Die Welt der Höhlenmalerei in 360°
36.000 Jahre alte, prähistorische Kunst aus der Nähe betrachten. Das ermöglicht ein 360°-Team von ARTE mit seiner Reportage „Die Grotte von Chauvet“. Mithilfe von VR-Brillen können die Zuschauer Einblicke in die 1:1-Nachbildung der Höhle, dessen Original niemand mehr betreten darf, bekommen und die außergewöhnliche Kunst der Höhlenmalerei entdecken.
„Die Grotte von Chauvet“ ist für den Grimme Online Award in der Kategorie Wissen und Bildung nominiert. Regisseur Philipp Mayrhofer spricht im Interview über die Bedeutung dieser Höhle und was diese Art von Reportage besonders macht.
Welche Bedeutung hat die Grotte von Chauvet in der Kunstgeschichte?
Die Grotte von Chauvet ist wichtig für die Kunstgeschichte, weil sie fantastische Wandmalereien von einer Qualität beinhaltet, die es sonst aus dieser Zeit nicht gibt. Diese Entdeckung hat die Kunstgeschichte auf den Kopf gestellt, weil man immer davon ausgegangen ist, dass sich das Kunsthandwerk und die Kunst geschichtlich linear entwickelt hat – das heißt von einer minderen zu einer besseren Qualität. Doch durch den Fund dieser Grotte und die Datierung der Wandmalereien, die 36.000 Jahre zurückliegt, hat man festgestellt, dass es eben nicht so ist, was den Kunsthistorikern tatsächlich zu denken gegeben hat. Die Tierdarstellungen zum Beispiel sind sehr naturalistisch gezeichnet. Man erkennt sogar Bewegungen, Charakterzüge, Tiere, die Angst haben und Tiere, die angreifen.
Welche technischen Mittel wurden für diese 360°-Reportage verwendet?
Wir haben ziemlich lange nach geeigneter Technik gesucht, die auf der Höhe unserer Anforderungen war. Wir wollten die Reportage nicht statisch machen. Aber in einem begrenzten Raum mit wenig Licht eine 360°-Kamera in Bewegung zu setzen ist zurzeit nicht einfach. Daher haben wir uns mit einer Drohne geholfen, wo dann die 360°-Kamera, eine Kamera, die in alle Richtungen gleichzeitig filmt, dranhing. Zudem hatten wir eine Art Buggy, also so etwas wie ein ferngesteuertes Auto mit einer Antenne, auf der ebenfalls eine Kamera befestigt war. Mit diesen zwei Dingen konnten wir dann diese bewegten Bilder machen, wo wir in der Höhle voranschreiten konnten und der Zuschauer dann wirklich das Gefühl hat, in diese Höhle reinzugehen. Das war uns wichtig bei diesem Projekt, dass die Leute dieses Erlebnis empfinden und die Höhle nach und nach entdecken.
Wie ist die Reportage aufgebaut?
Wir sind in Ardèche, also da wo sich die Höhle befindet. In der Reportage dringen wir mit der Moderatorin in diese Höhle ein. Wobei wir sagen müssen, dass es nicht die echte Höhle ist, sondern eine genaue Reproduktion, da die echte Höhle unter anderem wegen Denkmalschutz nicht öffentlich zugänglich ist. Wir erklären im Film, wie diese Reproduktion entstanden ist und gehen den Weg entlang, den auch die Besucher dieser Reproduktion gehen würden. Wir schreiten also mit der Moderatorin fort und entdecken nach und nach die sehr spektakulären Tierbilder, soweit es in dieser kurzen Zeit der Reportage möglich ist.
Was unterscheidet ihre Reportage von einer ganz normalen Fernsehreportage?
Ich würde sagen, unter der Voraussetzung, dass man die Reportage mit einer dafür vorgesehen Brille guckt, hat man ein anderes Gefühl der Präsenz, als wenn man einen normalen Film anguckt. Es funktioniert meiner Meinung nach mit 360° auch besser als beispielsweise 3D. 360° hat den Vorteil, dass man hingucken kann, wo man will. Als Regisseur hat man dann die Aufgabe, dies zu bedenken. Das heißt, dass man das Ganze anders inszenieren und schneiden muss als bei normalen Fernsehreportagen. Aber wenn es gelungen ist, dann hat man als Zuschauer das Gefühl, kurz in eine andere Welt einzutauchen.
Inwieweit ist 360° eine gute Möglichkeit, das Interesse bei den Menschen für solche Themen zu erwecken oder zu stärken?
Ich glaube jedes neue Medium, das es schafft, Leute zu überraschen und aus einer gewohnten Zuschauerhaltung herauszubekommen, kann ein Interesse für ein Thema wecken, das an sich vielleicht trocken wäre. Ein Medium, das eine neue Art der Rezeption und des Erlebnis freisetzt, sodass sich die Leute auf das Spiel einlassen möchten und es für sie währt, ihre Zeit für so ein Erlebnis zu opfern. Und 360° gehört zu dieser Kategorie von Medium.
Das Interview führte Mine Aktas
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