot „Cui bono – WTF happened to Ken Jebsen“

Wir wollten unbedingt einen Podcast machen, weil wir große Fans vor allem von journalistisch investigativen Formaten aus den Vereinigten Staaten sind. Dort gibt es viele gute Podcasts, die wir sehr gerne gehört haben. Da haben wir uns gedacht: Das wollen wir auch machen. So hatten wir aus produktionstechnischer Sicht ein klares Vorbild. Gerade das Format Podcast ist für uns das Medium, mit dem man solche Geschichte gut erzählen kann, weil sie sehr nah an einem dran sind. Sie sind eine intime Erfahrung, weil sie quasi direkt in unserem Ohr stattfinden. Du nimmst sie mit auf Spaziergänge oder auf dem Weg zur Arbeit. Dabei ist auch die Art und Weise, wie Leute dieses Medium konsumieren, interessant. Wir hätten natürlich auch eine Filmdokumentation machen können, wollten aber die Podcast-Landschaft in Deutschland durch den investigativen Aspekt erweitern. So einen Podcast wie „Cui Bono“ gab es noch nicht, und genau das wollten wir machen.

In den Folgen wird erwähnt, dass einige von euch während Jebsens Zeit als Radiomoderator Fans von ihm waren. Wie war es daher für euch, euch von seinen verschwörerischen Aussagen zu distanzieren und diese kritisch zu hinterfragen?

Für mich persönlich war es überhaupt nicht schwierig, da ich kein Fan von ihm war. Zwar wusste ich, wer er zu diesem Zeitpunkt war, doch habe ich ihn zu seiner Zeit im Radio und Fernsehen nicht erlebt. Da ich mich mit Verschwörungstheorien schon länger beschäftigt habe, fiel mir die Distanzierung zu ihm überhaupt nicht schwer. Es war allerdings schwer, beiden Impulsen in diesem Podcast Raum zu geben. Denn was er gemacht hat, war schon interessant. Er hatte Wortwitz, Charme, und er war auf eine gute Art ein bisschen crazy. Es war eine Herausforderung zu zeigen, was für ein innovativer, interessanter Typ Ken Jebsen war, was für gutes Radio er gemacht hat, und dieser Geschichte Platz einzuräumen. Doch gerade, dass wir beide Seiten darstellen, macht diesen Podcast so wertvoll. Wir wollten keinen Podcast darüber machen, wie scheiße Ken Jebsen ist, sondern einen Podcast darüber, wie ein so toller, innovativer Moderator abdriften konnte. Neugier war von Anfang bis Ende unsere Grundhaltung.

Ihr habt euch in der Recherche zu dem Podcast mehrere Monate lang mit Falschinformationen im Netz beschäftigt. Wie gefährlich sind Desinformationen im Internet? Welche Art von Desinformation ist besonders gefährlich?

Desinformation kann gefährlich werden, wenn sie verfängt. Das heißt, wenn wir die Falschinformationen über WhatsApp-Chats weitergeleitet bekommen oder im Internet lesen. Wenn sie verfängt, kann es zu Spannungen kommen und dafür sorgen, dass wir verunsichert werden. Das kann für eine Demokratie, die ohnehin schon fragil ist, sehr gefährlich werden. Nämlich, indem wir die Ergebnisse einer freien Wahl anzweifeln oder unterstellen, dass dort betrogen wurde, ohne es beweisen zu können. Das beste Beispiel dafür sind die USA. Das ist für eine Demokratie sehr gefährlich, weil wir sie jeden Tag aufs Neue schützen und verteidigen müssen. Genau das ist die Aufgabe von Journalismus: mit „guten“ Informationen gegen „schlechte“ vorzugehen. Deswegen haben wir den Podcast gemacht und im Sinne der Aufklärung gearbeitet. Desinformation kann auch auf zwischenmenschlicher Ebene gefährlich werden, weil sie dafür sorgt, dass wir uns voneinander entfernen und nicht mehr miteinander reden. Desinformation sorgt für Spaltungen. Das wird für eine Gesellschaft, die davon lebt, dass man miteinander redet, zur Gefahr. Denn je mehr wir auseinanderdriften, je mehr wir uns spalten, desto angreifbarer machen wir uns.

In dem Podcast gebt ihr mit euren Interview-Gästen einige Tipps zum Umgang mit Falschinformationen. Was würdest du jemandem raten, der Freund:innen oder Familienmitglieder hat, die in das „Kaninchenloch fallen”, d.h. beginnen, an Verschwörungsideologien zu glauben?

Screenshot "Cui bono - WTF happened to Ken Jebsen"
Screenshot „Cui bono – WTF happened to Ken Jebsen“

Da gibt es bessere Ansprechpartner als mich – ich bin ja nur Journalist. Aus persönlicher Erfahrung kann ich aber sagen, dass es sehr wertvoll ist, geduldig zu sein, und sich die Zeit zu nehmen, zuzuhören. Es sollte auch Raum für Verunsicherungen gelassen werden, da diese immer existieren. Außerdem sollte man empathisch reagieren, wenn man es mit Verschwörungsideologen in der Familie zu tun hat. Empfehlen würde ich Bücher von Katharina Nocun und Pia Lamberty, die auch ein Handbuch dazu herausgegeben haben, wie man sich in so einer Situation verhalten kann.

Ihr habt Ken Jebsen während der Produktion des Podcasts um Stellungnahme gebeten – dies bis zur Veröffentlichung der Folgen ohne Erfolg. Gab es bis heute ein Statement von Ken Jebsen oder Reaktionen zu dem Podcast aus der Querdenkerszene?

Es gab eine Menge Reaktionen im Internet, auf Telegram und bei den Rezensionen zum Podcast. Ken Jebsen hat sich bei mir allerdings nicht gemeldet und auch auf keine Interviewanfragen oder meine Konfrontation reagiert. Im Nachhinein hat er aber mit anderen Verschwörungsideologen im Gespräch auf den Podcast hingewiesen und gesagt, dass man ihn sich anhören sollte, wenn man wissen wolle, wie Ken Jebsen sein Leben geführt hat.
Ich habe Ausschnitte von diesen Bemerkungen zugeschickt bekommen. Ich finde das manchmal amüsant, weil er etwas von unserem Podcast mitbekommen hat und ihn vielleicht sogar gehört hat. Mich interessiert schon, was er dazu denkt, aber direkt reagiert hat er nie. Für mich ist das Ganze aber ein abgeschlossenes Kapitel.

Die Geschichte über den Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen war nach der sechsten Folge zu Ende. Es ist bereits bekannt, dass der Podcast eine zweite Staffel bekommt – diese soll sich um Rainer „Drachenlord” Winkler drehen. Warum habt ihr euch dazu entschieden, dem Drachenlord die nächste Staffel zu widmen?

Wir haben uns nach der ersten Staffel und ihrem Erfolg viel Zeit genommen, um uns zu überlegen, wie es nun weitergehen soll. Es kamen immer wieder Vorschläge, uns beispielsweise mit Xavier Naidoo oder Attila Hildmann zu beschäftigen. Uns ist es aber wichtig, nicht nur die Geschichte einer Person zu erzählen, sondern die Geschichte dahinter. Wir möchten auch, dass man etwas aus dem Podcast mitnehmen kann. In der ersten Staffel haben wir uns mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Verschwörungsideologien beschäftigt. Wir haben danach mit Absicht nicht direkt weitergearbeitet und uns Zeit gelassen, um ein neues Thema zu finden. Dann ist uns die Geschichte des Drachenlords über den Weg gelaufen und dafür haben wir uns dann entschieden. Hier können wir die Geschichte von Rainer Winkler erzählen, aber auf der anderen Seite können wir eine größere gesellschaftliche Geschichte darstellen.

Das Interview führten Paula Wienken und Vanessa Henschel. Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang “Mehrsprachige Kommunikation” an der TH Köln.

Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen Khesrau Behroz und Tobias Bauckhage
Khesrau Behroz und Tobias Bauckhage (Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?) bei der Bekanntgabe der Nominierungen in Köln, Foto: Rainer Keuenhof / Grimme-Institut
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