Europas Geschichte vor der eigenen Haustür

Screenshot: DENKMAL EUROPA
Screenshot: DENKMAL EUROPA
Screenshot: DENKMAL EUROPA

Denkmäler sind langweilig und bloß etwas für alte Menschen? Falsch! DENKMAL EUROPA ist ein digitales Geschichtsbuch für Menschen jeder Altersgruppe und Kultur. Das multimediale Angebot verdeutlicht die Relevanz von Denkmälern für ein gemeinsames Miteinander in Europa. Die verschiedenen Geschichten über die Kultur des Bauens werden in einem umfangreichen Zeitstrahl aufbereitet, durch persönliche Graphic Novels ergänzt und in kreativen Forschungsprojekten lebendig gemacht. Besonders junge Menschen sollen dadurch mehr über Europas kulturellen Reichtum in Erfahrung bringen können.

DENKMAL EUROPA ist ein Angebot der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger und für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Wissen und Bildung nominiert. Im Interview spricht Heike Schwalm, Mitglied der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, über den Wert und die Entstehung von DENKMAL EUROPA.

Welchen Stellenwert hat Ihrer Einschätzung nach die Denkmalpflege in Deutschland?

Die Denkmalpflege hat einen enormen Stellenwert, weil wir zum Beispiel mit unserem Projekt DENKMAL EUROPA die Bedeutung von Denkmälern für unseren Alltag herausstellen. Wir sorgen dafür, dass Denkmäler als gebaute Zeitzeugnisse erhalten bleiben und dass wir uns an bestimmte Ereignisse der Menschheitsgeschichte und unseres Werdens erinnern. Gerade in den Zeiten der Globalisierung hat die Denkmalpflege eine sehr zentrale kulturelle Stellung. Es ist sehr wichtig, diese Reflexionsorte in unseren Städten und unserem Zuhause zu haben.

Und welchen Stellenwert hat die Denkmalpflege für die Bevölkerung, speziell für jüngere Menschen?

Ich denke, dass sich am Tag des offenen Denkmals zeigt, wie sehr interessiert Menschen an ihren Denkmälern sind und wie neugierig sie sind, durch offene Türen zu gehen. Gerade jüngeren Menschen versuchen wir, einen Weg zu bereiten, Denkmälern überhaupt bewusst begegnen zu können. Deswegen ist das ein Anliegen unseres Projekts DENKMAL EUROPA und des Europäischen Kulturerbejahres und war der Anlass, bei unserem Projekt besonders Kinder und Jugendliche in den Blick zu nehmen. Wir wollten sie im ersten Schritt mit der gebauten Umwelt und speziell Denkmälern in Berührung bringen. Denn es ist eben noch nicht in den Bildungsplänen verankert, dass sich jedes Kind direkt mit Denkmälern auseinandersetzt.

Was hat Ihnen den Anstoß gegeben, ein so aufwendiges Projekt ins Leben zu rufen?

Es war das Ziel des Europäischen Kulturerbejahres und der Öffentlichkeitsarbeit der Denkmalpflege, die eben schon sehr lange dafür plädieren, die gebaute Umwelt viel stärker im Bildungsalltag zu verankern. Das Spannende ist, dass man vor der Haustür direkt zahlreiche Anknüpfungspunkte findet, um verschiedenste Themen mit den SchülerInnen zu besprechen. Es sind Projekte, die multiperspektivisch zu sehen sind, verschiedene Fächer abdecken und vielfach einen Anstoß geben können, um weitere Themen anzureißen. Unser Ehrgeiz kommt daher, dass wir selber begeisterte Denkmalpfleger und Architekturinteressierte sind und einfach glauben, dass es eine große Bedeutung hat, dass sich Kinder und Jugendliche damit beschäftigen. Wir sehen es zwar fokussiert auf junge Menschen, aber eigentlich ist es eine Einladung an alle. Wir versuchen durch diese Vermittlungsphilosophie zu verdeutlichen, dass Kinder und Jugendliche aktiv mit ihren Großeltern und Eltern darüber sprechen sollten.

Screenshot der Website DENKMAL EUROPA

Screenshot: DENKMAL EUROPA

Was war die größte Herausforderung bei DENKMAL EUROPA?

Die größte Herausforderung war letzten Endes, die zahlreichen Kooperationspartner in ein Großes und Ganzes zusammenzubringen. Es liegt uns sehr am Herzen, die vielschichtigen Erfahrungen so zu bündeln, dass sie für den Außenstehenden als ein großes Ganzes begreifbar sind. Es waren eine Vielzahl von Akteuren am Projekt beteiligt und es ist uns natürlich sehr wichtig, dass alle, die was gemacht haben, sich dort wiederfinden. Und das war eine sehr große Netzwerkarbeit.

Was hat Ihnen am meisten Freude bereitet?

Die größte Freude war die Zusammenarbeit mit Frau Leitzgen, die das Konzept mit erarbeitet und umgesetzt hat. Denn wir von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger sind eher die Auftraggeber und da hat sich gezeigt, wie hilfreich es ist, in interdisziplinären Teams zu arbeiten und noch einmal selber anders auf sein eigenes Thema zu gucken. Es war sehr bereichernd, Inhalte, die man selber für sich durchs eigene Studium und den eigenen Berufsweg verinnerlicht hat, immer wieder zu prüfen und zu schauen, was man braucht, wenn man Menschen für sein eigenes Thema begeistern möchte. Und da mit jedem Schritt zu überlegen, wie jemand darauf guckt, der sich noch nie damit beschäftigt hat. Das war ein toller Arbeitsprozess. Und parallel dazu für mich ganz persönlich: Weil wir mit so vielen Netzwerken zu tun hatten, war das Eintauchen in so viele neue Bereiche sehr schön. Ich als Architektin und Kulturvermittlerin kenne ja auch nicht alles und habe beim Projekt so viele neue Facetten von Deutschland, meinem Zuhause kennengelernt.

Anne Lachmut (links), Heike Schwalm (Mitte) und Anke M. Leitzgen (rechts) bei der Bekanntgabe der Nominierten für den Grimme Online Award 2019. Foto: Rainer Keuenhof / Grimme-Institut

Dann haben Sie bestimmt während des Projekts ein Lieblingsdenkmal für sich entdeckt, oder?

Ich würde das sehr gerne beantworten, aber das ist gar nicht so einfach. Ich finde es grundsätzlich aufregend, dass hinter jedem Denkmal, hinter jeder Geschichte so viele spannende Einzelinformationen zu finden sind und dass dieses Eintauchen in die Alltagswelt einem aufzeigt, welche kulturellen Einflüsse dahinterstehen. Wenn ich jetzt meine Lieblingsstory nennen müsste, die ich mitunter für mich am faszinierendsten finde, dann wäre das das Thema der Hugenotten in Hessen. Weil so viele kleine Details in dieser Geschichte erzählt werden, die ich ganz spannend finde. Die Einflüsse, die die Hugenotten mitgebracht haben, kann man manchmal an kleinen Details ablesen. Aber eigentlich kommt es mir nicht darauf an, ob es ein Zeitzeugnis für die Hugenotten-Geschichte oder ein Zeitzeugnis der Nachkriegsarchitektur ist, denn da erzählen ja auch bestimmte Details total viel – und genau das begeistert mich.

Das Interview führte Sanel Rihic.

Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redakteur an der TH Köln.

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