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Positionieren statt Ignorieren

Screenshot "Tupoka Ogette auf Instagram"
Screenshot "Tupoka Ogette auf Instagram"
Screenshot „Tupoka Ogette auf Instagram“

„Verlasse das Happyland, übernehme Verantwortung und setze dich aktiv gegen ein diskriminierendes System ein.“ Das ist die Devise von Antirassismustrainerin und Autorin Tupoka Ogette, die auf ihrem Instagram-Kanal auf kreative Art und Weise Menschen dazu bewegen möchte, rassistische Verhaltensweisen im Alltag selbst zu reflektieren und zu dekonstruieren. Sie begleitet Menschen auf ihrer Reise zum rassismuskritischen Denken und gleichzeitig gibt sie anderen Betroffenen eine Plattform, um gehört zu werden.

„Tupoka Ogette auf Instagram ist für den Grimme Online Award 2021 in der Kategorie „Wissen und Bildung“ nominiert. Im Interview lässt uns Tupoka Ogette hinter die Kulissen ihrer Arbeit auf Instagram blicken und erzählt uns von ihrem neuesten Projekt, der Tupokademie.

Social-Media-Plattformen gehören heute zu den wichtigsten Kommunikationsquellen. Was kann Social Media im Kampf gegen und bei der Aufklärung über Rassismus leisten?

Social Media ist in den letzten Jahren stark gewachsen und viele Gesellschaftsdiskurse laufen dort ab. Was ich an Social Media super finde, ist, dass es barrierearm ist. Es ist zugänglich für sehr viele Menschen, die dadurch ihre Stimme kundtun können, gehört werden und an Diskursen teilhaben können. Gleichzeitig erreicht man in kurzer Zeit eine riesige Menge an Menschen und durch die Schnelllebigkeit von Social Media kann man aktuelles Tagesgeschehen jederzeit sichtbar machen. Menschen können Dinge teilen, sich einbringen, und so können Diskurse weg von den Mainstream-Medien geführt werden, wo Menschen und bestimmte Positionen nicht gehört werden. Gerade im Kontext von Rassismus haben wir letztes Jahr gesehen, was für eine Macht Social Media hat, wenn es darum geht, rassistische Fälle zu dokumentieren.

Welche Gefahren sehen Sie im Kampf gegen und bei der Aufklärung über Rassismus auf Social Media?

Dadurch, dass so viele Menschen Zugang haben zu Social Media, passieren dort auch Dinge, die höchst problematisch sind. Es ist auch ein Raum, wo rechtsextremistische Strömungen Platz suchen und diesen auch finden. Menschen können sich im Kampf für Rassismus und für eine rassistische Gesellschaft verbünden, genauso wie der Widerstand gegen Rassismus und auch andere Diskriminierungsformen dort stattfinden kann. Das ist eine Kehrseite von Social Media.

Gerade Social-Media-Plattformen sind ja bekannt dafür, dass dort auch viel Hass verbreitet statt konstruktiv diskutiert wird. Einsicht und Empathie scheint für viele ein Fremdwort zu sein. Wie gehen Sie mit solchen Hasskommentaren auf Social Media um?

Natürlich geht einem das nah und man versucht, sich davon abzugrenzen und durch den Tag zu kommen. Aber ich glaube, das ist der Preis, den die Menschen zahlen müssen, die sich für gesellschaftskritische Themen einsetzen und sich dem durch ihre Sichtbarkeit aussetzen. Dies gilt besonders für Frauen, die dem gekoppelt mit Sexismus und, in meinem Fall, zusätzlich mit Rassismus ausgesetzt sind. Ich gehe damit um, wie sehr viele damit umgehen. Es ist natürlich nicht leicht, aber man versucht, sich so gut wie möglich zu schützen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, sich davon nicht einschüchtern zu lassen.

Ich bin auf Instagram und Facebook tätig, aber nicht auf Twitter, was eine bewusste Entscheidung ist, da es dort eine andere Gesprächskultur gibt.

Sie teilen Ihre Gedanken in Form von kritischen Fragen mit Ihren Followern und Followerinnen, die zum Nachdenken anregen. Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre kreativen Posts?

Viele meiner Posts haben mit meiner Arbeit zu tun. Denn ich bin in erster Linie Antirassismustrainerin und Beraterin im Bereich Rassismuskritik, was 90 Prozent meiner gesamten Arbeit ausmacht. Dabei begleite ich Menschen auf einer rassismuskritischen Reise im Alltag, in großen Firmen und vielen unterschiedlichen Kontexten und Parteien. Die Begegnungen, die ich dort in diesen Workshops habe, die inspirieren das, was ich auf Social Media mache. Ich merke, dass es bestimmte Diskurse und Fragestellungen gibt, die immer wieder auftauchen, dass es bestimmte Begrifflichkeiten gibt, die immer wieder diskutiert werden, und in welchen Bereichen die Menschen viele Fragen haben. Für mein Team und mich ist Social Media eine weitere Plattform, rassismuskritische Inhalte zu teilen und um ins Gespräch zu gehen mit unserer Community.

Außerdem haben wir verschiedene Serien wie zum Beispiel den „Black Artist Monday“, wo wir eine Plattform schaffen möchten für schwarze Künstler*innen, die mehrheitlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz leben und wirken, um deren Kunst zu teilen.

Auf Ihrem Instagram-Profil erkennt man, dass Sie regelmäßig im Austausch mit Ihrer Community stehen, wie zum Beispiel bei der „Freitagsfrage“, die zum Austausch über rassismuskritische Handlungen und Denkweisen dient. Erlangen Sie durch den Austausch mit Ihrer Online-Community Anregungen für neue Themen oder Inhalte, die für Ihre Arbeit auf Instagram relevant sind?

Screenshot "Tupoka Ogette auf Instagram"
Screenshot „Tupoka Ogette auf Instagram“

Der Austausch mit Menschen schafft immer wieder neue Ideen und Inspirationen. Was mich bei Social Media berührt, ist die Masse. Man kann einerseits in den individuellen Diskursen, aber vor allem in der Masse sehen, wie viele Menschen ein bestimmtes Problem beschäftigt oder wie viele eine bestimmte Frage haben. Daraus ziehen wir neue Inspirationen. Denn wir sehen, welche Fragen überdurchschnittlich oft diskutiert wurden, bei welchen Themen Menschen hängen geblieben sind und wo sie noch Unsicherheiten aufweisen. Besonders wenn es um Rassismus geht und darum, über Rassismus sprechen zu lernen, gibt es viele Unsicherheiten in unserer Gesellschaft. Als Beispiel dafür dient das „Rassismuskritische Alphabet“, das wir als Serie hatten. Dort haben wir zu jedem Buchstaben einen Begriff aus dem Kontext von Rassismus und Rassismuskritik geteilt. Viele Inspirationen dazu kamen aus Interaktionen, die wir mit Follower*innen und in Workshops hatten.

Jeden Montag stellen Sie auf Ihrem Instagram-Kanal eine/n schwarzen Künstler*in unter der Rubrik „Black Artist Monday“ vor. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Künstler*innen aus?

Bei uns ist es so, dass wir die Menschen einladen, sich bei uns zu melden. Die bewerben sich bei uns mit ihrem Kunstwerk und erzählen ein bisschen von sich. Wir legen da nicht wirklich einen großen Kriterienkatalog an. Generell würden wir natürlich gerne alle featuren, aber uns ist es wichtig, besonders eben auch schwarze Frauen, non-binäre Menschen und Trans-Menschen zu empowern und denen in diesem Kontext eine Plattform zu geben, weil bestimmte Positionen immer wieder marginalisiert werden. Da ist es uns superwichtig, z.B. nicht nur schwarze Cis-Männer zu featuren, die Kunst machen, sondern eben auch alle anderen Menschen, die Kunst machen.

Haben Sie persönlich einen Lieblings-Black-Artist, den Sie bereits vorgestellt haben?

Mit meinem Lieblings-Artist bin ich verheiratet. Stephen Lawson ist mein Ehemann. Der ist Bildhauer und auf jeden Fall mein absoluter Favorit. Ansonsten kann ich das gar nicht so sagen. Ich finde, Kunst generell ist einfach ein ganz wichtiger Baustein unserer Gesellschaft. Es berührt mich einfach, wie kreativ Menschen sind, auf welche Möglichkeiten der Ausdrucksformen sie kommen und gerade in Kontexten, wo sie diskriminiert werden, wo sie marginalisiert werden, wo sie sich empowern – welche Kraft die Kunst da entfalten kann und wie wichtig Kunst für uns als Gesellschaft ist und auch als Widerstandskraft. Da könnte ich überhaupt gar nicht eine Person nennen. Alle Artists sind mir da sehr ans Herz gewachsen.

In einem Ihrer Instagram-Beiträge geben Sie an, dass Ihre Arbeit auf Social Media 10 Prozent Ihrer gesamten Arbeit ausmachen. Wen möchten Sie speziell auf Instagram erreichen?

Es ist eine Einladung. Generell ist meine Arbeit, die ich mache, auch außerhalb von Instagram, immer eine Einladung auf ein Gespräch. Meine Einladung steht allen Menschen offen, die Interesse daran haben, eine Gesellschaft mitzukreieren, die rassismusärmer ist. Mein Gesprächsangebot hört da auf, wo der rechte Rand anfängt. Da diskutiere ich nicht mehr, aber es sind alle Menschen angesprochen und eingeladen, die sich mit Rassismus auseinandersetzen wollen, die rassismuskritischer werden wollen und die selbst rassismuskritisch denken lernen wollen und Verbündete im Kampf gegen Rassismus werden wollen.

Sie haben vor kurzem Ihr neues Projekt auf Instagram angekündigt, die Tupokademie. In Ihrem Instagrampost erwähnen Sie, dass Sie monatelang an diesem Projekt gearbeitet haben. Was können Sie uns zu dem Projekt erzählen?

Screenshot "Tupoka Ogette auf Instagram"
Screenshot „Tupoka Ogette auf Instagram“

Die Tupokademie ist eine Online-Akademie. Die haben wir gestartet, als der erste Lockdown letztes Jahr losging. Wir haben gesagt, dass es wunderbar wäre, noch mehr Menschen auf eine rassismuskritische Reise mitzunehmen. Es sind drei verschiedene Kursmodule, mit denen Menschen zuhause bei sich rassismuskritisch denken lernen können, über einen Zeitraum von acht Wochen. Wöchentlich bekommen sie verschiedene Inputs von uns und schauen sich Erklärvideos an. Sie werden durch ein Journal begleitet, wo sie Fragen von uns gestellt bekommen und wo sie sich in ihrem Alltag rassismuskritisch weiterbilden können. Das ist auf jeden Fall ein Projekt, was uns sehr am Herzen liegt.

Wie wichtig ist die Arbeit im Team bei so einem großen Projekt?

Die ist natürlich essentiell. Ohne mein Team wäre ich, glaube ich, nur halb so weit, wo wir jetzt stehen. Ich habe ein ganz wunderbares Team und wir arbeiten sehr eng zusammen. Das ist total wichtig, wenn man sich aufeinander verlassen kann, wenn man sich gegenseitig inspirieren kann, wenn man sich aber auch irgendwie unterstützen kann, wenn es mal wieder schwierig wird. Es ist immer wichtig. Wie in einer großen Gesellschaft, so ist es auch im kleinen Team wichtig, unterschiedliche Perspektiven mit am Tisch zu haben, damit wir Sachen nicht übersehen oder damit wir Sachen vorantreiben. Das ist essentiell.

Welche Rolle spielen Ihre Follower*innen bei der Entstehung eines neuen Projektes wie diesem?

Ich glaube, die größte Rolle hat Corona gespielt. Meine Follower*innen können natürlich auch Kundinnen sein. Durch Corona, durch die Pandemie wurde einfach auch ganz viel in den Online-Bereich verlagert und wir haben eben auch sehr viel Zeit auf den Plattformen verbracht. So viele Live-Videos oder ähnliche Formate, wie es seit Beginn der Pandemie auf Instagram und anderen Plattformen gibt, gab es vorher nicht. Natürlich hat das auch nochmal Einfluss gehabt, auch dass wir jetzt viel mehr online miteinander kommunizieren. Ich hoffe auch, dass wir durch die Tupokademie eine Online-Community schaffen können, in der Menschen sich von da aus nochmal weiter finden, miteinander sprechen, lernen und wachsen können.

Zum Abschluss unseres Interviews wollten wir Sie noch fragen, ob Sie ein Zitat oder Gedicht aus Ihrem Instagram-Account haben, das Sie besonders berührt und das Sie gerne mit uns und unseren Leser*innen teilen möchten?

Ein Zitat, was mich schon lange begleitet und meine Arbeit auch sehr geprägt hat und das wir auch auf Instagram geteilt haben, kommt von Dr. Maya Angelou. Sie sagt, man soll wütend sein, aber nicht bitter, weil Bitterkeit den Wirt von innen heraus frisst, wie ein Krebs. Wütend sein, ist etwas, was man tun kann. Man kann Wut schreiben, man kann Wut singen, man kann Wut tanzen, man kann Wut erklären, diskutieren usw. Das ist etwas, was man tun kann und ich glaube, das ist etwas, was mich auch antreibt. Die Wut über Rassismus in dieser Gesellschaft ist manchmal so groß, aber ich möchte nicht, dass sie mich auffrisst, sondern, dass wir diese Wut irgendwie auch nutzen und transformieren können in etwas, was letztendlich zu einer rassismusärmeren Gesellschaft führen kann.

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Screenshot Tupoka Ogette im Zoominterview

Das Interview führten Michelle Jastrow und Melanie Weiß. Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.

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