Ein Vertreter für den Bereich “Internet“
Leonhard Dobusch ist seit Juli 2016 Mitglied des ZDF-Fernsehrates und vertritt dort den Bereich „Internet“. Auf netzpolitik.org informiert er in der Rubrik „Neues aus dem Fernsehrat“ regelmäßig über dessen Sitzungen. Er berichtet über die Tätigkeiten des Gremiums, legt seine eigene Haltung zu Sitzungsthemen dar und macht so die Arbeit eines öffentlich-rechtlichen Senders transparent.
„Neues aus dem Fernsehrat“ ist für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Information nominiert. Im Interview erzählt Leonhard Dobusch, wie er als Österreicher zum Fernsehrat kam und warum er offen über dessen Sitzungen schreibt.
Wie sind Sie in den Fernsehrat gekommen?
Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die Aufsichtsgremien des ZDF nicht staatsfern genug waren. In der Folge haben die Bundesländer 2016 Vertreter neuer gesellschaftlicher Bereiche nominiert. Berlin hat dieses Recht an vier Vereine abgetreten und da wurde ich von mehreren Seiten vorgeschlagen. Das liegt wohl daran, dass ich mich schon mehrere Jahre zuvor immer wieder mit dem Thema beschäftigt habe, zum Beispiel mit der Verwendung von offenen Lizenzen wie Creative Commons im öffentlich-rechtlichen Sektor und der Frage: Wie kann man öffentlich-rechtliche Medien so neu aufstellen, dass sie auch in einer digitalen Plattformöffentlichkeit funktionieren? Ich muss sagen, ich wusste gar nicht so genau, was der Fernsehrat macht und auf was ich mich da einlasse. Ich habe das recherchiert und dann zurück gefragt: „Seid ihr sicher, dass ihr einen Österreicher nominieren wollt?“ Die mussten dann auch nachfragen, aber es steht nirgends, dass es kein Österreicher sein darf – also offenbar geht´s.
Inwiefern hängen Ihre Texte inhaltlich und zeitlich zusammen?
Das Angebot „Neues aus dem Fernsehrat“ besteht nur zum Teil aus Berichten aus dem Fernsehrat als Gremium, sondern durchaus auch aus einem laufenden Kommentar zu der aktuellen Debatte um öffentlich-rechtliche Medien im Internet.
Ein Beispiel: Gerade jetzt – zum 1. Mai 2019 – ist der neue Telemedienauftrag in Kraft getreten. Das ist ein Prozess, der mehrere Jahre dauerte. Dieser Neufassung ging eine öffentliche Konsultation voran. Das hat alles nicht unmittelbar mit dem Fernsehrat als Gremium zu tun, wird im Fernsehrat aber natürlich besprochen. Im letzten Jahr habe ich über diese Konsultation berichtet. Und genau da sehe ich mich eben auch als Scharnier zwischen den öffentlich-rechtlichen Anstalten und dem Publikum. Ich habe also über die Konsultation geschrieben, ich habe mich selbst an dieser beteiligt, ich habe die Ergebnisse, also den Gesetzesentwurf kommentiert und kritisiert und jetzt, wo der neue Telemedienauftrag da ist, habe ich dazu geschrieben, was man mit diesen neuen Regeln alles Tolles machen könnte.
Gibt es Kritik an Ihrer Arbeit?
Kritik kam meiner Meinung nach aus zwei Ecken. Einerseits gibt es Kritik, weil manche finden, man sollte aus Freundeskreisen gar nichts berichten, das zerstöre das Vertrauensverhältnis. Dem halte ich entgegen: Erst durch diese übertriebene Heimlichtuerei entsteht der Eindruck, als würde hier gemauschelt, als würde hier geklüngelt und als gäbe es etwas zu verheimlichen. Diesem Eindruck möchte ich stark entgegen treten – ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Dürfte ich nicht darüber reden, was in den Freundeskreisen passiert, dann dürfte ich nicht daran teilnehmen, denn dann hätte ich – finde ich – ein Problem damit. Das ist die eine Seite der Kritik.
Die andere Seite der Kritik kam von der Vorsitzenden des Fernsehrates persönlich. Die betrifft das Thema der Vorlagen zu öffentlichen Sitzungen. Wir haben jetzt nämlich die paradoxe Situation, dass die Plenumssitzungen des Fernsehrates per Gesetz öffentlich sind, öffentlich heißt aber nur präsenzöffentlich. Dies bedeutet wiederum, dass man nach Mainz, oder wo auch immer der Fernsehrat tagt, hinfahren muss, um den Sitzungen beizuwohnen. Aber was nicht öffentlich ist, sind die Vorlagen bzw. Unterlagen, die in diesen Sitzungen besprochen werden. Das führt zu der absurden Situation, dass im Fernsehrat dann ein Publikum sitzt, das einer Diskussion beiwohnt und eigentlich trotzdem nicht wirklich versteht, worum es geht, weil alle Diskussionen sich dort um diese Vorlagen drehen. Ich glaube, der Tatsache, dass Ausschusssitzungen in der Regel nicht öffentlich sind, kann ich durchaus was abgewinnen. Das führt einfach dazu, dass dort sehr offen diskutiert wird. Aber wenn schon die Sitzung öffentlich ist, dann muss auch die Unterlage öffentlich sein.
Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis über das Fernsehen?
Ich habe wirklich viel gelernt in diesen drei Jahren – über das Fernsehen, wie Fernsehen gemacht wird, wie Fernsehaufsicht funktioniert, aber auch vor allem, in welch radikalem Umbruch die Fernsehwelt sich gerade befindet.
Die große Herausforderung für die öffentlich-rechtlichen Medien ist, dass sie einerseits gezwungen sein werden, die nächsten zehn bis zwanzig Jahre noch die von der linearen Logik geprägten Angebote aufrecht zu erhalten. Dies müssen sie leisten, ohne dass es deshalb mehr Geld geben würde. Parallel dazu werden sogar die realen Einnahmen sinken, solange die Beiträge nominal stabil bleiben. Parallel dazu müssen sie andererseits in neue digitale Angebote investieren, die aber dann auch die neuen Medienplattformen bespielen, die nicht nur quasi ziellos in Sender eingeteilt sind, sondern wo sich im Gegenteil diese Angebote wechselseitig miteinander verlinken, sich aufeinander beziehen. Eigentlich sollte das wie ein öffentlich-rechtliches Ökosystem im Netz sein – das wäre eine Vision.
Was wünschen Sie sich vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
Offen sein für Kooperationen, offene Lizenzen und die dritte Offenheit, die ich mir wünsche, ist mehr Offenheit für Beteiligung oder Mitwirkung des Publikums. Ich glaube, das ist ja genau das, was das ganze Feld Digital/Online/Internet auszeichnet, dass es eben keine Einbahnstraße mehr ist. Und das merkt man auch: Die erfolgreichsten neuen Medien im Netz sind alles Medien mit nutzergenerierten Inhalten, wo auch Nutzerinnen und Nutzer aktiv etwas hochladen können. Ich würde mir wünschen, dass die Öffentlich-Rechtlichen auch in die Lage versetzt werden, sich für Nutzerbeiträge zu öffnen. Das kann bei ganz einfachen Dingen beginnen, wie zum Beispiel, dass Nutzerinnen und Nutzer Lieblingslisten erstellen können oder beim Teilen von öffentlichen Inhalten.
Aber es geht natürlich auch viel weiter, und eigentlich würde ich mir wünschen, dass die Öffentlich-Rechtlichen auch eine echte Alternative zu kommerziellen Plattformen wie YouTube werden.
Das Interview führte Andrea Full.
Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!