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Ein Podcast, der Menschen zusammenbringt

Screenshot "Queerkram"
Screenshot "Queerkram"
Screenshot „Queerkram“

Wie queerfeindlich ist Deutschland eigentlich? Und was können alle für mehr Chancengleichheit tun? Fragen wie diesen widmet sich Nollendorfblogger Johannes Kram in seinem Podcast „Queerkram„. In bisher 21 Folgen gibt er spannenden und diversen Menschen aus der LGBTI*-Community und darüber hinaus eine Stimme und spricht mit ihnen intensiv und persönlich über drängende Themen wie Homophobie, queere Sichtbarkeit oder die Situation von LGBTI* in der Gesellschaft, Kultur und Medien.

„Queerkram“ ist für den Grimme Online Award 2021 in der Kategorie „Kultur und Unterhaltung“ nominiert. Im Interview erzählt Podcast-Host Johannes Kram, was ihn im Kampf für mehr Vielfalt, Toleranz und Diversität in unserer Gesellschaft bewegt und was ihn trotz einiger Widerstände inspiriert weiterzumachen. 

Der Podcast wird von dir als bekannter Persönlichkeit der Szene und von queer.de, Deutschlands stärkstem LGBTI*-Online-Medium, präsentiert. Was hat euch motiviert, gemeinsam einen Podcast zu machen?

Ich habe schon seit über 12 Jahren meinen Blog und erreiche damit viele Menschen. Aber ein Podcast bietet einfach die Möglichkeit mit einer anderen Perspektive und einem persönlicheren Zugang, Themen zu behandeln. Also haben wir kurz vor der Pandemie beschlossen, in Kooperation diesen Podcast zu machen. Ich mache das eigenverantwortlich, aber durch die Einbindung auf queer.de ist es möglich, die Community in ihrer ganzen Breite anzusprechen. Die Motivation ist die gleiche wie bei meinem Blog: Ich möchte, dass wir über die Situation unserer Minderheiten ins Gespräch kommen und über die Kämpfe, die wir noch auszufechten haben. Auch um Verbindungspunkte in der Community zu beleuchten und um die unterschiedlichen Themen für alle ein bisschen verständlicher zu machen.

Du hattest bislang 21 Folgen mit diversen Gästen. Wie suchst du dir die Gäste aus?

Screenshot "Queerkram"
Screenshot „Queerkram“

Also erstmal habe ich den Anspruch, sehr, sehr divers zu sein. Das heißt, ich möchte die Community abbilden, und zwar nicht nur hinsichtlich der einzelnen Identitäten, sondern auch intersektional und was die verschiedenen Generationen, Themen und kulturellen Lebenswelten betrifft. Also auch ein Interesse für Menschen wecken, mit denen man sich sonst nicht beschäftigt hätte. Das ist natürlich nicht immer einfach, aber ungeheuer spannend. Es heißt ja heute, dass die Gesellschaft in immer mehr Einzelteile zerfällt und dass besonders in den Communities jeder in seiner eigenen Blase unterwegs ist. Aber ich glaube, dass man viel mehr Gemeinsamkeiten sieht, wenn man auf eine persönliche Ebene kommt. Ich lade Leute ein, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie etwas zu erzählen haben, das über die eigene Geschichte hinausweist. Das kann etwas sein, das vielleicht auf den ersten Blick für viele Leute fremd oder etwas unverständlich wirkt. Aber ich habe das Gefühl, dass man so Türen öffnen kann, und wenn man sich die Themen näher anschaut, dann schlussendlich auf mehr Empathie stößt. Außerdem lade ich Leute ein, die auf irgendeine Art und Weise den Fortschritt in unserer Gesellschaft in punkto Anti-Diskriminierung miterkämpft haben. Diese Leute möchte ich in meinem Podcast auch feiern. Dafür, dass sie den Mut hatten, sich mit ihrer eigenen Perspektive und ihren eigenen Themen rauszutrauen und das auch durchgezogen haben. Das sind schon auch einfach Held*innen, die ich zu Gast habe. Klar, ich frage auch kritisch, mein Podcast ist keine Schmuserunde und es geht auch kontrovers zu – aber das Grundgefühl einer Dankbarkeit, dafür, dass es diese Menschen gibt, ist definitiv da. 

Man will es – gerade im 21. Jahrhundert – gar nicht wahrhaben, trotzdem ist Homophobie ein großes, immer aktuelles gesellschaftliches Problem. Wirst du manchmal müde, dich bei den eher langsamen Fortschritten in der Gesellschaft immer wieder für die Sichtbarkeit der LGBTI*-Community stark zu machen?

Was vor allen Dingen müde macht, ist, dass man eigentlich immer wieder die gleichen Dinge erklären muss. Die Argumentationsmuster bleiben meist dieselben und die Leute sagen immer noch: „Aber ich habe doch nichts gegen Lesben oder Schwule oder Trans-Menschen, weil ich doch jemanden kenne, der auch lesbisch, schwul oder trans ist.“ Es ist schon sehr schade, dass sich in unserer Gesellschaft wenige wirklich damit beschäftigen, wie es einem Großteil dieser Minderheiten tatsächlich geht. Die meisten denken, dass das Thema doch jetzt durch sei, weil Homosexuelle ja jetzt heiraten können, aber tatsächlich ist noch sehr viel Diskriminierung da – es ist teilweise sogar noch schwerer geworden, über Diskriminierung zu sprechen. Ich nenne nur ein Beispiel: Nur ein Drittel aller queeren Menschen sind out im Job. Coming-Out ist immer noch ein Riesenproblem, das zeigen aktuelle Studien. Auch die Gewalt gegen Homo- und Transsexuelle ist ein großes Problem. Und dann wird immer mehr so getan, als wären das elitäre Debatten irgendwelcher Kaffee-Latte-Macchiato-Trinker, die an den „einfachen Menschen“ mit nicht so privilegierten Jobs vorbeigehen. Aber wir sind auch diese einfachen Menschen. Wir sitzen auch an der Supermarktkasse, wir sind auch in den Fabriken, wir sind auch prekär beschäftigt und haben deshalb oft mit doppelter Diskriminierung zu kämpfen.  Einmal durch die wirtschaftlichen Bedingungen und dann zusätzlich dadurch, sich verstecken zu müssen und dauernd auf der Hut zu sein. Wenn du am Arbeitsplatz nicht frei sein kannst und deine Identität nicht frei leben kannst, macht das krank – auch das belegen viele Studien. Es behindert die Karriere und die Jobchancen, aber es behindert auch das Glücklichsein, die psychische und physische Gesundheit. Und dass die Mehrheitsgesellschaft sich da so gar nicht für interessiert und sagt „Was wollen die denn?!“ – das macht nicht nur müde, es frustriert mich auch und macht teilweise wütend. Wenn mich Leute, die mit dem Thema nicht viel zu tun haben, darauf ansprechen, dann erkläre ich es gerne – wie die meisten in der Community es auch tun. Aber kein Verständnis habe ich, wenn Leute, die es besser wissen müssten, sich nicht zu schade sind, ein ungutes Gefühl in der Gesellschaft zu schüren, indem sie Identität gegen Gerechtigkeit ausspielen wollen und so tun, als ginge es irgendjemandem in unserer Gesellschaft schlechter, nur weil wir nun endlich mehr Rechte haben.

Hast du manchmal mit Gegenwind zu kämpfen?

Natürlich stehen immer Vorwürfe im Raum, dass man sich nur wichtig machen will. „Müsst ihr euch auf euer Queersein reduzieren?“, heißt es dann. Dabei reduziert sich ja niemand. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind nur einzelne Aspekte von Identität und es geht nur darum, dass diese genauso selbstverständlich sein können wie bei nicht-queeren Menschen, aber dafür müssen sie eben auch genauso sichtbar sein können. Aber alleine das stößt schon oft auf Unverständnis. Gerade in Deutschland sind so viele Leute der Meinung, dass sie so liberal sind, dass sie es gar nicht nötig haben, sich über Homophobie und Queerfeindlichkeit Gedanken zu machen. Und bei dieser Haltung ist es sehr schwer zu erklären, um was es uns eigentlich geht.

Wie gehst du damit um?

Es kommt darauf an, ob jemand wirklich interessiert ist, etwas zu erfahren, oder ob dir jemand einfach nur mitteilen möchte, dass er sich nicht interessiert und auch nicht interessieren muss. Ich glaube, die Frage in unserer Gesellschaft ist generell, ob wir Debatten führen, um Debatten zu führen oder ob wir Debatten führen, um etwas Neues zu erfahren und weiterzukommen. Oft geht es bei den Debatten über Minderheiten und das, was Identitätspolitik genannt wird. Dabei geht es nicht darum, konkret zu erfahren, wie es den betroffenen Menschen wirklich geht, sondern nur darum, einen theoretischen Fall zu konstruieren, über den man sich dann schön aufregen kann.  Das ist das eigentliche Problem. Es müsste ja gar nicht so kompliziert sein, wenn man einfach mal ein bisschen empathisch ist.

Wo wünschst du dir zuerst einen strukturellen Wandel für mehr Chancengleichheit?

Überall da, wo Macht ist, muss diese Macht gerechter verteilt, Diversität organisiert und durch Aktionspläne gefördert werden. Das gilt für die Wirtschaft, aber auch für die Medien in den Redaktionen und für Strukturen im Theater. Wichtige Positionen müssen anders besetzt werden und ohne Quoten und Diversitätskriterien wird bei Zusammensetzungen von Gremien und Förderentscheidungen in vielen Bereichen wahrscheinlich nichts gehen. Es muss die Möglichkeit geben, sich bei Diskriminierung und Mobbing Hilfe zu holen, die dann auch wirklich stattfindet. Das erleben wir ja sehr oft – auch beim Thema Sexismus und Rassismus: wenn jemand seinen Mund aufmacht, wird er total beschossen. Da braucht es Sicherheiten, um sich angstfrei äußern und verteidigen zu können. Vor allem was die Medien – also fiktive Stoffe – betrifft, muss endlich die Gesellschaft so divers abgebildet werden, wie sie ist – und das passiert einfach nicht. Ein Film, der heute spielt, sollte auch die Gesichter zeigen, die es heute gibt und nicht die, die wir in den 50ern fotografiert haben.

Wer war deine erste positive queere Figur oder dein erstes queeres Vorbild?

Das ist total krass, dass ihr mich das fragt. Ich habe diese Frage schon ganz vielen anderen Menschen gestellt. Ich weiß aber gar nicht, ob ich die selber schon mal beantwortet habe. Aber was ich immer merke, wenn ich diese Frage stelle, ist, dass viele Leute aus meiner Generation das ganz und gar nicht sagen können. Als wir damals jung waren, gab es diese Vorbilder nicht, die wir gebraucht hätten. Ich weiß, dass es heute anders ist, aber ihr müsst es euch so vorstellen: Als ich jung war, da war nicht mal Elton John geoutet. Es gab schon Leute, bei denen man es irgendwie ahnte, aber die waren dann nicht offiziell schwul, selbst Freddy Mercury hat sich im Endeffekt ja auch erst einen Tag vor seinem Tod geoutet. Jimmy Somerville mit seinen Songs Why und Small Town Boy war für mich wichtig. Das waren so die Songs, die mir vermittelt haben „Hey, da gibt es doch Leute, die verstehen, wer du bist und wo du gerade im Leben stehst.“

Screenshot Zoom: Johannes Kram im Interview

Das Interview führten Lina Steinbrink und Felicitas Godtmann. Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen im Bachelor-Studiengang „Mehrsprachige Kommunikation“ an der TH Köln.

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