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Per Klick in die Welt der Braunkohle

Screenshot "Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau"
Screenshot "Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau"
Screenshot „Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau“

Braunkohle – ein umstrittener Energielieferant. Das Projekt des WDR „Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau“ erlaubt nicht nur einen realitätsnahen Blick in die Welt des Braunkohle-Tagebaus, sondern auch eine Erweiterung des Blicks auf 360 Grad: Mithilfe von Virtual-Reality-Anwendung kann man mit oder auch ohne VR-Brille in die Welt des Braunkohleabbaus eintauchen und etappenweise die verschiedenen Stationen des Tagebaus erkunden. Der 360-Grad-Rundumblick ist hier nicht nur im wortwörtlichen Sinn zu verstehen, denn es werden auch diverse Interessengruppen vorgestellt: In der Rolle eines objektiven Betrachters kann man sowohl die Aktivisten im Hambacher Forst als auch die betroffenen Dorfbewohner besuchen.

„Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau“ ist für den Grimme Online Award 2021 in der Kategorie „Wissen und Bildung“ nominiert. Stefan Domke, der von der Idee über Konzept bis zur Umsetzung am Projekt mitgearbeitet hat, verrät im Interview, welche Hürden dabei zu überwinden waren und wie man die Virtual-Reality-Anwendung optimal nutzen kann.

Das VR-Projekt „Braunkohle 360 Grad“ bietet einen Einblick in die Welt des Tagebaus. Was war die Idee hinter dem Projekt?

Die Idee war, den Nutzer*innen ein schon vielfach abgebildetes Thema so zu präsentieren, wie sie es zuvor noch nie erlebt haben. Und gerade, weil es nur den Wenigsten möglich ist, sich vor Ort ein Bild vom Tagebau oder von den Protesten im Hambacher Wald zu machen, wollten wir es mithilfe von 360° umsetzen: Weil sich damit jede und jeder einen eigenen Rundumblick verschaffen kann.

So ein großes Projekt erfordert eine Zusammenarbeit verschiedener Parteien. Wer waren die wichtigsten beteiligten Akteure? 

Screenshot "Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau"
Screenshot „Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau“

Das war zum einen ein eingespieltes, fünfköpfiges Team des WDR, das bereits bei vergangenen VR- und 360°-Projekten erfolgreich zusammengearbeitet hat. Das Ganze war aber technisch und visuell nur deshalb in dieser Qualität umsetzbar, weil wir erneut mit einem tollen externen Partner zusammenarbeiten konnten: mit der Agentur Kubikfoto, die bereits für die Aufnahmen und die Programmierung beim für den Grimme Online Award nominierten Bergwerk-Projekt verantwortlich war.

In der VR-Anwendung werden nicht nur die verschiedenen Stationen des Braunkohleabbaus gezeigt, sondern es werden auch die Aktivisten und betroffenen Anwohner miteinbezogen. Warum war das für dich wichtig und was waren die größten Herausforderungen bei dieser Zusammenarbeit?

Alles so abzubilden, wie es war. So, dass sich die Nutzer*innen ein eigenes Bild machen können. Wir wollten dokumentieren, ohne subjektiv zu werten. Wir wollten aber auch das abbilden, was aus unserer Sicht wichtig war. Es hat allein monatelang gedauert, bevor wir die Genehmigung von RWE bekommen hatten, um im Tagebau drehen zu dürfen. Ähnlich zeitaufwändig war es, bis wir das Okay der Hambi-bleibt-Aktivisten hatten, um im Baumhaus-Dorf drehen zu dürfen. Nach der Veröffentlichung gab es dann von beiden Seiten Kritik. Was eigentlich ein untrügliches Zeichen dafür ist, nicht alles falsch gemacht zu haben, um es vorsichtig auszudrücken. Denn beide Seiten waren unzufrieden damit, dass und wie wir die jeweils anderen im Projekt abgebildet haben.

Die EU beschloss im Pariser Klimaabkommen, die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Wie können Medien aus deiner Sicht dazu beitragen, dass dieses Ziel erreicht werden kann?

Ich glaube, dass die Hauptaufgabe der Medien ist, sich auf ihr journalistisches Handwerk zu konzentrieren: Sie sollen informieren. Dabei ist unser Projekt nur ein kleiner Mosaikstein, welcher vielleicht besonders innovativ und stark visuell geprägt ist. Er gehört aber zu diesem großen Info-Paket, für das ARD und ZDF als öffentlich-rechtliche Sender eine besondere Verantwortung haben. Und es ist gut, dass die öffentlich-rechtlichen Medien nicht nur linear, sondern auch im Internet präsent sind. Denn dort gibt es einen Sendeplatz, der für solche Themen rund um die Uhr zur Verfügung steht. Damit richtet sich unser Projekt auch ganz bewusst in der Art der Informationsvermittlung an eine junge Zielgruppe.

Welche Idee kommt dir in den Sinn, wenn du über die weitere Nutzung der Tagebauflächen entscheiden dürftest? 

Screenshot "Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau"
Screenshot „Braunkohle 360°: Mitten im Tagebau“

Ich persönlich finde: Die beste Tagebauflächennutzung ist die, die gar nicht nötig ist. Denn wenn wir uns über eine solche Nachnutzung Gedanken machen, wurde die Landschaft ja bereits so zerstört und verunstaltet, dass etwas Neues geschaffen werden muss. Wenn es aber schon so weit gekommen ist, finde ich die Idee eines Wassersportreviers oder Ähnliches relativ reizvoll. Hier bei uns in Köln ist das Meer relativ weit weg. Aber so etwas müsste unter Beteiligung von Naturschützern entstehen, um Rücksicht auf Flora und Fauna zu nehmen

Welche neuen Erkenntnisse hast du aus dem Projekt gezogen?

Es ist jetzt das vierte große VR-360°-Projekt des WDR. Und wir stellen im Vergleich zu den vorherigen fest, dass es mittlerweile auch mit normalen Laptops und PCs möglich ist, sich diese sehr daten- und rechenintensiven Projekte anzuschauen. Unser erstes Projekt zum Kölner Dom funktionierte ursprünglich nur als App und war nur auf ganz speziellen High-End-Smartphones anzusehen. Bei dem Braunkohleprojekt haben wir es geschafft, VR und 360° in den Browser zu bringen, sodass man es sich ganz normal im Internetbrowser anschauen kann. Und wer das richtig gute Erlebnis haben will, das eintauchende immersive Erlebnis, der kann es sich mittlerweile in einer VR-Brille anschauen, die keinen angeschlossenen Highend-PC mehr benötigt und mit wenigen hundert Euro nur noch so viel kostet wie ein Mittelklasse-Smartphone. Das Thema Virtual Reality ist trotz aller Unkenrufe immer noch sehr aktuell. Und ich habe die Hoffnung, tagebau.wdr.de wird nicht das letzte WDR-Projekt in diesem Bereich gewesen sein.

Stefan Domke
Screenshot: Stefan Domke

Das Interview führten Karima Boudjenah und Ronja Collier. Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.

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