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Affäre Deutschland – Ein Blick hinter die Kulissen

Screenshot "Affäre Deutschland"
Screenshot "Affäre Deutschland"
Screenshot „Affäre Deutschland“

Im Jahr 1991 wird ein Koffer mit einer Million D-Mark an den CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben. Acht Jahre später decken mehrere Journalisten und Journalistinnen diesen Skandal auf. Wie das alles zum Bruch der CDU mit ihrem Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl und zum Rücktritt Wolfgang Schäubles vom Partei- und Fraktionsvorsitz führte und was Angela Merkel damit zu tun hat, wird auf kompakte und erfrischende Weise in dem Podcast „Affäre Deutschland“ aufarbeitet.
Anhand von Archivaufnahmen und Interviews mit den damals Beteiligten wird man durch einen Teil der deutschen Politikgeschichte geleitet und kann einen Blick hinter die Kulissen werfen.

„Affäre Deutschland“ ist für den Grimme Online Award in der Kategorie „Information“ nominiert. Im Interview erzählt Podcast-Host Cornelia Neumeyer von der Entstehungsgeschichte des Podcasts mit acht Folgen, der verrückten Geschichte hinter der Spendenaffäre sowie von der Zukunft des Projekts. 

In deinem Podcast dokumentierst du die Geschichte der größten Spendenaffäre Deutschlands, die ihren Anfang im Herbst 1999 nahm, sowie deren Folgen. Seit wann hast du an dem Podcast gearbeitet und wann und warum hast du dich entschieden, ihn zu veröffentlichen?

Screenshot "Affäre Deutschland"
Screenshot „Affäre Deutschland“

Erstmal vorweg: Das ist nicht mein Podcast, sondern ein Projekt von Ikone Media, der Produktionsfirma, für die ich arbeite.
Wir haben 2018 angefangen, daran zu arbeiten. Der Gedanke ist so entstanden, dass wir gerne einen Podcast über einen deutschen Skandal oder eine deutsche Affäre machen wollten. Wir haben uns dann überlegt: „Mensch, was könnten wir für eine Geschichte erzählen?“ Dann sind wir in die Recherche gegangen und haben uns verschiedene Skandale und Affären angeschaut, unter anderem auch zum Beispiel die Guillaume-Affäre. Wir sind dann relativ schnell bei der CDU-Spendenaffäre gelandet, weil es die so aufbereitet noch nirgendwo gab. Wir haben angefangen zu recherchieren, Bücher gewälzt und ein Pitch Paper geschrieben.
Die Idee zu dem Thema hatte damals meine Kollegin Constanze Radnoti, die auch die redaktionelle Leitung und die Regie beim Podcast übernommen hat. Wir sind mit der Idee auf verschiedene Plattformen zugegangen. Es hat dann ein bis zwei Jahre in der Schublade gelegen. Nachdem FYEO letztes Jahr ihre Plattform gelauncht haben, haben wir mit ihnen gesprochen und ihnen den Podcast angeboten. Die waren dann eigentlich gleich Feuer und Flamme.
Im Sommer 2019 ging das Ganze los. Wir haben insgesamt ein gutes Jahr daran gearbeitet und dann im Sommer letzten Jahres veröffentlicht.

Die Veröffentlichung war also nicht von Anfang an geplant, sondern ist dann so entstanden?

Genau. Es traf sich ganz gut, dass die Spendenaffäre letztes Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum hatte. Aber das war nicht genau so geplant.

Und warum habt ihr euch dann für einen Podcast entschieden und nicht beispielsweise für eine Doku oder ein YouTube-Video?

Ganz einfach, weil wir eine Podcast-Produktionsfirma sind.
Alles, was wir machen, sind Podcasts, und wir brennen dafür. Unser Augenmerk liegt hauptsächlich auf Storytelling- und Doku-Podcasts.
Unser großes Vorbild sind natürlich immer die US-amerikanischen Podcasts, von deren Produktionen wir uns inspirieren lassen.

Wie seid ihr auf das Thema und die Geschichte gekommen?
Habt ihr explizit nach einem Skandal aus der deutschen Geschichte gesucht?

Ich weiß jetzt tatsächlich auf Anhieb nicht, warum Constanze Radnoti, unsere redaktionelle Leitung, bei der CDU-Spendenaffäre gelandet ist. Sie hat am Anfang der Recherche auf jeden Fall einen großen Wälzer gelesen. Ich glaube, das war das Buch von Heribert Prantl und zwei anderen Journalisten. Das war die Initialzündung. Ein Vorbild für uns war der US-amerikanische Podcast Slow Burn, der sich zum Beispiel in der ersten Staffel mit Nixon und dem Watergate-Skandal beschäftigt und diverse andere amerikanische Affären aufarbeitet. Da dachten wir uns: „Hey, sowas kann man doch auch über deutsche Politik machen.“ Unsere Intention war auch, dass das einer der größten Skandale der deutschen Politikgeschichte in der Nachkriegszeit ist, aber unsere Generation das kaum mehr mitbekommen hat. Wir waren damals noch Kinder. Trotzdem ist dieser Skandal wichtig, um die deutsche Parteienlandschaft, das Parteiengeschehen und die deutsche Politik im Allgemeinen zu verstehen. Für diese Hörer*innen haben wir diesen Podcast hauptsächlich gemacht, um dieses Verständnis eben an den Mann und an die Frau zu bringen. 

So etwas erfordert natürlich eine gründliche Recherche.
Wie groß ist denn euer Team? Und wie viele Leute haben sich ungefähr um die Recherche gekümmert?

Screenshot "Affäre Deutschland"
Screenshot „Affäre Deutschland“

Wir hatten das so aufgebaut, dass wir zwei Head-Autorinnen hatten, Birgit Frank und Christine Auerbach. Die haben sich um das ganze Skripten gekümmert und somit den Großteil der Recherche gemacht. Die haben sich überlegt, wie wir diese acht Folgen aufbauen könnten. Natürlich in Zusammenarbeit mit Constanze Radnoti, die die redaktionelle Leitung hatte. Wir hatten zusätzlich verschiedene Journalist*innen, die ebenfalls recherchiert, Interviews geführt und diese dann an die zwei Head-Autorinnen geliefert haben. Lorenz Schuster war für das Sounddesign zuständig. Er hat tatsächlich erstmal fünf verschiedene Entwürfe komponiert, bevor wir uns für das finale Sounddesign entschieden haben. Das war eine irre Arbeit und ein großer Aufwand. Er hat dann natürlich auch am Ende die Folgen produziert und gebaut. Insgesamt waren wir ein Team aus 14 Leuten, wenn man die drei Leute von FYEO mit einrechnet. Die haben am Ende nochmal auf die Skripte geschaut und diese abgenommen. Recherchiert und die Interviews geführt hat ein Kernteam aus sechs oder sieben Leuten.

Du hast gerade die Interviews schon angesprochen, die in dem Podcast vorkommen. Wie viele Interviews sind es und wie lange habt ihr diese geführt?

Wir haben mit jedem persönlich gesprochen, der in dem Podcast auftaucht. Bis auf die Archivtöne natürlich. Als Corona dann losging, haben wir nur noch remote gesprochen. Wir haben gesprochen mit Winfried Maier, dem Staatsanwalt, der damals ermittelt hat. Wir haben gesprochen mit dem ehemaligen Pressesprecher von Helmut Kohl. Wir haben gesprochen mit der Journalistin Conny Neumann, die ganz am Anfang der Recherche dabei war und zufällig diesen Anruf bekommen hat. Plötzlich hatte sie diese irre Info in der Hand, dass Walther Leisler Kiep verhaftet werden soll. Wir haben natürlich auch diverse andere Leute angefragt, die nicht mit uns sprechen wollten, zum Beispiel Wolfgang Schäuble. Bei denen, die abgesagt haben, hat man gemerkt, dass dieses Thema für viele Menschen noch bis heute sehr emotional aufgeladen ist, die damals involviert waren. Wir haben auch noch andere Personen angefragt, die damals bei den Ermittlungen auf der staatsanwaltlichen Seite eine Rolle gespielt haben. Die wollten auch nicht mit uns sprechen. Da merkt man, dass ihnen dieses Thema noch nahe geht, weil diesen Leuten Steine in den Weg gelegt wurden.

Was ist das Ziel des Podcasts und wer ist eure Zielgruppe? Vielleicht die politische Aufklärung für jüngere Leute?

Genau. Ziel des Podcasts war auf jeden Fall, dieses Thema – einen der oder sogar den größten Parteienskandal in der Nachkriegsgeschichte – für ein junges Publikum aufzubereiten. Es ist wichtig zu wissen, was in der CDU und in der Vergangenheit passiert ist, weil es die deutsche Politik seitdem geprägt hat. Ohne diese Affäre wäre vielleicht eine Angela Merkel, die jetzt nach 16 Jahren abtritt, nie Kanzlerin geworden. Unsere Generation ist ja eigentlich nur mit Angela Merkel aufgewachsen. Nur sie kennt man an der Spitze und damals war es Helmut Kohl, den man nur an der Spitze kannte. Um zu verstehen, wie diese Geflechte sind, ist es wichtig, sich diesen Skandal, diese Spendenaffäre noch einmal anzuschauen. Meiner Meinung nach ist es wichtig zu wissen, welche Geschichte die Parteien haben und was eigentlich in der Vergangenheit passiert ist, wenn man wählen geht. Natürlich, wenn Dinge aufgearbeitet wurden und wenn Absolution geleistet wurde, dann gibt es einen Fresh Start für die Leute, die mal etwas verbrochen haben. Ich glaube, um Politik zu verstehen, ist es wichtig, auch diesen Teil der Geschichte zu verstehen.

Also würdest du schon sagen, dass es an Heranwachsende geht, die jetzt neu wählen gehen oder die sich noch nicht wirklich mit der Politik auseinandergesetzt haben?

Es geht an Menschen, die Jungwähler sind, die noch nie wählen waren, aber auch an Menschen, die in ihren 20ern sind, die damals im Kindergarten oder in der Grundschule waren. Die bekommen dann alles aufbereitet in einem Paket: Hier ist alles, was du wissen musst! Allerdings glaube ich, dass ein Grundinteresse für Politik und für Geschichte Voraussetzung ist.

Inwiefern ist die Aufdeckung dieser Spendenaffäre aus deiner Sicht ein Lehrstück journalistischer Recherche?

Dafür müsste ich jetzt die Arbeit sehr genau kennen, die Conny Neumann, Oliver Schröm, John Goetz, Heribert Prantl und Hans Leyendecker damals geleistet haben.
Ich kann und will das gar nicht bewerten, weil ich nicht weiß, wie diese Journalistinnen und Journalisten damals recherchiert haben. Ich glaube, jede Affäre aufzudecken, jeden Skandal, jedes Schwarzgeld, jede Korruption, ist ein enormes Stück Arbeit. Was investigative Journalistinnen und Journalisten da leisten, ist Wahnsinn. Diesen Biss und dieses Durchhaltevermögen, was man da haben muss. Wie Conny Neumann auch beschreibt, sie war damals eine kleine freie Journalistin. Da gab’s keine Spesen und sie konnte nicht einfach mal eben durch ganz Deutschland fahren. Das hat ihr ja keiner bezahlt. Es gab keine Handys. Du hast dich nicht schnell auf WhatsApp mal eben mit irgendjemandem kurzschließen können. Ich glaube, das ist wahrscheinlich eine Glanzleistung. In einer Zeit, wo es das Internet noch gar nicht gab. In so einer Zeit dann so graben zu können, ohne Internet, ohne mal zu googlen, und trotzdem dranzubleiben und sich nicht abschrecken zu lassen. Die Arbeit, die wie gesagt, Investigativjournalist*innen generell leisten, ist bewundernswert und sie ist wichtig! Das ist der Spiegel, den die Medien, die Journalist*innen der Politik und der Wirtschaft vorhalten können. Ohne diese Kontrollinstanz wäre einfach vieles immer noch im Verborgenen. Das darf natürlich nicht sein. Politik darf nicht korrupt sein!

Dann kommen wir jetzt zur letzten Frage. Und zwar brennen wir auf neue Folgen. Kannst du uns schon irgendwas verraten? 

Wir stecken mittendrin in der zweiten Staffel und produzieren gerade fleißig. Es wird nicht noch mal um deutsche Politik gehen, aber um eine andere deutsche Geschichte. Ich kann schon mal sagen, dass es darum gehen wird, wie das Sommermärchen nach Deutschland kam und was da vielleicht alles nicht so sauber lief. Bis zur Veröffentlichung wird es auch nicht mehr so lange dauern, die kommt dieses Jahr noch.

Screenshot – Cornelia Neumeyer – Podcast „Affäre Deutschland“

Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.

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