Anthroposophie- falsche Versprechungen oder sanfte Alternativen?
Ob in Form von Naturkosmetik oder als krumme Banane eines Demeter-Hofs, in unserem Alltag begegnen wir häufiger Anthroposophie, als uns vermutlich bewusst ist. Immer mehr Menschen sehnen sich nach chemiefreien Alternativen, besonders in der Medizin. Das Geschäft mit Homöopathie boomt, doch wirkt diese über den Placebo-Effekt hinaus oder werden die Sorgen der Menschen lediglich mittels fahrlässiger, leerer Versprechungen beschwichtigt?
Seit 2013 hinterfragt Oliver Rautenberg das Weltbild des Okkultisten Rudolf Steiner kritisch.
Sein „Anthroposophie.blog“ ist für den Grimme Online Award 2021 in der Kategorie „Wissen und Bildung“ nominiert. Im Interview erklärt der freie Journalist, weshalb er sich so intensiv mit der Anthroposophie beschäftigt, spricht über Missstände und potenzielle Gefahren und warum gerade Anthroposophen einen so großen Teil der Querdenker-Bewegung ausmachen.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich so viel mit Anthroposophie beschäftigen?
Viele von uns suchen nach Alternativen im Leben, zum Beispiel nach sanfterer Medizin, gesünderen Nahrungsmitteln oder einer anderen Pädagogik und so auch ich und meine Familie. Wir haben festgestellt, dass hinter diesen Alternativen oft esoterische oder anthroposophische Weltbilder stecken. Man kauft das Weltbild immer mit, wenn man sich auf diese vorgeblichen Alternativen einlässt. Schmerzhaft haben wir das vor etwa zehn Jahren erfahren müssen, bei einem Kontakt zu anthroposophischen Medizinern, die nur Pseudo-Medizin verabreicht haben. Darüber habe ich mich sehr gewundert und angefangen zu recherchieren, warum dies so ist, warum Anthroposophen zum Beispiel ihre eigenen Methoden über die evidenzbasierten Wissenschaften stellen. Ich habe angefangen, nach der Weltanschauung der Anthroposophie zu recherchieren, und habe festgestellt, dass die Anthroposophie eine der größten esoterischen Strömungen Europas zu sein scheint. Diese Weltanschauung des österreichischen Hellsehers und Okkultisten Rudolf Steiner ist die Grundlage vieler alternativer Privatschulen, der sogenannten alternativen Medizin oder Landwirtschaft, und die betreiben viele tausend Firmen. Die Anthroposophie ist quasi ein großes Netzwerk mit eigenen Verlagen, Instituten und Banken und gehört in vielen Bereichen zu den Marktführern dieser Szene. Sehr unbekannt ist der Hintergrund dieses okkult magischen Weltbildes und erstaunlich ist, dass uns die Anthroposophie jeden Tag begegnet, ohne dass uns das bewusst ist und ihre Hintergründe und Absichten weitgehend verborgen bleiben. Das fand ich unfair, denn ich denke, eine aufgeklärte Kaufentscheidung oder eine Entscheidung für oder gegen diese Strukturen können nur durch Aufklärung möglich sein und daher beschäftige ich mich seit mehr als zehn Jahren mit der Anthroposophie.
Das ist eine sehr lange Zeit. Es ist wahrscheinlich schwierig, die Hintergründe aufzudecken, denn auf anthroposophischen Produkten ist ja kein Aufkleber, der diese als solches erkennbar macht.
Es ist in der Tat sehr schwierig anthroposophische Strukturen wahrzunehmen. Will man beispielsweise dieses große Netzwerk anthroposophischer Firmen erkennen, reicht allerdings häufig ein Blick auf die Schriftgestaltung, wie zum Beispiel bei Waldorfschulen oder Weleda-Produkten, die ein ganz bestimmtes Schriftbild haben. Das muss nichts Schlechtes sein, es gibt tolle Naturkosmetik und ähnliche Dinge, die ich sehr gut finde, aber diese Strukturen zu erkennen ist schwer, da die Anthroposophie ganz klar daran arbeitet, diese Strukturen zu verbergen. Es wird viel mit Worthülsen und Chiffren gearbeitet. Wenn in der Waldorfschule zum Beispiel darauf hingewiesen wird, dass man Kinder ganzheitlich oder individuell betrachtet, dann hat das immer einen gewissen esoterischen Hintergrund, mit dem die Waldorfschule als anthroposophische Einrichtung nicht hausieren geht. Das heißt, man muss oftmals zu diesen Schlagwörtern weiter recherchieren, tiefer recherchieren, Originalquellen von Rudolf Steiner lesen und begreift dann erst, was hinter diesem Weltbild steckt.
Wo könnten, mit Blick auf die angesprochene Verschleierung, die größten Gefahren der anthroposophischen Lehre liegen?
Wenn man sich unaufgeklärt in die Welt der Anthroposophie hineinbegibt, kann das negative Auswirkungen haben. Ich kann das ganz persönlich von mir und meiner Familie betonen. Wir dachten, in einem anthroposophischen Krankenhaus gibt es das Beste aus allen Welten, wie sie selbst gerne sagen, nämlich sowohl die sogenannte „Schulmedizin“ als auch die alternative Medizin. Gefährlich wird es, wenn man die alternative Medizin höher bewertet als die evidenzbasierte und vielleicht Behandlungen mit evidenzbasierter Medizin verzögert oder unterlässt und an die Versprechungen der Anthroposophen glaubt. Es stellt sich heraus, und das ist mittlerweile auch durch einige Studien bekannt, dass der Bezug zu alternativen Wahrheiten, wie das Vertrauen auf alternative Medizin, darunter Homöopathie oder anthroposophische Medizin, der gesellschaftlich akzeptierte Einstieg zum Ausstieg aus dem kritischen Denken ist. Wo es keine Wirknachweise gibt und wo Wirkungen postuliert werden, die nicht beweisbar sind, begibt man sich in eine Schiene, die mit kritischem Denken und Rationalität nichts mehr zu tun hat. Im schlimmsten Fall führt das in eine Impfablehnung oder eine Zunahme der Verschwörungsmentalität, zum Beispiel gegen „Big Pharma“ oder andere Strukturen. Und diese Verschwörungen sind ein sich selbst verstärkendes System. Im schlimmsten Falle kann es dazu führen, dass man ein Misstrauen entwickelt gegenüber allen, die mit Macht assoziiert sind, wie Medien, Politik, gegen Medizin und Wissenschaften. Man hat selber andere Wahrheiten und schaut hinter die Weltvorgänge, was vorgeblich die etablierten Medien oder die Wissenschaft nicht tun.
Viele Ärzte und Ärztinnen verschreiben auch außerhalb von Steiner-Krankenhäusern alternative Medizin (Globuli). Wie beurteilen Sie das und die finanzielle Förderung, die dahintersteckt?
Es ist so, dass die Anthroposophie nicht nur gesellschaftlich anerkannt und oftmals als sanfte Alternative angesehen wird, es ist auch so, dass sie staatlich finanziert wird. Wenn man sieht, dass anthroposophische Waldorfschulen in Deutschland im Schnitt zu 72% staatlich finanziert sind, teilweise bis zu 90%, dann ist es eine auf Hellseherei basierende esoterische Weltanschauung, die eine esoterische Pädagogik macht, die sich aus Staatsmitteln finanziert. Das finde ich sehr schwierig. Was die Medizin angeht, ist die anthroposophische Medizin, genauso wie die Homöopathie, vom Wirknachweis befreit, man kann also pseudowissenschaftliche Mittel auf den Markt geben, man muss diese nur registrieren und keinen Wirknachweis erbringen. Da haben Anthroposophen eine Ausnahmeregelung, um ohne große Forschung ihre Placebos auf den Markt werfen zu können, die dann gleichwertig neben evidenzbasierter Medizin in den Apotheken in die Regale gestellt werden. Das sind Ausnahmeregelungen, bei denen wir alternative Weltbilder den Fakten gleichstellen, und das halte ich generell für gefährlich.
Da nutzt man auch ein wenig den Wunsch der Menschen nach einer ganzheitlichen Medizin aus und macht das zu Geld.
Das ist natürlich schon so, wie ich eingangs sagte, wir sind alle auf der Suche nach sanfteren Alternativen. Man will weg von der bösen Chemiekeule. Man darf nicht vergessen, dass die Mittel der Anthroposophie in weiten Teilen homöopathisch verdünnt sind, das heißt, das Wirkprinzip ist unlogisch und widerspricht den Grundlagen der Physik. Zum Beispiel wenn man an das Wassergedächtnis postuliert – das es in der Form nicht gibt – wodurch sich das Mittel an irgendwelche Schwingungen des Wassers erinnern soll, an seine Wirkmächtigkeit. Hier kommt man schnell in einen Bereich, in dem man die große Pharma ablehnt und sich dem Esoterischen zuwendet, aber man vergisst, dass das ein Markt von mehreren 100-Millionen Euro in Deutschland ist. Die esoterischen Pharma-Hersteller sind auch alle ganz normales Mitglied in den pharmazeutischen Verbänden, also auch „Big Pharma“, ohne dass man das weiß. An dieser Verklärung arbeitet die Pharmaindustrie aktiv mit. Ein Sprecher von Weleda hat kürzlich gesagt, dass man ganz froh sei, dass die Menschen Naturheilkunde und homöopathische Verdünnung miteinander verwechseln, sie denken, sie nehmen ein sanftes pflanzliches Mittel. Im Labor untersucht enthalten diese keine Wirkstoffe, aber es wird aktiv versucht, es als Naturheilkunde zu verkaufen. Da wird also wieder nicht aufgeklärt und aus der Verklärung der eigenen Mittel Gewinn gezogen.
Denken Sie, dass sich im Zuge der Pandemie mehr Menschen der Anthroposophie zuwenden als Ausflucht und aus Angst vor der Impfung und unserem Gesundheitssystem?
Das geben die Zahlen nicht her. Es gibt eine gewisse Verschwörungsmentalität in der Gesellschaft, die oft mit dem Hang zu sogenannter alternativer Medizin und fast immer mit einer Impfablehnung zusammenhängt. Dieser Anteil in der Bevölkerung hat wohl nicht wesentlich zugenommen, es sollen bis zu 15% sein, die diesen Vorstellungen anhängen. Was sich jetzt eher zeigt, ist, dass wir jahrelang eine große Toleranz gezeigt haben gegenüber alternativen Fakten, dass diese alternativen Weltsichten sehr stark in die Mitte der Gesellschaft eingedrungen sind und dass uns diese falsch verstandene Toleranz für alternative Wahrheiten nun auf die Füße fällt. Das zeigt sich auch im starken Auftreten von Esoterikern und Verschwörungsgläubigen z.B. in der Querdenker-Bewegung. Die Anthroposophie zeigt sich als esoterischer Arm der Querdenker-Bewegung. Das sieht man an sehr starken verschwörungsideologischen Tendenzen in der Medizin, in der Landwirtschaft, aber vor allem in der anthroposophischen Pädagogik, denn in über 30 Städten sind Menschen aus dem Umfeld der Waldorfschulen aktiv beteiligt an Querdenken-Demonstrationen. Alle Teilnehmer, die sehr unterschiedlich sind, eint eine ideologische Klammer, sie sind im Endeffekt alle wissenschaftsfeindlich und verschwörungsgläubig. Und das ist in Teilen auch das Wirken der Anthroposophie in den letzten 100 Jahren in der Gesellschaft, gerade die Impfablehnung ist ein typisches Merkmal. Wir kennen Waldorfschulen als Hochburgen der Impfgegnerschaft, als Auslöser von Masern-Wellen, die man durch impf-präventive Einstellungen hätte vermeiden können, und das bestätigen Stimmen aus dem Robert-Koch-Institut, der WHO, aus der ständigen Impfkomission. Und da sollten wir uns Gedanken machen, warum alternativ-medizinische und impfablehnende Haltungen grade in dieser esoterisch bewegten Szene grassieren.
Denken Sie, dass in näherer Zukunft die Auflösung zwischen der Waldorfschule und der Anthroposophie und eben der Ablehnung von z.B. Impfungen erfolgt und ob das irgendwie zukunftsträchtig wäre, wenn man das voneinander trennt?
Im Endeffekt gibt es da, wie ich das empfinde, stark menschenverachtende Positionen in der Anthroposophie, die sich auch in dem Impfgegnertum zeigen. Das Impfgegnertum, im spezifischen der Anthroposophie, hat verschiedene Gründe. Das liegt laut ihrem Gründer Rudolf Steiner vor allem daran, dass Impfstoffe etwas Künstliches sind, und etwas Unnatürliches. Er hat sogar gemutmaßt, dass da dunkle Kräfte oder böse Dämonen die Impfungen nutzen werden, um uns Menschen die Spiritualität auszutreiben. Auf der anderen Seite gibt es natürlich das Verständnis in der Anthroposophie von Reinkarnation und Karma. Das sind grundlegende Kernelemente der Anthroposophie, und Krankheiten sowie Behinderungen werden oft verstanden als Schuld aus vorherigen Leben, die es in diesem Leben abzutragen gilt. Das heißt, bin ich krank, bekomme ich die Masern oder ähnliche Krankheiten überhaupt, dann ist das meine karmische Schicksalsaufgabe. Um meine Schuld aus meinem vergangenen Leben zu tilgen, muss ich meine Krankheit in diesem Leben überwinden, muss sie erleiden, und wenn ich das nicht schaffe, dann soll es halt so sein. Karma ist nicht immer freundlich, dann habe ich aber auch durch die Reinkarnation in einen besseren Leib, in einen besseren Körper, der diese Dinge hinter sich gelassen hat, die Chance zur Höherentwicklung. Nehme ich also Kindern die Chance, krank zu sein, dann verhindere ich damit, dass sie sich höher- und weiterentwickeln und zu besseren Menschen werden und verhindere damit auch, dass die Menschheit als solche sich weiterentwickelt. Das findet man sehr, sehr stark in der Anthroposophie und in der Waldorfpädagogik. Dass Krankheiten selbstverschuldet sein sollen, halte ich wie gesagt für menschenverachtend, denn niemand ist schuld an seiner Krankheit. Es kann nicht sein, dass wir uns von den Errungenschaften der Medizin der letzten Hunderten von Jahren jetzt abwenden, um auf ein esoterisches Versprechen einer Höherentwicklung zu vertrauen. Ich glaube persönlich nicht, dass sich das ausschleicht, oder dass die Esoterik innerhalb der Waldorfschule weniger wird. Man darf nicht vergessen, es ist eine anthroposophische Pädagogik, der Glaube durchzieht jeden Bereich von den Lehrmitteln hin zu den Unterrichtsmethoden und Inhalten. Eigentlich soll Waldorfpädagogik angewandte Anthroposophie sein. Würde man sich von der Lehre Rudolf Steiners trennen, dann wäre es keine Steiner-Schule mehr, dann wäre es keine Waldorfschule mehr, und insofern halte ich das für unmöglich, dass man sich als Waldorfschule von Rudolf Steiner distanziert oder trennt. Allerdings gibt es in der Elternschaft einen sehr, sehr starken Riss zurzeit, durch die Eltern- und Schülergemeinschaft und da trennen sich die Lager zwischen den eher esoterisch bewegten Steiner-Gläubigen und zwischen denen, die einfach nur eine sanftere Pädagogik wollten, mehr Kunst, mehr Kultur, mehr Musik im Unterricht für ihre Kinder, und die jetzt ganz erschrocken sind, dass sich doch weite Teile der Elternschaft sehr verschwörungsideologisch geben. Es ist spannend, wohin diese Entwicklung geht und ich gehe eher davon aus, dass das Bewusstsein einfach größer wird in der Bevölkerung für esoterische Strukturen, und dass viele Eltern nicht mehr leichtfertig im Versprechen auf eine sanfte Pädagogik ihre Kinder zu einer esoterischen Schule geben werden.
Da sind wir wieder bei dem Wunsch vieler Menschen nach einer ganzheitlichen Erziehung, und nicht nur Medizin. Können Sie sich denn, abgesehen von Karma und Reinkarnation oder dem Impfgegnertum, in den Standpunkt eines Anthroposophen hineinversetzen?
Ich denke, die Anthroposophie ist für viele Menschen deshalb so anknüpffähig, weil sie eben viele Dinge erfüllt, die uns verlorengegangen sind und die wir vermissen. Das ist eben die gesündere Ernährung, der bessere Umgang mit der Natur, da finden sich viele wieder. Viele möchten auch eine sanftere Medizin bis hin zur Naturkosmetik, die dann möglichst schonend sein soll, viele möchten eine andere Pädagogik, die nicht nur in Bulimie-Lernen Ausdruck findet. Das ist absolut verständlich, und es geht mir auch so, dass ich das alles möchte. Aber man muss immer bedenken, dass man das Gesamtpaket kauft, und dass die Alternativen, die es dort gibt, nicht unbedingt immer besser sein müssen. Setze ich auf sogenannte Alternativmedizin statt auf evidenzbasierte, setze ich auf eine hellseherisch begründete Pädagogik, bei all den Verfehlungen der Staatsschul-Pädagogik, dann kann das sehr schnell zu Problemen führen, und das tut es auch. Wir haben Menschen, die gestorben sind, weil sie sich auf alternative Krebsheilmittel verlassen haben, die von Anthroposophen in erster Linie hergestellt werden. Wir haben große Fluktuation an den Waldorfschulen von Kindern, die in diesem System untergegangen sind, gemobbt wurden oder einfach nicht reingepasst haben, vielleicht zu kritisch waren. Wir haben viele Opfer, und da sage ich bewusst auch Opfer, dieser esoterischen Weltanschauung, deren Stimmen einfach untergehen und verlorengehen. Da möchte ich helfen, damit das nicht mehr so ist.
Das ist auch unsere abschließende Frage: Was ist das Ziel Ihres Blogs und Ihrer Aufklärungsarbeit?
Ziel meines Blogs ist wirklich die Aufklärung. Die Anthroposophie begegnet einem täglich, die Hintergründe und Absichten bleiben einem aber verborgen. Man kann keine bewusste Kaufentscheidung oder eine bewusste Zukunftsentscheidung für eine Schullaufbahn treffen, ohne diese Hintergründe zu kennen. Ich bin sehr für eine aufgeklärte Kaufentscheidung. Wenn man weiß, dass anthroposophische Bauern esoterische Rituale vollführen und man dann aber sagt, im Gegensatz zur Massentierhaltung kann ich das akzeptieren, dann ist das für mich ein legitimer Standpunkt. Aber diese Aufklärung muss erstmal möglich sein. Und wenn ich auf vielen Webseiten der Anthroposophie nur freundliche und nette Worthülsen finde, und nicht gesagt bekomme, was dahintersteht, dann kann ich diese aufgeklärte Entscheidung nicht treffen. Das Thema Anthroposophie hat jetzt im Zuge der Coronapandemie einen großen Zulauf bekommen und großes Interesse verursacht. Was man nicht zuletzt anhand rund einer halben Million Lesern auf meinem Blog in den letzten zwei Jahren sieht. Das ist zum einen für mich natürlich erfreulich, aber auch ein wenig tragisch, dass erst durch die Querdenken-Bewegung das Thema größere Aufmerksamkeit erhält. Ich glaube, dass Verschwörungsmythen die DNA der Anthroposophie sind, wie der Religionshistoriker Helmut Zander das mal gesagt hat. Die Annahmen der Anthroposophie ähneln den Annahmen von Verschwörungsmythen; dass es keine Zufälle gibt, dass es verborgene Wahrheiten gibt, dass alles miteinander verbunden ist, dass es eine Gut-Böse-Aufteilung, einen Dualismus in der Welt gibt. Mit dieser Gut-Böse-Rhetorik und auch mit der Idee, dass die Welt von einer kleinen Gruppe gesteuert wird, gibt es häufig auch den Einstieg in rechte Denkmuster. Zunehmende Verschwörungsmentalität steigert auch nachweislich die Akzeptanz für extreme Positionen. Wir haben extremen alternativen Positionen große Freiräume eingeräumt, wir haben, wie ich es empfinde, eine falsche Toleranz gegenüber alternativen Wahrheiten. Das führt zu einer Verfestigung eben dieser Verschwörungsmentalität, die uns jetzt wieder auf die Füße fällt. Wir erkennen langsam, dass Verschwörungsmythen eine Gefahr sind für eine demokratische Gesellschaft, weil sie eben zu einer Abkopplung vom demokratischen Diskurs führen. Wenn ich da ein wenig helfen kann, Aufklärung zu schaffen, dann freue ich mich da sehr drüber.
Das Interview entstand in einer medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!