Wie wir manipuliert werden
In den Vorschlägen zum Grimme Online Award 2022 finden sich einige, die uns sehr deutlich machen, dass wir gut auf unsere Daten aufpassen sollten. Sofern es überhaupt in unserer Macht liegt. Und ein gesundes Misstrauen allem gegenüber, was so im Netz abläuft, kann auch nicht schaden. Eine erschreckende Zusammenstellung.
Daten-Identität
Was passiert mit meinen Daten? Diese Frage sollte man sich immer wieder stellen, insbesondere wenn man in Sozialen Netzwerken unterwegs ist. Das interaktive Web-Projekt „Your Data Mirror“ von der Interactive Media Foundation veranschaulicht das in einer Experience: Anhand des eigenen Instagram-Profils wird auf persönliche Eigenschaften geschlossen. Sie sind Grundlage für die Gestaltung von Werbeanzeigen, die einem angezeigt werden, so dass sie einen auch wirklich persönlich ansprechen. Dies ist besonders relevant bei politischer Werbung, deshalb wurde „Your Data Mirror“ auch im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 veröffentlicht – um auf dieses Microtargeting aufmerksam zu machen, das durchaus die politische Meinung beeinflussen kann. Ergänzend zur interaktiven Experience gibt es jede Menge einfacher Tipps, die man sofort umsetzen kann, um das Auslesen der persönlichen Daten zu verhindern.
Auch „Made to Measure“ von der Gruppe Laokoon in Zusammenarbeit mit SRG und WDR spielt mit den persönlichen Daten und Targeting: Für die interaktive Doku, die auf einer Fernsehdokumentation basiert, wurde eine Freiwillige gesucht, deren Daten aus Suchmaschinen und Social Media ausgelesen wurden. Nur aus diesen – anonym zur Verfügung gestellten – Daten wurde eine Doppelgängerin erstellt und von einer Schauspielerin dargestellt – so dicht dran auch an intimsten Erfahrungen, dass selbst die Datenspenderin hinterher erschrocken war. Ein Spiel auf vielen Ebenen, das am Ende auch die Zuschauer*innen analysiert.
Manipulative Intelligenz
Was manchmal wie ein Spiel wirkt, kann in anderen Fällen ganz konkret in das eigene Leben eingreifen und für Nachteile sorgen. Bei der Bewerbung zum Beispiel, wenn Künstliche Intelligenz im Spiel ist. Eigentlich soll der Bewerbungsprozess objektiver und fairer ablaufen, so versprechen es die Macher entsprechender KI-Bewerbungs-Tools. „Fairness oder Vorurteil?“ vom Bayerischen Rundfunk aber weist nach: Das Gegenteil ist der Fall. Die Software reagiert auf Veränderung des Aussehens und sogar des Hintergrundes.
Wo beim vorangegangenen Beispiel Menschen die KI ausgetrickst haben, ist es bei Deepfakes genau andersherum: Die Künstliche Intelligenz trickst die Rezipient*innen aus. Videos werden so gefälscht, dass die Personen darin Dinge sagen, die sie nie gesagt haben – und wahrscheinlich auch nie sagen würden. Wenn es so harmlos ist, wie das erste Beispiel in „The Deepfake Report„, in dem Dorothee Bär erklärt im Schwimmen auf die Olympischen Spiele 2024 zu trainieren, kein Problem. Politische oder andere persönliche Aussagen können die abgebildeten Personen aber ruinieren. In einer Video-Dokumentation und elf ausführlichen Artikeln führt uns „The Deepfake Report“ von der FreeTech Axel Springer Academy of Journalism and Technology tief in das Thema hinein.
Alltagshacks
Doch für Manipulation von Meinungen braucht es keine Künstliche Intelligenz – es reicht eine SMS, eine Website mit Falschinformationen, oder eine gefälschte Telegram-Nachricht. Für die dreiteilige Podcast-Reihe „Dark Social“ hat das Schweizer Radio und Fernsehen SRF Fälle nachrecherchiert, die erschreckend deutlich zeigen, wie einfach es sein kann, die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Erschreckend sind oft auch die Geschichten, die das Kollektiv „Zerforschung“ recherchiert. So zum Beispiel die Grusel-Geschichte zur Vorweihnachtszeit über ein heutzutage beliebtes Geschenk – und das Buch mit ausgedruckten Messenger-Chats. Um es kurz zu machen: Innerhalb kürzester Zeit hatten die Hacker*innen Zugriff auf alle hochgeladenen Chats und fertigen Bücher. Sie mussten nur die sehr, sehr große Datenlücke entdecken. Ups. „Zerforschung“ kümmerte sich aber auch um den PCR-Test von Novak Djokovic und hat den Corona Schnelltest-Test entwickelt.
Hacker-Historie
Weniger Auswirkungen auf unser alltägliches Leben haben die großen Hacker-Geschichten, die in den Vorschlägen zum Grimme Online Award 2022 vom Bayerischen Rundfunk in Podcasts nacherzählt werden. „Der Mann in Merkels Rechner – Jagd auf Putins Hacker“ erzählt vom spektakulärsten Cyberangriff, den es in Deutschland je gegeben hat: Im Frühjahr 2015 greifen Hacker den Deutschen Bundestag an und hacken sich in die Computer von Abgeordneten. Einer dringt sogar auf den Rechner von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor. Der aufwendig recherchierte Podcast folgt der Jagd des Geheimdienstes auf die Hacker.
Ebenso aufwendig recherchiert ist „Wild Wild Web – die Kim Dotcom Story„. Der Podcast geht so weit zurück in die Geschichte des Internets, dass es das Internet so noch gar nicht gab. Hacker gab es aber trotzdem schon. Einer von ihnen – oder vielleicht auch nicht – war Kim Dotcom, Deutschlands berühmtester Computer-Nerd, dann der superreiche Betreiber der Plattform Megaupload und heute ein von der US-Justiz Gejagter. Ausgehend von der Festnahme Kim Dotcoms in Neuseeland 2012 reisen wir zurück auf Diskettentauschpartys in den 90ern, zu illegalen Autorennen durch halb Europa und an Bord von Yachten vor Monaco.
Weitere Vorschläge
Wo dies alles ist, gibt es bestimmt noch mehr! Weitere Vorschläge zum Grimme Online Award sind noch bis einschließlich 1. März 2022 willkommen. Die Vorschlagsformulare gibt es hier.
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