20 Jahre #GOA Jury
Vorwort: Seit Beginn des Jahres 2021 arbeiten Studierende und Forschende des Instituts für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln in Kooperation mit dem Grimme-Institut in Marl und gefördert durch das Grimme-Forschungskolleg der Universität zu Köln an der systematischen und quellenkritischen Erschließung des Datenbestandes, welcher in 20 Jahren Grimme Online Award, d.h. zwischen 2001 und 2020, entstanden ist.
Dabei geben die beteiligten BA- und MA-Studierenden im Rahmen zweier Kanäle auf Instagram unter @20_GOArchiv und auf Facebook unter 20_GOArchiv, sowie ausgewählter Blogbeiträge, wie diesem hier, einen ersten Einblick in ihre Arbeit im Kontext des Lehrforschungsprojektes im Sommersemester 2021 unter Leitung von Prof. Benjamin Beil und Stefan Udelhofen. Präsentiert werden Fundstücke und Anekdoten, eigene, forschungspraktische Reflexionen sowie erste Erkenntnisse der Erkundungen der Geschichte und des Archivs des GOA. Einerseits soll so für wissenschaftliche Vorgehensweisen und die geschichtliche Auseinandersetzung mit dem WWW sensibilisiert werden. Andererseits möchten die Beteiligten alle Interessierten zur gemeinsamen Diskussion einladen. (Stefan Udelhofen)
Im Folgenden hat sich Devina Leismann mit der Frage nach der Jury des Grimme Online Award als Akteur des Qualitäts-Diskurses auseinandergesetzt.
Seit über 20 Jahren werden nun jährlich Produkte publizistischer „Qualität im Netz“ aufgespürt und ausgezeichnet. Die Nominierung und vor allem Auszeichnung bestimmter Medienprodukte verleiht Anerkennung und trifft damit eine Aussage bezüglich ihrer Qualität. Doch wer ist für die Begründung verantwortlich und trägt somit maßgeblich zur Konstitution des Qualitäts-Diskurses bei?
Im Rahmen des Forschungsprojekts “Doing (Public) Web History: 20 Jahre Grimme Online Award” des Instituts für Medienkultur und Theater an der Universität zu Köln beschäftige ich mich insbesondere mit dem Datensatz des Grimme Online Award aus dem Jahr 2004. Darüber hinaus fragte ich mich bereits zu Beginn, wie Personen die Legitimation erhalten, publizistische Qualität im Netz zu beurteilen und vor allem welche Personengruppen sind in diesem ausgewählten Kreis repräsentiert?
Beim Grimme Online Award gibt es zunächst eine Nominierungskommission und eine Jury. Bevor die Jury mit ihrer Arbeit beginnt, werden alle Einreichungen durch eine von der Jury unabhängig arbeitenden Nominierungskommission gesichtet und es werden 28 Angebote für den Grimme Online Award nominiert. Dann ist es Aufgabe der Jury diese Nominierungen zu prüfen und auch bei allen Einreichungen noch einmal zu gucken, ob die Nominierungskommission etwas übersehen hat. Dann kann die Jury bis zu zwei Angebote nachnominieren. Schließlich wird abgestimmt, welche Angebote ausgezeichnet werden. Die Jury kann bis zu 8 Angebote auszeichnen. Mehr Infos gibt es hier.
Inwiefern ist das Jahr 2004 „typisch“ für die Zusammensetzung der Jury?
Im Jahr 2004 gibt es insgesamt acht Personen, welche die Entscheidungen für oder gegen die Auszeichnung der nominierten Medienprodukte treffen. Die Anzahl der Jurymitglieder schwankt in den übrigen Jahren zwischen fünf bis acht Personen, in den letzten 4 Jahren wiederum hielt sich die Anzahl bei sieben. Eine feste Regel gibt es dafür nicht. Zweifelsohne ergibt es Sinn, eine ungerade Personenanzahl aufzustellen, um Abstimmungsschleifen mit unentschiedenen Ergebnis weitgehend zu verhindern.
Die Mitglieder der Jury sind zwischen den Jahren 1957 und 1967 geboren und waren somit zum Zeitpunkt der GOA-Auszeichnung zwischen 37 und 47 Jahre alt. Dies deckt sich mit den Beobachtungen der übrigen Jahre, dennoch befinden sich in den letzten Jahren auch bewusst junge Studierende unter den Jurymitgliedern.
Es sind in allen Jahren Personen mit den unterschiedlichsten beruflichen Expertisen vertreten -somit wird die Zusammensetzung dem Statut gerecht, ein interdisziplinäres Gremium zusammenzustellen. Journalist*innen, Schriftsteller*innen, Personen aus der Werbebranche, Wissenschaftler*innen verschiedener Bereiche, Usability Expert*innen, Internet-Expert*innen und Online-Macher*innen sind unter anderem in diesem Kreis vertreten.
Zwischen ein- und sechsmal waren die im Jahr 2004 aufgestellten Personen im Laufe der Jahre für das Aufspüren publizistischer Qualität im Netz verantwortlich. Dies deckt sich mit den übrigen Beobachtungen, denn es gibt hierzu keine geregelten Richtlinien, wie oft Jurymitglieder insgesamt beurteilen dürfen. Alle Jahre zusammengerechnet waren insgesamt 144 Personen in den Jury Entscheidungen involviert, doch hier kommen Dopplungen vor, denn einige der Jurymitglieder begleiten den Grimme Online Award nicht nur ein Jahr, sondern sind länger Teil des Gremiums.[2] Ich kann mir vorstellen, dass dies dazu beiträgt, Erfahrungen und Wissen der vorherigen Jahre zu transportieren, wodurch Jury-Debütant*innen von den bereits erfahrenen Jurymitgliedern lernen können. Auf der anderen Seite aber könnte eine jährlich neu konstituierte Jury einen frischen Blick auf das aktuelle Mediengeschehen werfen.
Repräsentation marginalisierter Personengruppen
Insgesamt befindet sich unter den acht Personen im Jahr 2004 eine weiblich gelesene Person. Die Repräsentanz weiblich gelesener Personen ist somit sehr gering. In den Folgejahren besteht die Jury, bis auf die Besetzung im Jahr 2002 und 2011, mindestens aus zwei weiblich gelesenen Personen. Somit ist die Besetzung im Jahr 2004 mit nur einer weiblich gelesenen Person zwar kein Einzelfall, dennoch ist sie auch nicht repräsentativ für die weiteren Jahre. Möchte man eine generelle Repräsentanz weiblich gelesener Personen in Bezug auf die 144 jemals involvierten Personen errechnen, so kommt man auf ca. 35%.[3] Das Auswahlverfahren der Jury ist aus Mitglieder-Sicht sehr passiv gestaltet, denn Personen werden vom Grimme-Institut ausgewählt und berufen. Es gibt also keine Möglichkeiten für Expert*innen, sich auf einen Jury-Platz zu bewerben, wodurch vielleicht eine höhere Diversität erreicht werden könnte. Wie kommt es zu einer Ungleichverteilung der Jurymitglieder? Dies liegt mit Sicherheit daran, dass auch der Bereich, aus dem Personen ausgewählt und berufen werden, weiß und männlich dominiert ist, was sich allerdings besonders in den vergangenen Jahren ändert. Außerdem erhält das Grimme-Institut, nach eigenen Aussagen, mehr Absagen von weiblich gelesenen Personen als von männlich gelesenen Personen. Auch dies ist ein Aspekt, der bei der Betrachtung der Jury Konstellation bedacht werden sollte. Repräsentativ für die übrigen Jahre ist die deutliche Unterrepräsentanz, beziehungsweise in den meisten Jahren Nicht-Repräsentanz, von BIPoC oder Menschen mit Behinderung und stellt somit eine bisher nicht besonders divers aufgestellte Konstellation der Jury dar.
Die Jury-Konstellation – ein Ausblick
Ziel des Grimme Online Award soll es künftig weiterhin sein, ein möglichst diverses Angebot auszuzeichnen. Dadurch ist es möglich, die deutsche Medienlandschaft diverser zu gestalten und entstigmatisieren. Menschen aus marginalisierten Gruppen sind weiterhin in deutschen Medienangeboten unterrepräsentiert. Dies könnte bereits seinen Beginn in der Auswahl der Jury finden. Aus diesem Grund muss dort mit der Analyse begonnen werden. Denn wo „Qualität im Netz“ ausgezeichnet wird, sollte es auch Ziel sein, die Jury des Grimme Online Award jeglicher Hinsicht divers zu gestalten.
Quellen und Anmerkungen
[1] Gerlach, Frauke. 2020. Medienqualität. Diskurse aus dem Grimme-Institut zu Fernsehen, Internet und Radio. Bielefeld: transcript Verlag.
[2] Hierbei habe ich die Jury der Medienkompetenz im ersten Jahr nicht dazu gerechnet, weil diese in den folgenden Jahren nicht mehr existiert. Werden die Dopplungen herausgerechnet, so waren bislang insgesamt 64 Personen im Auswahlprozess der Auszeichnungen involviert.
[3] Nach eigener Auswertung der gesamten Jury-Konstellation befinden sich unter 144 Personen, 51 weiblich gelesene Personen.
Autorin: Devina Leismann, Studierende der Medienkulturwissenschaften und Medieninformatik
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