„Café Deutschland“: Gespräche über Nachkriegskunst
Das Städel Museum hat zahlreiche Akteurinnen und Akteure der Nachkriegskunst zum Gespräch ins „Café Deutschland“ eingeladen. In einem dreijährigen Forschungsprojekt wurden umfassende Interviews mit über 70 Künstlern, Ausstellungsmachern oder Galeristen geführt, die die Kunstszene der BRD nach 1945 geprägt haben. Das Oral-History-Projekt „Café Deutschland“ ist für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert.
Freya Schlingmann, die Leiterin der digitalen Projekte beim Städel Museum, erzählt uns mehr über die Idee hinter „Café Deutschland“.
Mit „Café Deutschland“ schreibt das Städel Museum nicht nur Geschichten, sondern Geschichte – nämlich Zeitgeschichte. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?
Das Städel Museum bewahrt eine umfassende Sammlung an Kunst von 1945 bis heute, die verschiedene Richtungen der deutschen und internationalen Gegenwartskunst abbildet. Regelmäßig laden wir Künstlerinnen und Künstler der Sammlung ein, ihr Werk vorzustellen. Diese Gespräche werden in konzentrierter Form als Interviewfilm über unsere Onlinekanäle zugänglich gemacht. Die Idee für „Café Deutschland“ ist also aus der Sammlung des Städel Museums heraus entstanden und aus dem Anspruch, möglichst vielen Interessierten den Zugang zu Kunst und vor allem den Geschichten dahinter zu ermöglichen. „Café Deutschland“ ist ein mehrjähriges Forschungsvorhaben des Städel Museums gewesen: Wir beleuchten die Entwicklung der Kunstszene in der Bundesrepublik aus verschiedenen Perspektiven und schließen damit auch eine Lücke in der jüngeren deutschen Kunstgeschichte. Dafür konnten wir uns keine bessere Methode vorstellen, als qualitative Interviews zu führen und somit die Protagonistinnen und Protagonisten der Zeit selbst sprechen zu lassen.
Unter welchen Gesichtspunkten wurden die Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen ausgewählt?
Das Projekt vereint Gespräche mit der ersten Kunstszene der Bundesrepublik. Um eine Entwicklung sichtbar machen zu können, sind wir zu den Anfängen zurück und haben uns gefragt: „Wer waren die Künstlerinnen und Künstler, Galeristen, Händler, Sammler oder Ausstellungsmacher, die maßgeblich an der Entstehung und Entwicklung dieser Kunstszene mitgewirkt haben?“ Und das sind natürlich nicht wenige gewesen. Am Schluss konnten wir Gespräche mit über 70 Zeitzeugen festhalten.
Die Beiträge der Gesprächspartnerinnen und -partner sind facettenreich und widersprechen sich sogar teilweise. Welche Bemerkung blieb Ihnen am meisten in Erinnerung?
Ja, das stimmt. Die Beiträge ergänzen, überlagern und widersprechen sich auch. In dem Moment, wo wir uns vergegenwärtigen, dass es sich eben um ein Oral-History-Projekt handelt, lösen sich die einen oder anderen Widersprüche auf. Am eindrücklichsten sind mir persönlich die Interviews zu den Jahren 1940 bis 1949 in Erinnerung geblieben. Es ist schwierig, eine einzelne Bemerkung herauszugreifen und es entspräche auch nicht der Idee des Projektes (lacht), aber die Atmosphäre, die sich beim Lesen des Montageromans einstellt, habe ich nicht vergessen.
Das Städel Museum ist aus einer Bürgerstiftung hervorgegangen, mit der den Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern ein breiter Zugang zu Kunst verschafft werden sollte. Sehen Sie „Café Deutschland“ als ein Format mit Bildungsauftrag für die jüngere Generation?
Es liegt in der DNA des Städel Museums, Kunst für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen – auf verschiedenen Wegen, analog und digital und für ein diversifiziertes Publikum. Die Digitalisierung hat für alle Generationen einen Mehrwert. Mit „Café Deutschland“ wollen wir interessierte Laien und fachkundige Leser zugleich erreichen, egal welchen Alters.
Wie lange hat die Umsetzung gedauert? Wann hat das Team mit den Interviews begonnen?
Das Forschungsprojekt „Café Deutschland“ hat 2015 begonnen und wurde mit der Veröffentlichung der digitalen Plattform und der Publikation abgeschlossen, also rund drei Jahre. Die heiße Phase für die Realisierung der Plattform begann ca. neun Monate vor Veröffentlichung.
Worin liegt aus Ihrer Sicht die größte Chance der Digitalisierung für die Vermittlung von Kunst?
Grundsätzlich denke ich, eröffnet die Digitalisierung einen uneingeschränkten Zugang zu kunsthistorischen Inhalten und Forschungsergebnissen und ermöglicht damit eine globale Teilhabe. Für „Café Deutschland“ liegt die Chance des Digitalen darin, die Qualität der Parallelerzählungen deutlich zu machen. Die Texte sind durch zahlreiche Querverweise miteinander verknüpft. Darüber hinaus ermöglichen die ausführliche Zeitleiste mit den wichtigsten historischen Ereignissen sowie die Volltextsuche den Nutzern eine umfangreiche Recherche einzelner Begriffe in allen verfügbaren Texten.
Das Interview führte Ekaterina Studennikova.
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Die Interviews entstanden in medienpraktischen Übungen und Seminaren im Bachelor-Studiengang Online-Redaktion an der TH Köln.
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