Wie Feuer und Brot: Gespräche zwischen Freundinnen
Sie kennen sich schon seit der fünften Klasse und nun sprechen sie in ihrem Podcast „Feuer & Brot“ über Gesellschaft, Kultur, Politik und Medien. Dabei machen sie auch vor sensiblen Themen nicht halt und schaffen es, diese mit Sorgfalt und Respekt, aber auch Nachdrücklichkeit zu behandeln. Maximiliane Häcke und Alice Hasters laden einmal im Monat ihre Zuhörer*innen ein, ihrem Gespräch beizuwohnen und vermitteln das Gefühl, man selbst wäre Teil dessen. Gleichzeitig sympathisch und informativ streifen sie verschiedene Themen und erklären und diskutieren die neuesten Trends in Deutschland und der Welt.
„Feuer & Brot“ ist für den Grimme Online Award 2021 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Im Interview verraten sie uns die Anfänge, Entwicklung und Zukunft ihres Podcasts.
Woher kommt der Name „Feuer & Brot“?
Alice: Feuer & Brot ist so etwas wie ein Insider, weil wir mit 18, 19 Jahren angefangen haben, uns Feuer und Brot zu nennen, nachdem ein damaliger Klassenkamerad zu uns gesagt hatte: “Ihr seid wie Feuer und Brot.” Damit meinte er wahrscheinlich Feuer und Wasser oder Wasser und Brot, hatte aber Feuer und Brot gesagt und wir fanden es witzig. Nach einigen kleineren, nicht so wirklich erwähnenswerten Projekten kam es, dass wir unseren Podcast auch so genannt haben.
Maxi: Und irgendwie liebe ich den Namen auch. Es sind zwei Worte und wir sind zwei Hosts. Es ist eingängig, auch wenn man sich nicht so viel darunter vorstellen kann. Marketingtechnisch gesehen wäre es wahrscheinlich eine Katastrophe. Eigentlich würde uns jeder empfehlen, keinen Namen zu nehmen, unter dem man sich nichts vorstellen kann, aber ich mag das sehr gern. Es kann eben auch alles dahinter stecken.
Der Podcast existiert bereits seit 2016. Wie seid ihr damals auf die Idee gekommen, diesen zu starten? Gab es einen Auslöser?
Maxi: Wir haben damals beide schon sehr gerne Podcasts gehört, wie zum Beispiel damals noch „Sanft & Sorgfältig“ von Jan Böhmermann und Olli Schulz, aber auch von „Serial“, „This American Life“ oder anderen amerikanischen Podcasts waren wir große Fans.
Wir haben damals in zwei verschiedenen Städten gewohnt. Alice hat Journalismus studiert und wir haben immer lange telefoniert und über Themen, die uns interessiert haben, gesprochen. Irgendwann haben wir gesagt, wir müssten das eigentlich mal aufnehmen. Ich habe Alice dann fast ein wenig unter Druck gesetzt (lacht) und vorgeschlagen, dass wir einfach anfangen und drauf los podcasten. Sie war am Anfang ein wenig besorgt, da sie ja wusste, dass sie journalistische Arbeit auch beruflich ausüben würde, hatte also einen gewissen Anspruch an uns, wir haben dann aber relativ schnell eine Linie für uns gefunden. Dadurch, dass Alice schon das technische Know-how hatte, nämlich den Schnitt und das Einfügen von O-Tönen usw. konnten wir vieles direkt umsetzen. Das hat sich dann so entwickelt, dass wir jeden Monat – außer einmal, als Alice in der heißen Phase ihres Buchprojekts war – seit April 2016 eine Folge aufgenommen haben.
Von Feminismus und Aussehen in der heutigen Gesellschaft bis hin zu kultureller Aneignung und Rassismus anhand von mehreren Beispielen der BLM-Bewegung – dies sind einige der Themen, die ihr in eurem Podcast ansprecht. Wie wählt ihr eure Themen aus?
Alice: Ganz organisch. Wir haben die Freiheit, dass wir wirklich alles selbst bestimmen können, und wir machen das sehr intuitiv. Der Podcast lebt, glaube ich, davon, dass wir über das reden, was uns interessiert. Und wir sind eben Freundinnen und kennen uns, seit wir zehn Jahre alt waren. Wir reden auch abseits des Podcasts über diese Dinge und so entwickeln wir auch unsere Themen. Wir überlegen immer im Laufe des Monats: „Was interessiert uns?“ – „Worüber können wir sprechen?“ – „Sehen wir etwas, dass gerade viele Leute bewegen und wozu wir auch noch etwas sagen möchten?“ Oder: „Darüber redet gerade gefühlt niemand – lass UNS noch mal darüber reden!“ Wir gucken dann, ob wir Fragestellungen oder bestimmte unterschiedliche Themenbereiche zu einem Thema herausarbeiten können. Wenn wir merken, dass es funktioniert und dass wir beide Lust darauf haben, gehen wir in die Recherche, machen eine Gliederung und reden dann aber relativ frei bei der Aufnahme. Das ist unser Rahmen. Wir haben gemerkt, dass unser Profil über die Themen, die uns interessieren, geprägt wurde und nicht umgekehrt und dass diese sich zwischen Feminismus, Politik und Popkultur bewegen. So sind wir auf unsere Beschreibung gekommen.
Wer ist die Zielgruppe eures Podcasts?
Maxi: Wir haben eigentlich nie eine klare Zielgruppe definiert. Wir sind von Anfang an von uns ausgegangen. Wir haben uns gedacht: „Stimmen wie unsere fehlen uns noch in der Welt des deutschen Podcasts.“ Wir haben nicht viele junge Frauenstimmen gehört. Damals waren wir auch noch nicht so tief drin in den Themen, über die wir sprechen. Das heißt, wir konnten uns während des Podcastens weiter professionalisieren. Alice hat zum Beispiel in dieser Zeit auch ihr Buch geschrieben. Aber wir haben uns nicht überlegt: „Wen könnten wir damit ansprechen?“ Es ist so, dass wir natürlich viele Frauen in unserem Alter ansprechen, aber vielleicht auch queere Personen zum Beispiel, oder eben Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, weil wir Dinge ansprechen, die vielleicht sonst irgendwo fehlen oder wo man sagen könnte, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdienen. Wir finden jedoch absolut, dass wir Inhalte machen, die für jeden interessant sein können.
Alice: Ich glaube, dass man diesen Prozess der Professionalisierung auch bei uns im Podcast erkennen kann. Man hat vielleicht, wenn man jünger ist, auch schon eine Haltung, die man aber vielleicht noch nicht mit der richtigen Sprache spezifizieren kann. Der Podcast begleitet uns, und teilweise ermöglichte er uns erst, diese politischen Themen zu entdecken und eine Haltung dazu zu finden. Das geht uns so, aber auch vielen anderen Leuten. Wir haben schon öfter gehört, dass Feuer & Brot ein Einstieg für viele Leute war. Sie haben durch uns vielleicht etwas gelernt oder sind überhaupt erst auf bestimmte Themen gestoßen. Und ich glaube, das macht Feuer & Brot ein bisschen aus.
Maxi: Ja, und dadurch, dass bei uns auch in der Vergangenheit schon viele Aha-Momente passiert sind, können wir genau diese auch in unseren Zuhörer*innen wecken. Leute, für die diese Themen neu sind, können einsteigen und auch für Leute, die sich schon mehr damit beschäftigen, ist es oft trotzdem interessant. Diese Balance möchten wir finden.
Wie intensiv plant ihr eine Folge bzw. wie viel Raum für Spontaneität lasst ihr für eure Gespräche? Wie groß ist im Durchschnitt der Rechercheaufwand pro Folge?
Alice: Wir lassen sehr viel Platz für Spontaneität. Unsere Folgen sind immer am besten, wenn wir am Anfang gut recherchiert haben, uns einen gewissen Wissensstand erarbeitet haben. Wir machen eine relativ grobe Gliederung und lassen im Gesprächsverlauf viel Freiraum und zitieren auch frei aus den Recherchen. Unsere Einspieler planen wir nicht vorher, sondern nachher. Wir nehmen zuerst das Gespräch auf und ich schaue dann, welcher Einspieler sich an welcher Stelle eignen würde. Deshalb wird das Gespräch kurz unterbrochen, weil es auch diesen Prozess widerspiegelt von „Ah, hier ist noch ein Gedanke, oder?“ oder „Dazu passt übrigens das“ und dann wird es eingespielt. Es soll zeigen, dass unsere Gespräche sich in anderen Dingen wiederholen, die wir gesehen oder recherchiert haben, um unsere Talking Points zu unterstützen.
Maxi: 30 Tage zwischen den Folgen klingt nach mehr Zeit, als es am Ende ist. Meistens ist es so, dass, wenn die aktuelle Folge online geht, wir eine Woche „entspannen“ können, uns auf unsere anderen Jobs und Projekte konzentrieren. Währenddessen fragen wir uns aber schon, was das nächste Thema wird. Dann sprechen wir meistens schon mal drüber. (Lacht) Weil wir Freundinnen sind, können wir das ja netterweise ganz normal beim Kaffee oder beim Spazierengehen machen. Ich setze mich dann meistens an die Recherche, hole mir vielleicht noch Input von Alice, wenn sie schon Dinge auf dem Schirm hat, die gut passen würden. Dann schicke ich Alice alles rüber, die alles dann für uns gliedert und wir haben einen Plan, wie die Folge aussehen könnte. Wenn alles für uns passt, nehmen wir die Folge auf. Es dauert auch noch mal, einen Termin zu finden, weil wir wie gesagt, auch noch andere Jobs haben. Dann geht die Folge in den Schnitt bei Alice, was ebenfalls einige Arbeitsstunden bis Tage in Anspruch nimmt.
Alice: Insgesamt würde ich sagen, investieren wir für Feuer & Brot eine Woche – mit Vorbesprechung, Recherche, Aufnahme, Schnitt und Distribution. Maxis Aufgabe oder Bereich beinhaltet auch das Posting, nämlich das Verteilen und die Nachbearbeitung. Natürlich ist man nicht eine Woche am Stück beschäftigt, sondern das läuft nebenher.
Maxi: Was vielleicht interessant ist: Viele Menschen haben, wenn man über Podcasten spricht, nicht auf dem Schirm, dass es nicht um „eben schnell mal hochladen“ geht. Es geht gar nicht mal so schnell, sondern dauert bei uns auch nochmal mindestens eine bis anderthalb Stunden, bis die Folge auf allen Kanälen mit dem Cover und Text hochgeladen ist. Das Cover mache ich meistens auch, entweder nachdem ich die Folge gehört habe, oder vorher schon. Und dann muss es überall platziert werden.
Alice: Alles dauert länger, als man denkt. Aber tatsächlich ist es so, dass manche Folgen schneller fertig sind und manche länger brauchen. Wir haben schonmal Folgen aufgenommen, gerade in der Zeit, wo ich an meinem Buch geschrieben habe und wenig Zeit hatte, wo ich kaum schneiden konnte und die Folge fast ungeschnitten hochgehen musste. Die Folge übers „30 Werden“ ist beispielsweise relativ ungeschnitten hochgeladen worden. Trotzdem ist es eine Folge, für die wir viel positives und persönliches Feedback bekommen haben. Möglicherweise, weil es so ein persönliches Thema ist.
In einer eurer jüngsten Folgen sprecht ihr über verschiedene Kommunikationsdynamiken. Wie schafft ihr es, einen Mittelweg für euch selbst zwischen beispielsweise ‘toxic positivity’ und ‘unapologeticness’ zu finden?
Alice: Ich glaube, es macht wahrscheinlich das Gespräch unter Freundinnen aus. Wir sind sehr ehrlich voreinander und haben nicht dieses Gefühl, wir müssen jetzt eine Rolle einnehmen. Wir sind wirklich sehr authentisch miteinander und vor allen Dingen würden wir auch sofort merken, wenn die andere nicht ehrlich zu einem ist und eine Rolle vorspielt. Ich glaube, wir halten uns gegenseitig ehrlich, weil wir einfach diesen großen Luxus haben, dass wir uns schon so lange kennen und dieses Vertrauen und auch diese Sicherheit haben. Dadurch können wir ehrlich, aber auch unsicher voreinander sein und uns auffangen, wenn wir bei einem komplizierten Thema nicht weiterwissen. Es ist eine Haltung, wo sich viele Leute aufgehoben fühlen.
Maxi: Ich glaube auch, dass Feuer & Brot ausmacht, dass wir nicht behaupten, es gäbe simple Antworten auf komplizierte Fragen. Das heißt, manchmal gibt es natürlich eindeutige Antworten, aber wir lassen immer Ambivalenzen zu und gehen auch offen damit um, wenn wir selber bei Dingen unsicher sind und uns zu den ganz großen Fragen unserer Zeit noch nicht explizit positionieren können. Wir gehen auch sehr offen damit um, dass wir Folgen reflektieren und Meinungen und auch mal Gesagtes revidieren möchten. Diese Transparenz hält uns so authentisch, da wir nicht vorspielen müssen, dass wir keine Fehler machen würden.
Gibt es eine Folge, die ihr neuen Zuhörer*innen empfehlen möchtet oder die euch persönlich am Herzen liegt?
Alice: Schwer zu sagen. Ich glaube, die Live-Folge „In sechs Stufen zum Feminismus“ wäre eine gute Einstiegsfolge, weil wir hier diesen Weg zur Politisierung reflektieren. Die Folge ist auch sehr witzig geworden, die Stimmung ist gut und wir lachen viel miteinander. Das ist eine Folge, die ich sehr gerne mag, weil sie auch mit diesem schönen Auftritt, den wir hatten, verbunden ist. Was denkst du, Maxi?
Maxi: Ich kann alles, was von Alice gesagt wurde, unterschreiben. Es ist eben schwer zu sagen. Es kommt sehr darauf an, wer mich fragen würde, weil es auch sehr persönliche Folgen gibt, die mich sehr berühren, vor allem diejenige, in denen wir über Gefühle sprechen. Viel Feedback kam z. B. letztes Jahr zu der Folge „Ambiguous Loss“. Es kamen viele sehr persönliche Nachrichten von Zuhörer*innen, denen die Folge Worte für ein noch unbenanntes Gefühl geben konnte. Gleichzeitig gibt es natürlich Folgen, wo ich sage: „Die sind einfach richtig klasse inhaltlich, teilt die ruhig gerne!“, wie z. B. bei der Folge „White Saviourism“, mit klarer Struktur und viel Input. Von daher ist es sehr unterschiedlich, wem ich welche Folge empfehlen würde.
Was sind eure Pläne für die Zukunft des Podcasts?
Alice: So richtig ausführlich darüber sprechen können wir noch nicht, aber es gibt natürlich unterschiedliche Pläne, die auch über dieses einmonatige Veröffentlichen hinausgehen könnten. Wir bemerken auch immer wieder, dass unsere Zeit natürlich irgendwo limitiert ist und wir schauen müssen, wie wir den Podcast mit unseren anderen beruflichen Tätigkeiten balancieren können. Worüber wir uns freuen würden, ist noch ein paar Liveauftritte bzw. eine kleine Tour zu machen, unterschiedliche Städte zu besuchen und vor Publikum den Podcast zu machen. Das finden wir immer sehr schön und das hatten wir eigentlich schon im vergangenen Jahr vor. Wir versuchen es dieses Jahr noch mal. Die Daumen sind gedrückt und unser Management arbeitet daran.
Maxi: Genau, das wäre so schön. Wir haben letztes Jahr in Hamburg noch einmal live draußen sein können. Wir durften aber danach nicht wirklich mit den Leuten zusammentreffen. Wir hätten zum Beispiel auch gerne selber unsere Shirts verkauft und dann auch mit den Leuten gequatscht, was leider nicht möglich war. Es hat uns fast das Herz gebrochen. Deswegen wäre das ein Wunsch, dass wir vielleicht einige Liveauftritte machen und mit den Leuten zumindest ein bisschen in Kontakt treten können, da das einer der schönsten Nebeneffekte dieses Podcasts ist.
Das Interview führten Giulia Delrio und Berit Viola. Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.
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