Digitale Selbstverteidigung
Eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter – dafür tritt „Digitalcourage e.V.“ schon seit 1987 ein. Mit aufklärenden Artikeln über Vorratsdatenspeicherung oder das Sammeln von Gesundheitsdaten setzt sich der Verein dafür ein, dass Menschen ihre digitalen Rechte einfordern.
Der Verein „Digitalcourage e.V.“ ist für den Grimme Online Award 2018 in der Kategorie Spezial nominiert. Mitgründerin Rena Tangens spricht unter anderem über die Datenschutzgrundverordnung und über die „BigBrotherAwards“, die seit 2000 jährlich verliehen werden.
Mit welchem Ziel habt ihr euch 1987 zu einem Verein zusammengeschlossen?
Die aktiven Besucherinnen und Besucher einer Veranstaltung namens „Public Domain“, die wir in Bielefeld organisiert hatten, haben sich zu diesem Verein zusammengeschlossen, damit wir zusammen etwas organisieren konnten. Das waren erst einmal praktische Erwägungen, um zum Beispiel ein gemeinsames Konto zu haben. Inhaltlich war uns zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass die Vernetzung von Computern eine unglaubliche gesellschaftliche Wirkung hat. Es war eine neue Welt, die es zu entdecken gab. Diese Welt wollten wir nicht nur erkunden, sondern sie auch mitgestalten und deswegen setzen wir uns seitdem für eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter ein.
Hieß euer Verein schon immer „Digitalcourage“ oder ist der Name erst später entstanden?
Wir hatten früher einen sehr schrägen Namen, der auf der Treppe zum Veranstaltungsort entstanden ist, nämlich „FoeBuD e.V.“, das völlig unsinnigerweise für „Verein zur Förderung des öffentlichen Bewegten und unbewegten Datenverkehrs“ stand. Damals dachten wir, es sei nicht wichtig, wie wir heißen, sondern nur das, was wir tun. Aber wenn wir viele Leute überzeugen wollen, mit uns zu kämpfen, dann ist es wichtig, dass sie uns auch wiedererkennen können. Deswegen haben wir uns 2012 zu unserem 25-jährigen Jubiläum endlich umbenannt und heißen seitdem „Digitalcourage“. Das kommt von „Zivilcourage“, denn das war der Begriff, der unseren Aktiven am wichtigsten war. Wir denken, dass der Name sehr gut ausdrückt, wofür wir stehen.
Was habt ihr Euch heute mit Eurem Verein zur Kernaufgabe gemacht?
Wir haben gleich mehrere. Zum einen wenden wir uns gegen Überwachung, sowohl von staatlicher Seite als auch von Digitalkonzernen. Wir setzen uns für Freiheitsrechte von Menschen ein und leisten Aufklärung. Wir sagen Menschen, auf was sie achten sollen, dass sie etwas tun können und nicht machtlos sind. Wir wollen der Resignation entgegenwirken. Wir geben Tipps zur „digitalen Selbstverteidigung“. Dabei geht es nicht nur um den individuellen Schutz im Netz, sondern auch darum, gemeinsam etwas zu verändern. Den meisten Menschen ist nämlich überhaupt nicht klar ist, was mit ihren Daten alles gemacht werden kann. Das geht über Überwachung hinaus und darüber möchten wir aufklären. Und gerade bereiten wir eine Verfassungsbeschwerde gegen den Staatstrojaner vor und wir freuen uns über die vielen Leute, die dabei mitmachen und uns unterstützen.
Ist die DSGVO für euch ein Thema? Wie beurteilt ihr sie?
Wir haben uns viele Jahre für die Datenschutzgrundverordnung eingesetzt. Wir haben den ganzen Werdegang in Brüssel verfolgt und eigene Punkte eingebracht. Wir haben die Bundesregierung vor uns hergetrieben, die stets behauptet hat, dass sie dafür wäre, sie aber immer wieder blockiert hat. Insgesamt denken wir, dass es die DSGVO ein guter Anfang ist, europaweit eine einheitliche Regelung zu haben. Es ist gut, dass jetzt das Marktortprinzip gilt. Das heißt, es zählt nicht, in welchem Land der Anbieter ansässig ist, sondern wo die Nutzerinnen und Nutzer sind. Wer also in Europa Geschäfte machen will, muss sich an die Regeln halten, die in Europa gelten. Das ist eine revolutionäre, tolle Neuerung! Wir sollten uns da auch nicht kirre machen lassen von Firmen, die behaupten, das wäre alles nur Bürokratie. Wir sollten unsere Rechte, die wir mit der Datenschutzgrundverordnung nun haben auch aktiv nutzen. Klar sind wir von Digitalcourage nicht mit allen Details der DSGVO glücklich. Sie ist halt ein Kompromiss. Aber dass der für ganz Europa erreicht wurde, ist eine beeindruckende Leistung in demokratischer Hinsicht.
Was sind die „BigBrotherAwards“?
Die „BigBrotherAwards“ sind die Oscars für Datenkraken. Es ist ein Negativpreis, der in verschiedenen Kategorien wie Politik, Technik, Arbeitswelt oder manchmal auch Lebenswerk verliehen wird. Da werden dann beispielsweise besonders schlimme Überwachungsgesetze ausgezeichnet oder auch technische Eigenheiten von Hard- oder Software und besonders schlimme Verfehlungen gegen die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. In der Jury sitzt eine ganze Reihe von sehr kompetenten Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen. Mit den „BigBrotherAwards“ wollen wir die Menschen aufklären. Es geht uns nicht darum, an den Pranger zu stellen, sondern wir wollen aufklären – und es handelt sich um ein Gesprächsangebot. Wir wollen die Welt verbessern! Wir wollen, dass Firmen ihre Geschäftsmodelle verändern, dass Technik datenschutzfreundlich und einfach gestaltet wird, dass Politikerinnen und Politiker einsehen, dass Freiheit in der Demokratie wichtiger ist, als alles unter Kontrolle haben zu müssen. Und die „BigBrotherAwards“ haben da in 18 Jahren schon viel erreicht.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft im Datenschutz?
Wir wünschen uns, dass die Politikerinnen und Politiker in Europa gegenüber Konzernen selbstbewusster werden. Wir wünschen uns, dass immer mehr Menschen aufwachen und sehen, dass Bequemlichkeit ein Feind der Freiheit ist. Um es einmal mit Albus Dumbledores Worten zu sagen: „Es wird die Zeit kommen, da ihr euch entscheiden müsst, zwischen dem was richtig ist, und dem, was bequem ist.“ Und da wünschen wir uns, dass Menschen, die richtigen Entscheidungen treffen.
Das Interview führte Mine Aktas
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Die Videos entstanden im Rahmen der medienpraktischen Seminare des Masterstudiengangs International Media Studies (IMS) der DW-Akademie.
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