Viel Flausch beim #GOA19
So hatten wir uns das gedacht: Karsten Schwanke findet zum Abschluss der Jurypreise beim Grimme Online Award 2019 so liebevolle Worte für den Podcast „Mensch Mutta“. Er erzählt nämlich von sich selbst, wie er am letzten Wochenende bei seinen Eltern in der ehemaligen DDR war und an der Haustür in den heimatlichen Dialekt verfiel. Genau dies hat er im Podcast „Mensch Mutta“ bei Katharina Thoms entdeckt, die als Hörfunkjournalistin natürlich perfekt Hochdeutsch spräche, aber im Dialog mit der Mutter sofort in diesen berlin-brandenburgischen Dialekt verfällt. Karsten Schwanke hatte als Preispate längst zugesagt, bevor die Entscheidung über die Preisträger fiel – und dass er aus Ziesar kommt, ist uns erst wieder aufgefallen, als wir den Ablauf für die Preisverleihung erstellt haben. Aber was für eine glückliche Fügung. Manchmal muss es sich so ausgehen bei einer Preisverleihung.
Auch Ralph Ruthe und „Krieg und Freitag“ – was für eine passende Kombination. Schon fast zu verräterisch! Von Ralph Ruthe hatten wir die Zusage aber schon vor der entscheidenden Sitzung der Nominierungskommission – die Strichmännchen von Tobias Vogel waren noch in weiter Ferne im Wettbewerbsverlauf. Umso schöner, wie sich die beiden Cartoon-Zeichner dann auf der Bühne in die Arme fallen und Ralph Ruthe Tobias Vogel in der Laudatio sogar öffentlich um sein Konzept beneidet: „Wenn ich eine Idee habe, dauert das ewig“, erläutert er die Umsetzung seiner Zeichnungen mit Rahmen, verschiedenen Charakteren und auch noch in Farbe, „Tobias war klüger, er hat seinem Publikum von Anfang an nichts anderes geboten als Strichmännchen in schwarz-weiß.“
Der Eventmanager organisiert und schweigt
Wenn wir jetzt sagen könnten, wir bekommen alles so reibungslos hin, wär‘ das … unheimlich. Aber ehrlich gesagt, gibt es beim #GOA19 nur kleinere Katastrophen. Also welche, von denen wir erfahren haben, denn ein richtig guter Eventmanager weiß, was er verschweigen muss. Das Wetter kann er nicht verschweigen, es ist – wie fast jedes Jahr – der größte Unsicherheitsfaktor. Dieses Jahr entscheiden wir uns für drinnen. Also: Roter Teppich, Fotowand, Empfang und Vorab-Berichterstattung für den Livestream im Foyer der Flora, denn schon am frühen Nachmittag regnet und stürmt es. Natürlich ist das Wetter bestens, als die Gäste eintreffen und wir fragen uns selbst, ob wir richtig gehandelt haben.
Ja, haben wir. Es fängt nämlich an zu regnen. Kurz nach Beginn der Preisverleihung. Woher wir das wissen? Tja, der Staatssekretär ist noch nicht da und wir müssen unten mit seiner Terminbegleitung klären, wann er kommt und was passiert, wenn er sich bis nach Beginn seiner Rede verspätet. Eine Lücke in der Preisverleihung ist dramaturgisch nämlich hinreichend ungünstig. Aber: Er kommt noch rechtzeitig und wird von unserer Moderatorin Siham El-Maimouni separat begrüßt. Nathanael Liminski wiederum begrüßt die Nominierten mit: „Sie sind die Happy Few, die das gestrenge Auge der Grimme-Jury passiert haben.“ Recht hat er. Denn eigentlich ist es der Abend der Nominierten. Dass dann ein paar der Nominierten zu Preisträgern werden und auf die Bühne dürfen, liegt irgendwie im System. Aber eigentlich möchten wir ja, dass alle Nominierten die gleiche Aufmerksamkeit bekommen. Sie sind wichtig!
Reichweite für die Information
Aber wir schweifen ab. Zurück zu den Preisträgern: In der Kategorie Information sind es die „Krautreporter“, die – so die Jury – konstruktiven Journalismus machen, ohne ihn als solchen zu bezeichnen, und das Correctiv-Projekt „Wem gehört Hamburg?“, eine Recherche zum Immobilienmarkt. Michel Abdollahi, der Laudator für die Kategorie Information, appelliert an die Macher in anderen Bereichen, insbesondere die mit der hohen Reichweite: „Die Information hat es wirklich schwer im Netz. Ich möchte mich an die Kollegen in der Unterhaltung wenden – ich bitte euch, dass ihr die Beiträge der Information teilt.“ Und mit Blick auf die „Krautreporter“, deren Texte es nur im Abo gibt, stellt er fest: „Wir haben in Deutschland die Unart, dass wir davon ausgehen, dass alles was wir ins Netz stellen, kostenlos ist“, und bittet darum, dass alle die sehen, wie jemand über eine Paywall meckert, begründet, warum guter Journalismus Geld kosten muss.
Von Schrottplätzen und Teenagern
Um relevanten Beiträgen zu mehr Reichweite zu verhelfen, wäre Kabarettistin Hazel Brugger schon mal die richtige. Beim Grimme Online Award 2019 ist sie als Laudatorin für die Kategorie Wissen und Bildung zuständig – ihre Laudatio kann aber durchaus auch in die Kategorie Unterhaltung fallen: „‘Ultralativ‘ ist wie ein cooler Onkel, der einen mit auf den Schrottplatz nimmt, einen noch an einer Autobatterie lecken lässt, aber dann erklärt, warum das keine gute Idee ist“, lobt sie „ihren“ Preisträger. Und die Macher des medienkritischen YouTube-Kanals? „Wir selber haben diese kritische Facette auf YouTube vermisst“, begründet Fynn Kröger, warum sie mit ihren Videos angefangen haben, richtiggehend frustriert seien sie von einigen Entwicklungen gewesen.
Nach dem Foto mit Fynn Kröger und Paul Schulte von „Ultralativ“ zieht sich Hazel Brugger wieder hinter das Rednerpult zurück. Auf die Nachfrage von Siham El-Maimouni, ob es einen weiteren Preisträger in der Kategorie Wissen und Bildung, ihrer Kategorie, gebe, antwortet sie zwar mit nein, erklärt aber: „Ich dachte, ich verstecke mich hinter dem Pult, weil ich mit Abstand die am schlechtesten angezogene Person hier bin.“ So schlimm ist es dann auch nicht, und Brugger darf noch die nächste Kategorie laudatieren – Spezial. „Wieso sollte eine Jury einen Preis verleihen für eine Plattform, von der sie selbst ausgeschlossen ist?“, fragt sie mit Blick auf den Preisträger „TINCON“, eine Konferenz für die digitale Lebenswirklichkeit von Jugendlichen zwischen 13 und 21. Hat die Jury aber getan, weil sie überzeugt sind von dem Konzept der „TINCON“, wo die Jugendlichen nicht nur teilnehmen, sondern das Programm auch selbst machen. „Die Jury honoriert die ‚TINCON‘ als ein überfälliges Schaufenster für die alles entscheidende Perspektive der Jugendlichen. Denn diese werden auch zukünftig mit dem leben müssen, was heute noch – im positiven wie negativen Sinne – Vision ist“, lautet ein Teil der Begründung.
Große und kleine Teams
Die Perspektive ist auch der entscheidende Punkt bei einem der Preisträger der Kategorie Kultur und Unterhaltung: Die Autor*innen des „Techniktagebuch“ blicken auf das, was uns alle im Alltag an technischem Gerät umgibt. Grund dafür ist, so Kathrin Passig, Initiatorin des Techniktagebuch, „dass man sich an die alleralltäglichsten Dinge nicht mehr erinnert, auch wenn sie nur drei Jahre her sind.“ Sehr unterhaltend fanden das Nominierungskommission und Jury. Die Kategorie sei aber „ein Skandal, wenn man mich fragt“, so Kathrin Passig. Den typischen trocken-ironischen Unterton mag sich jetzt jeder hinzudenken. Die vielen Autor*innen, die dem Gruppen-Weblog seit Jahren mit großer Begeisterung verbunden sind, haben sich jedenfalls gefreut über den Preis – egal in welcher Kategorie.
Ein wesentlich kleineres Team als das „Techniktagebuch“ hat „Buterbrod und Spiele“. Christian Frey und Moritz Gathmann sind während der Fußball Weltmeisterschaft 2018 nach Russland gereist und haben abseits der Spielorte Menschen besucht und Geschichten gefunden. Für Moritz Gathmann war „die Reise eine Rückkehr zu meinen journalistischen Wurzeln“, berichtet er bei der Preisvergabe, „eigentlich ist es gar nicht so schwer an Protagonisten zu kommen, wenn man nicht vorher schon im Kopf hat, wen man braucht.“ Eine Aussage, für die es spontanen Zwischenapplaus im Saal gibt. Die Texte von Russlandkenner Gathmann werden begleitet von Fotos des Russland-Neulings Frey. „Der Vorteil war, dass ich kein Wort Russisch konnte. Da beobachtet man einfach“, erklärt er das Geheimnis der Bildsprache, die von der Jury besonders gewürdigt wurde.
Reden über das erste Mal
So weit zu den Jurypreisen. Aber beim Grimme Online Award gibt es ja auch noch einen Publikumspreis. Und das war dieses Mal wirklich ein Herzschlagfinale. Wir wissen es, denn wir können quasi live mitverfolgen, wie der Stand ist. Platz 2 und Platz 1 haben sich nichts geschenkt, und der Sieg ging denkbar knapp an „Einigkeit & Rap & Freiheit“. Auch deshalb spricht Preispatin Louisa Dellert den Zweitplatzierten Christian Bär noch mal gesondert an und würdigt sein Engagement für mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit ALS und seine bewundernswerte humorvolle Art auf seinem Blog „#ALS und andere Ansichtssachen“ und seinen Social-Media-Kanälen. Dann aber spricht sie mit Hubertus Koch von „Einigkeit & Rap & Freiheit“ – und es gibt ein Problem: Hubertus Koch sitzt ganz hinten im Saal, Louisa möchte ihn aber sehen bei ihrer Laudatio. Also darf er schon vorab auf die Bühne. Sie sehen sich tief in die Augen und sprechen über ihr erstes Mal: „Ich hab‘ mit Rap gar nicht so viel am Hut“, erzählt Louisa Dellert, also habe sie sich gefragt, was sie gemeinsam hätten. Die Antwort: „Es ist unser erstes Mal. Dein erstes Mal, dass du hier einen Preis bekommst. Und das erste Mal, dass ich einen Preis vergebe.“ Und dann erzählt sie von ihrem kleinen Bruder, bei dem Hubertus Koch es schaffe, ihn zu unterhalten und ihm gleichzeitig etwas beizubringen – etwas, was Louisa selbst nicht schaffe.
Und das ist es doch: Unterhalten werden und zum Nachdenken angeregt werden, was lernen. Quasi nebenbei. So mögen wir das beim Grimme Online Award. Und offenbar auch das Publikum. Jedenfalls scheinen alle ganz glücklich mit der Auswahl der Jury und des Publikums. Und mit der Feier, der Moderation, der Musik von Kaleo Sansaa und der DJane Büsra Akdeniz. Und vor allem damit, so viele interessante Menschen zu treffen. Wir übrigens auch. Wir sind zufrieden und freuen uns auf den #GOA20.
Hier werden echt wichtige Themen beleuchtet, ich finde man sollte sich stets über neue Sachen informieren und verschiedene Quellen nutzen und vergleichen. Ich versuche die Zeit momentan zu nutzen um mich beim Thema Energie Umwandlung zu bilden https://cec.mpg.de/