Ein virtuelles Denkmal
Erstmals in Deutschland wird eine Kirche zu einer Moschee umgewidmet. Mit seiner Pageflow-Reportage „Eine Kirche wird zur Moschee“ dokumentiert Özgür Uludag diese Verwandlung für „evangelisch.de“ und hinterlässt somit auch ein besonderes Denkmal für die evangelische Gemeinde.
„Eine Kirche wird zur Moschee“ ist für den Grimme Online Award 2018 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Özgür Uludag erzählt im Interview, welche Motivation hinter diesem Projekt steht und welchen Hindernissen er begegnete.
Wie kamst du auf die Idee, die „Verwandlung“ der Kapernaumkirche zur Al-Nour Moschee in Hamburg medial zu begleiten?
Der erste Impuls für die grundsätzliche Idee war, dass ich mich wahnsinnig über die Berichterstattung über den Islam, Integration oder Flüchtlinge geärgert habe. Für das ZDF habe ich dann für eine Dokumentation eine muslimische Gemeinde kontaktiert, die ich porträtieren wollte, was aber am Ende doch nicht geklappt hat. Die Gemeinde fand ich in ihrer Atmosphäre und ihrer Dynamik so gut, dass ich einer Redakteurin von evangelisch.de vorgeschlagen habe, darüber zu berichten. Dabei habe ich erfahren, dass diese Gemeinde eine Kirche gekauft hat und sie zu einer Moschee umfunktionieren möchte. Deswegen haben wir dann gemeinsam beschlossen, im Format einer multimedialen Story diese Verwandlung zu dokumentieren.
Inwieweit hast du selbst einen persönlichen Bezug zu diesem Thema?
Ich bin selber Muslim und bete an Feiertagen bei dieser Gemeinde. Sie ist unabhängig von der islamischen Ausrichtung offen für alle und auch multinational. Zum anderen bin ich im Stadtteil, in der die Kirche steht, aufgewachsen.
Wie ist die Dokumentation aufgebaut?
Im Vordergrund steht die Kirche. Die Dokumentation ist ein virtuelles Denkmal für das, was es einmal war. Die Dokumentation beinhaltet die Menschen, die das Gebäude mit Leben gefüllt haben. Sie erzählt, was es ist Zukunft sein wird und wer sie zukünftig mit Leben füllen wird. Also im Prinzip ist sie erst einmal historisch und chronologisch aufgebaut. Dabei stellt sie die Besonderheiten der Gemeinde, den Gottesdienst, die Entwidmung, den Verkauf, die Gründe und die damit einhergehenden Reaktionen von der Nachbarschaft und anderen Betroffenen besonders heraus. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass diese Dokumentation ein atmendes Werk ist und sie immer zu besonderen Anlässen fortgeführt wird.
Auf welche Hindernisse bist du während der Recherchen gestoßen?
Im Gegensatz zur muslimischen Gemeinde, die für dieses Projekt von Anfang an dankbar war, war es sehr schwierig, die evangelische Gemeinde davon zu überzeugen. Das war auch verständlich, weil sie einen emotionalen Bezug zu dieser Kirche haben und diese jetzt verlieren. Es war schon schwierig, überhaupt erst einmal Kontaktpersonen ausfindig zu machen. Da bin ich aber hartnäckig geblieben und habe immer wieder an der Tür geklopft. Es hat am Ende ein Dreivierteljahr gedauert, bis ich wirklich alle Interviews und Sequenzen auf der Seite eingefangen habe. In technischer Hinsicht war es mein erstes „Pageflow“, sodass ich mich erst einmal daran gewöhnen musste.
Wie wurde dein Angebot von den Gemeinden aufgenommen?
Ich glaube nicht, dass sie geahnt haben, dass das am Ende so ein großes Werk wird und so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Letztendlich sind sowohl die evangelische als auch die Al-Nour-Gemeinde beeindruckt und sehr dankbar für diese Arbeit. Die evangelischen Gemeindemitglieder vor allem deswegen, weil die Historie der Kirche noch einmal gewürdigt wird, die ja sonst weitgehend verloren gegangen wäre. Die muslimische Gemeinde findet es dagegen gut, dass dieses Projekt ein unaufgeregter Blick in ihre Gemeindearbeit ist und diese dadurch gewürdigt wird.
Was nimmst du persönlich mit aus diesem Projekt?
Ich habe gelernt, wie man mit „Pageflow“ umgeht und seitdem benutze ich es immer wieder. Ich bin auch sehr froh, dass dieses Projekt gewürdigt wird. Es lohnt sich finanziell zwar überhaupt nicht, aber es ist eine Herzensangelegenheit von mir.
Das Interview führte Mine Aktas
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Die Videos entstanden im Rahmen der medienpraktischen Seminare des Masterstudiengangs International Media Studies (IMS) der DW-Akademie.
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