Eigentümliches Eigentum
Wem gehört Hamburg? Dieser Frage ist das Recherchekollektiv Correctiv gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt nachgegangen. Ausgewertet wurden Angaben von mehr als 1.000 Mietern und so Eigentumsdaten zu über 15.000 Wohnungen recherchiert.
Jonathan Sachse, Journalist bei Correctiv, hat mitgearbeitet an „Wem gehört Hamburg?“, das für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Information nominiert ist. Im Interview erzählt er über Akteure des Hamburger Immobilienmarktes, von undurchsichtigen Firmengebilden, Profitgier und Geldwäsche.
Was war der Auslöser für das Projekt?
Wir beschäftigen uns schon länger mit dem Immobilienmarkt in Deutschland und haben gemerkt, dass dieser nicht besonders transparent ist. Gleichzeitig wissen wir aber, dass unsere Mieten alle steigen, vor allen Dingen in den Großstädten. Wir haben uns gefragt: Woran liegt das? Wer sind die Eigentümer, die ja bestimmen, wie hoch die Mieten sind?
Wir haben dann angefangen zu recherchieren, woher wir eigentlich diese Infos bekommen können und gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, sie zu bekommen. Am Ende war es so, dass jeder Mieter eigentlich nur für die Wohnung, in der wohnt, sicher weiß, wer der Eigentümer ist beziehungsweise das Recht hat, das zu wissen. Deswegen haben wir eine Crowdrecherche gestartet zu dem Thema und möglichst viele Menschen angesprochen und gefragt: Wer ist euer Eigentümer? Und das bei uns zentral zusammengeführt.
Wie seid ihr vorgegangen?
Es gab mehrere Fragen an die Daten, die wir gesammelt haben. Erst mal: Wer sind überhaupt die wesentlichen Akteure, die sich auf dem Markt tummeln? In welche Rubriken kann man sie einordnen? Da haben wir zum Beispiel gemerkt, dass es ganz viele Pensionskassen unter den Eigentümern gibt. Es gibt Eigentümer, die irgendwo in Steueroasen enden, wo man nicht genau weiß, wer am Ende dahintersteckt.
Das wollten wir alles ein bisschen besser verstehen. Gleichzeitig haben wir auch geguckt, ob es irgendwelche fragwürdigen Eigentümer gibt. Wiederkehrende Hinweise, dass Eigentümer Stress machen. Die haben wir uns dann genauer angeschaut und ganz klassisch zu denen recherchiert, was da los ist.
Gab es viele Überraschungen, als ihr die Daten ausgewertet habt?
Ganz viele, aber ich glaube, es gibt Unterschiede von Stadt zu Stadt. Mittlerweile machen wir das Projekt ja auch in Berlin und sieben anderen Städten. In Berlin gibt es da wesentlich mehr Treffer im Vergleich zu Hamburg, aber auch Hamburg ist ein großer Markt. Da sind Firmen dabei, bei denen es ganz schwer ist, dahinter zu blicken, wer jetzt eigentlich am Ende der Kette von irgendwelchen Firmen-Konstrukten steckt. Es gibt Eigentümer, die immer wieder aufgetaucht sind mit ähnlichen Hinweisen: Niemand kümmert sich um die Wohnung, trotzdem gibt es die ganze Zeit Mieterhöhung.
Es gibt auch Bezüge zu kriminellen Aktivitäten. Immobilien in Deutschland werden auch gern genutzt, um Geld zu waschen. Geld, das irgendwo illegal gemacht wurde, zum Beispiel durch Waffenhandel. Das muss irgendwo angelegt werden und dann versucht man, es in den normalen Wirtschaftskreislauf reinzubringen. Da sind Immobilien ein beliebtes Ziel. Besonders in Deutschland, weil der Markt nicht transparent ist.
Gibt es schon Nachahmer des Projektes in anderen Städten?
Das wird von uns gemacht. Hamburg war das Pilotprojekt, da haben wir auch Sachen draus gelernt. Und die setzen wir jetzt quasi in anderen Städten um. Wir haben aber immer einen lokalen Kooperationspartner, also ein ganz klassisches Medium, meist sind es Tageszeitungen vor Ort oder Online-Medien. Die setzen das dann mit uns um. Wir brauchen einen Partner, damit die Leute überhaupt von dem Projekt erfahren. Wir erreichen nicht so leicht alle Leser. In Düsseldorf, da haben wir zum Beispiel die Rheinische Post und in Berlin den Tagesspiegel. Die helfen dann vor allem, das Projekt bekannt zu machen. Und wir geben sozusagen die Expertise weiter, beraten ein bisschen, auch zu den technischen Tools, um das überhaupt umsetzen zu können.
Was sind bisher die Folgen der Veröffentlichung eurer Ergebnisse?
Einerseits haben wir eine Diskussion zum Immobilienmarkt in der Stadt losgetreten, zu der die Politik sich jetzt irgendwie verhalten muss. Das ist auch schon in den letzten Monaten immer weiter passiert. Unter anderem, weil wir offengelegt haben, dass auch die Stadt selbst immer wieder an dubiose Eigentümer verkauft hat. Und dadurch ist eine Diskussion entstanden. Was das insgesamt später bewirkt, wenn das in mehreren Städten in Gang gekommen ist, müssen wir mal abwarten. Ob wir dann nochmal eine größere Diskussion über die Transparenz und Regulierung des Marktes lostreten. Das ist aber nicht unser primäres Ziel, wir sind keine Aktivisten, sondern wollen erst mal aufklären, die Missstände benennen. Und dann schauen wir, wie die anderen sich auf dem Markt dazu verhalten.
Wem gehört denn nun Hamburg?
Statistisch können wir das nicht beantworten. Das, was wir gemacht haben, ist nicht etwas, das man hochrechnen kann. Das war aber auch nicht unser Ziel. Ich würde sagen, es ist sehr breit aufgestellt, wem Hamburg gehört. Es war spannend, dass selbst Pensionskassen wesentliche Teile an Immobilien besitzen. Das bedeutet: Wenn ich selber hier irgendwo angestellt bin, zum Beispiel als Supermarktmitarbeiterin, und ich zahle Geld in meine Betriebsrente, dann kauft sozusagen die Rentenkasse dahinter Immobilien. Und vielleicht wohne ich ja sogar in einer dieser Immobilien. Das heißt dann wiederum, ich könnte meine eigene Miete erhöhen, dadurch, dass ich solche Beiträge bezahle. Das fanden wir unter anderem sehr spannende Erkenntnisse.
Das Interview führte Carolin Krieger.
Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.
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