#LernenMit….oder: Zwischen Kreidetafel und Discokugel
Das Netz ist Kommunikations-, Erinnerungs-, Kultur- und Lernraum. Nicht nur Eltern haben Letzteres zu schätzen gelernt, denn sinnvolle Freizeitangebote stehen hoch im Kurs in Zeiten des Lockdowns. Sie können eine gute Ergänzung sein zu dem, was schulisch gerade passiert und vor allem: nicht passiert. Und wenn das Lernen dann noch ohne Grübeln, große Anstrengung und langes Sitzen daher kommt – und zusätzlich einen publizistischen Mehrwert entfaltet – umso besser! Hier ein (unvollständiger) Blick auf Podcasts, Bewegtbildangebote und Apps auf der Vorschlagsliste, die als Lernangebote verstanden werden können und wollen.
#AufdieOhren
Die zahlreichen Podcasts bei den diesjährigen Einreichungen würden einen eigenen Blogbeitrag rechtfertigen, ungewöhnlich waren in diesem Jahr aber vor allem Hörstücke, die sich insbesondere an jüngere Zielgruppen richten und auf unterhaltsame Art „Wissen und Bildung“ vermitteln.
Wie sprechen eigentlich Tiere? Warum frieren Pinguine nicht? Diesen und vielen anderen Kinderfragen geht das Reportage-Team von „Süßes oder Saurier“ auf den Grund, dem Podcast des Berliner Naturkunde Museums für Kinder. Antworten liefern die dort beschäftigten Expertinnen und Experten. So entstehen kuriose Geschichten aus der Natur- und Tierwelt. Und selbst Erwachsene können hier noch etwas lernen (die ansonsten mit dem Podcast „Beats & Bones“ angesprochen werden).
Ganz ähnliche Entdeckungsreisen unternimmt „GEOlino Spezial – der Wissenspodcast“ und fragt zum Beispiel: Warum wissen wir so viel über die Eiszeit? Und gab es Falschmeldungen wirklich schon im alten Rom? Dazu gibt es viele Basteltipps, Spiele, Experimente und auch der Witz der Woche darf in keiner Folge fehlen.
Noch jünger ist die Zielgruppe von „Weißt du’s schon?“ (von Viertausendhertz), ein Podcast-Tier-Quiz für Kinder ab drei. Eine ähnliche Zielgruppe peilt der „Fidisophie – Quatsch- und Querdenken im Baumhaus“ -Podcast des Kika an, allerdings geht es hier um das Philosophieren mit Kindern. Inhaltlich geht es um Glück, Zeit, Angst und Mut und anderes mehr. Es sind die großen Fragen und Begriffe, die hier für die „Kleinen“ im Mittelpunkt stehen.
Bewegtbild ahoi
Nicht unbedingt im Mittelpunkt, aber doch eine feste Größe im Wettbewerb sind mittlerweile YouTube Videos. Sie haben es zu Nominierungen und schließlich auch zu Preisen im Grimme Online Award gebracht und nicht zu vergessen: zahlreiche Publikumspreise eingeheimst.
Außergewöhnlich in diesem Jahr ist die „Dulsberg Late Night“ Show des Hamburger Schulleiters Björn Lengwenus, die auf YouTube verfügbar ist – komplett mit eingeblendeter Discokugel am Anfang und einem veritablen „Talk-Tisch“ für Gäste. Dadurch wird schon klar, dass es nicht um die Vermittlung von Lernstoff geht. Intendiert war vermutlich zunächst nur, während der Corona-Zeit den Kontakt zu den Schüler*innen nicht abreißen zu lassen, sie konnten Videos und Fotos schicken, den Schulleiter im „Studio“ anrufen oder mit ihm interagieren. Entstanden sind dabei bemerkenswerte Innenansichten zum Homeschooling oder etwas feiner formuliert: Das Lernen wird als soziales Phänomen oder in seinen sozialen Voraussetzungen wirklich Ernst genommen und fernsehaffin umgesetzt. In jedem Fall kommt die „Dulsberg Late Night“ Show ziemlich unterhaltsam daher, aber ob hier ein publizistischer Mehrwert entsteht? Wird die Nominierungskommission entscheiden müssen. Eine „goldene Kamera“ steht schon mal auf der Haben-Seite und bescherte einen Besuch der Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis im „Reli-Unterricht“.
Regelmäßig streamt die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) eine „Politikstunde“ live auf Facebook, die im YouTube Kanal der BPB dokumentiert wurde und nach wie vor abrufbar ist – gemeinsam mit diversen Professor*innen, den Kolleginnen von Eurotopics und TeamGLOBAL sowie Student*innen der Politikwissenschaft und Bonn Postkolonial. Eine „Late Night Show“ ist das nicht, statt Discokugel ist das Symbol eine mit Kreide beschriebene Tafel, aber auch die „Politikstunde“ entfaltet ihre unterhaltsamen Momente. Mal geht es um Themen wie „Europäische Perspektiven zur deutschen Ratspräsidentschaft“, quasi das Schwarzbrot der Politikwissenschaft, aber auch „Fußball in Propaganda, Krieg und Revolution“ sind Thema. Ebenso wird in einer Ausgabe über den Zusammenhang von „Rap und Politik“ gesprochen – mit Jan Kawelke und Vassili Golod vom Macchiavelli Podcast, beides Spezialisten bei diesem Thema. Und bei einigen Ausgaben steht nicht das Lernen mit Medien im Vordergrund, also der gestreamte Politik-Unterreicht, sondern das Lernen über Medien, etwa beim Thema Weltuntergang auf „Telegram und Youtube“. Hier ist übrigens Karolin Schwarz zu Gast, 2016 selber mit der Hoaxmap für den Grimme Online Award nominiert und in diesem Jahr erneut Mitglied in der Nominierungskommission.
#LernenmitTikTok
Aber die YouTube Videos haben eine immer stärkere Konkurrenz bekommen durch Inhalte, die für Plattformen wie TikTok produziert wurden – hier ist längst mehr zu finden als Sing- und Tanzeinlagen. Hagelte es anfangs viel Kritik für die rigide Moderation (und mehr), versucht die Plattform mittlerweile gegen zu steuern. Sie will ein „Ökosystem des Lernens“ werden und launchte Mitte letzten Jahres das – so die Plattform – langfristig angelegte Programm #LernenMitTikTok.
Okay, und wie sieht es aus, das #LernenMitTikTok, gerade auch jenseits der „offiziell“ etikettierten Kanäle? Um im Bild zu bleiben: schon eher Discokugel als Kreidetafel. Es geht bunt zu, Inhalte müssen allein auf Grund der verfügbaren Videolänge sehr pointiert sein und werden vielfach unterstützt durch Worteinblendungen. Und manchmal lassen sich seriös gekleidete Menschen zu allerlei „Unerwartetem“ hinreißen – die junge Zielgruppe immer im Blick. Anwält*innen geben rechtliche Tipps (@herranwalt), Frauenärzt*innen und Urolog*innen erläutern in kurzen Videos „Neues aus Untenrum“ (@doktorsex) und wer will, der bekommt sogar Unterstützung in Finanzangelegenheiten (@Finanztip). Eine Potsdamer Medienwissenschaftlerin mit Wurzeln in NRW (@dieprofessorin) bietet #eineminutewissenschaft und gibt bspw. Studierenden Tipps, was alles in eine Einleitung gehört oder woran „Profs“ Plagiate erkennen. Ashley, Maria & Victoria versuchen in Ihrem Kanal (@mitreden) gesellschaftspolitische Fragen aufzuwerfen, es geht um Rassismus, Sexismus, Fragen der Geschlechtsidentität und anderes mehr.
Viele haben schon darüber berichtet, dass die „tagesschau“ auch auf TikTok unterwegs ist – zunächst nur testweise, wie sie betonte, trotz Kritik. Einige werden sich sicher erinnern: Den Auftakt machte ein Spaßvideo, in dem der ehemalige Sprecher Jan Hofer Krawattendesigns durchtestete. Aber auch andere etablierte „Medienmarken“ tummeln sich mittlerweile auf TikTok wie etwa „Quarks“ (vom WDR), es geht um „Wissenschaft und nerdy Fakten“. Presenterin Clara erklärt, „warum Du nicht Du bist, wenn Du hungrig bist“ oder warum die Erinnerung an die eigenen Träume oftmals so schwerfallen. Aber sie ist nicht immer zu sehen, viele Webvideos sind im „Quarks“ Kanal als Animes gestaltet, was hier für Abwechslung und eine eigene Ästhetik des Kanals sorgt.
Lernen per App und Wikipedia
Eine eigene Ästhetik kann man auch der App „Stadt | Land | DatenFluss“ (vom Deutschen Volkshochschulverband) nicht absprechen, die gerade erst Mitte Februar gelauncht wurde, also gerade noch passend für die Grimme Online Award fertig geworden ist. Mit Hilfe der App können Menschen auf spielerische Weise mehr über datengestützte Technologien erfahren und den souveränen Umgang mit ihren eigenen Daten erlernen. Sie wählen einen Schwerpunkt – Arbeit, Gesundheit, Mobilität – und los geht es.
Los ging es bei der Wikipedia (für die Großen) vor zwanzig Jahren, es gab Preise und Anfang des Jahres feierte sie runden Geburtstag. In der Zwischenzeit dürfte sie zahlreichen Referaten zu Glanz verholfen haben und hat mit dem Klexikon unlängst Nachwuchs bekommen oder besser: eine Ausgabe für den Nachwuchs. Klexikon ist ein Kinder-Online-Lexikon, das im November 2014 entstanden ist und sich an Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren richtet. Ähnlich der Wikipedia (für die Großen) ist das Klexikon (für die Kleinen) als Wiki aufgebaut, nutzt die MediaWiki-Software, veröffentlicht alle Texte unter der freien Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA und verwendet freie Bilder aus der Mediensammlung Wikimedia Commons. In der Ästhetik ist das ziemlich spröde oder um das Bild von oben noch ein letztes Mal aufzugreifen: Das Klexikon ist definitiv eher Kreidetafel als Discokugel, kann aber mit Texten überzeugen, die Kinder verstehen – und davon über 3000.
Bis zum Jahr 3000 wird man nicht warten müssen, bis die Nominierungskommission getagt hat, eine Auftaktsitzung hat es bereits gegeben, am 22. April werden die diesjährigen Nominierungen bekannt gegeben, wieder in Kooperation mit der c/o pop Convention und im Stream von c/o pop xoxo. Aber bis es so weit ist, freut sich die Nominierungskommission noch über Einreichungen – die Frist läuft ab am 1. März.
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