Wahr oder Falsch? – Das ist hier die Frage
Ein Beitrag von Marie-Luise Raupach
Fake News und Verschwörungen: spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr sind die Begriffe einem Großteil der Menschen bekannt und könnten aktueller nicht sein. Ein Blick auf die Liste der Vorschläge zum Grimme Online Award 2021 zeigt, dass viele Angebote auf Aufklärung zu diesem Themenkomplex setzen und mit ihren Formaten sensibilisieren möchten im Umgang mit der Flut an täglichen Nachrichten. Neben reinen Faktenchecks gibt es in diesem Jahr einige interaktive Angebote, die vor allem die Entstehung und Eigenlogik von Falschinformationen in den Fokus nehmen und über die Zusammenhänge von Desinformation, politischen Ideologien und Verschwörungen informieren – bis hin zum Umgang mit Hate Speech, denn allzuschnell verwandeln sich Fake News und Verschwörungen zu Hass im Netz.
Hier kommt das Angebot des BR ins Spiel, das unter dem Namen #Faktenfuchs kursierende Meldungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Das Angebot gibt es nicht erst seit der Pandemie, erlangt aber besonders jetzt eine erhöhte Aufmerksamkeit. Mit Social Listening, also dem Durchforsten von Kommentarspalten, Diskussionsforen oder Zuschauernachrichten, spürt das Team der Redaktion auf, was die Gesellschaft aktuell umtreibt. Dabei werden Videos, Bilder, Aussagen von Politiker*innen und Meldungen auf Richtigkeit überprüft und in einer Datenbank zusammengetragen. Die recherchierten Beiträge können so beispielsweise Social Media Redakteur*innen im Community Management helfen, um schnell und einfach mit Fakten auf die Kommentare unter den Beiträgen zu reagieren und somit in den Austausch mit den User*innen zu treten.
Um Falschnachrichten von wahren Informationen und Fakten unterscheiden zu können, ist es auch hilfreich zu verstehen, mit welcher Systematik sie verbreitet werden. Die zwei folgenden Angebote nähern sich niederschwellig diesem Thema und klären besonders junge Menschen über die Entstehung von Desinformation, aber auch Verschwörungsmythen, auf.
Das Projekt Wiebkes Wirre Welt, finanziell gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung, zeigt, welche negativen Effekte „Echokammern“ haben können und Mitursache für den Glauben an Verschwörungen sind. In der interaktiven Web-Anwendung beobachtet man Wiebke als Spion, während sie in ihrem Keller immer weiter in Verschwörungsgedanken hineingerät. Denn dort, wo andere Zufälle sehen, steckt für sie ein großer Plan dahinter – mit dem Ziel, ihr zu schaden. Die User*innen können sich in Wiebkes Raum umsehen, in ihren Computer und ihre Schränke schauen und haben die Möglichkeit, etwas zu Themen wie der QAnon-Bewegung, Rechtsextremismus, Antisemitismus aber auch den psychologischen Faktoren bei Verschwörungsgruppen zu erfahren.
Wie gezielt mit Desinformation Personen des öffentlichen Lebens Schaden zugefügt werden kann, zeigt das Projekt UnFAKE der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Webvideoprojekt, das in Zusammenarbeit mit den YouTubern El Margo (1,3 Mio Abonnenten) und SelfieSandra (290.000 Abonnenten) entstanden ist, richtet sich an junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren und spricht insbesondere die YouTube-Generation an. So wurden im Rahmen des Projekts insgesamt drei Videos über einen kurzen Zeitraum gepostet, in denen El Margo auf einer Instagramseite als Corona-Leugner dargestellt wird. Auch seine Kollegin SelfieSandra ist dort als Teilnehmerin einer Anti-Corona-Demo zu sehen, auf der sie nie gewesen ist. Im dritten Video klären die Creators auf, dass sowohl die Instagram-Seite als auch die Storyline inszeniert wurden. Das Videos selbst sind ein Lehrstück darüber, wie einfach Gerüchte über Personen durch Foto- oder Videomontage und Falschaussagen auf vermeintlich verlässlichen Seiten verbreitet werden können. UnFAKE sensibilisiert somit niederschwellig im Umgang mit Nachrichten auf sozialen Medien und gibt Tipps, wie man den Wahrheitsgehalt einer Information selbst überprüfen kann. Als Unterstützung wurden unter den Videos Fachleute der bpb aktiv und beantworteten der Community Fragen zu dem Thema.
Wenn sich die Landeszentrale für politische Bildung NRW mit dem Thema Hate Speech und Fake News auseinandersetzt, macht sie das unter anderem mit ihrem Format Digitale Demokratiekompetenz. Dieses Angebot zeigt, wie wichtig das Erkennen von Fake News und Verschwörungsmythen auch im Sinne einer Demokratieförderung ist. Denn immer mehr spielt sich unser Leben, auch in politischer Hinsicht, in der digitalen Welt ab. In kurzen Erklärvideos und Online-Informationsbroschüren wird beispielsweise Fragen wie „Warum sind unsere Daten so wertvoll?“ oder „Wie können wir selbst in der digitalen Welt an politischen Entscheidungen partizipieren?“ nachgegangen und Themen wie digitale Recherche, Online-Beteiligung und auch digitale Zivilcourage ausführlich aufbereitet.
In puncto digitale Zivilcourage engagiert sich auch der Twitteraccount Die Insider. Die Gruppe ist in AfD-nahen und rechten Facebook-Gruppen unterwegs, durchforstet die Kommentarspalten und Beiträge der User*innen und schaut genau hin, wenn im vermeintlich „rechtsfreien“ Raum Internet Hass, Falschmeldungen oder rechte Ideologien verbreitet werden. Auf der einen Seite oft kritisch rezipiert, zeigen Die Insider auf der anderen Seite mit dem Angebot, dass abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit im digitalen Raum nicht nur Kavaliersdelikte stattfinden. So posten sie die Beiträge geschwärzt auf ihren Kanälen, bringen die Kommentare zur Anzeige und leiten sie an die entsprechenden Stellen weiter.
Inwiefern antisemitische Ideologien mit Verschwörungen einhergehen, das beleuchtet Dr. Michael Blume, Beauftragter gegen Antisemitismus der Landesregierung Baden-Württemberg in seinem Podcast Verschwörungsfragen. In den etwa 20-minütigen Folgen thematisiert er auf den ersten Blick nicht-erkennbare Zusammenhänge zwischen Verschwörungsglaube und Antisemitismus. Thema ist auch, wie die Religion aus historischer und aktueller Perspektive wahrgenommen wird – dazu spricht Dr. Michael Blume beispielsweise über die Darstellung des Judentums in Superheldengeschichten à la Marvel oder inwiefern Antisemitismus auf Amazon zu spüren ist.
Diese kleine (unvollständige) Auswahl zeigt, dass Souveränität im Umgang mit Nachrichten im Netz in diesem Jahr ein großes Thema ist und auch im Hinblick auf die Demokratieförderung immer wichtiger wird, wie beispielsweise das Angebot der Landeszentrale für politische Bildung NRW zeigt. Besonders in Krisenzeiten ist es wichtig, sich selbst informieren zu können und zwischen Wahr und Falsch, zwischen Faktenvermittlung und gezielter Desinformation zur Erreichung persönlicher (politischer) Ziele unterscheiden zu können.
Inwieweit eines der hier präsentierten Beispiele die Nominierungskommission überzeugen konnte und somit eine Runde weiter auf dem Weg zum Grimme Online Award 2021 ist, wird sich am 22. April zeigen, wenn die diesjährigen Nominierungen bekannt gegeben werden.
Gut zu wissen, dass es in unserem Land Einrichtungen gibt, die sich mit dem Thema Fake-News
beschäftigen. Für die Demokratie ist es wichtiger denn je, wahre Aussagen zu verbreiten
und ebenso solche zu empfangen.
Guter Beitrag, weiter so!