Mehr als nur ein Schützenfest
16 Nachwuchsjournalisten und -journalistinnen, 1200 Einwohner, ein deutsches Dorf namens Werpeloh. Zwei Wochen haben sich die Schülerinnen und Schüler des 37. Abschlussjahrgangs der Henri-Nannen-Schule in der Nähe dieses Dorfes einquartiert, um das Leben dort hautnah mitzuerleben und multimedial zu dokumentieren. Aus den Eindrücken entstanden dann Geschichten über Gülle-Influencer, die Jugend im Dorf oder das Schützenfest.
„Ein deutsches Dorf“ ist in der Kategorie Kultur und Unterhaltung für den Grimme Online Award 2018 nominiert. Lisa McMinn, Absolventin der Henri-Nannen-Schule und Teilnehmerin dieses Projektes erzählt im Interview über die Hintergründe des Projektes, die Hindernisse, die zu überwinden waren und ihre neu entdecke Liebe für Dörfer.
Was war die Idee hinter „Ein deutsches Dorf“?
Die Idee war eigentlich, etwas zu machen, was noch nie jemand gemacht hat. Es war so ein bisschen eine Wahnsinnsidee. 16 Journalisten leben eine Woche in einem Dorf. Unser Ziel war auf jeden Fall nichts zu verpassen, wir wollten ein Dorf komplett erfassen. Und das hatte so noch nie zuvor eine Zeitung oder ein journalistisches Projekt gemacht.
Warum habt ihr euch letztendlich zwei Wochen statt einer Woche dort einquartiert?
Weil es so gut war. Wir sind dann tatsächlich etwas länger geblieben als geplant. Manche sind ganz lange geblieben, andere eher kürzer. Es kam so ein bisschen darauf an, was sie dann vor Ort gemacht haben. Der Grund war einfach, dass es so gut geklappt hat. Die Leute haben uns positiv aufgenommen, haben uns eingeladen, uns auch total freimütig Dinge erzählt. Es sind einfach Geschichten entstanden, für die wir dann noch mehr Zeit haben wollten, als wir vorgesehen hatten.
Gibt es eine Botschaft, die sich über die Inhalte von „Ein deutsches Dorf“ vermittelt?
Was wir versucht haben, war einfach zu gucken, inwiefern es Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt und ob man es schafft, Vorurteile zu überwinden, wenn man ein Dorf von ganz Nahem betrachtet. Und ich glaube, das ist passiert. Wenn man Vorurteile oder Grenzen überwinden will, dann muss man einfach aufeinander zugehen.
Auf welche Hindernisse seid ihr während des Projekts gestoßen? Wie wurde es von den Dorfbewohnern aufgenommen?
Also erst einmal war es für uns eine große Herausforderung, weil wir zum ersten Mal überhaupt als Journalistenschülerinnen und –schüler mit einer kompletten Redaktion aufs Dorf gefahren sind. Wir hatten technische Herausforderungen, weil wir teilweise zum ersten Mal Videos gedreht oder Kameras bedient haben. Wir sind ins kalte Wasser geschmissen worden. Was die Dorfbewohner anging hatten wir anfangs erstaunlich wenig Probleme. Sie haben uns wirklich die Türen geöffnet. Aber nach ein paar Tagen sind viele Leute ein bisschen skeptisch geworden, weil sie gemerkt haben, dass wir bleiben und sehr nah dran sind. Ich habe zum Beispiel viel Zeit mit den Jugendlichen der Stadt verbracht und da gab es bei ihnen dann oft Gedanken wie: „was schreiben die jetzt über uns?“ oder „können wir denen vertrauen?“ Aber das war für uns auch gut, weil wir dabei natürlich auch gelernt haben, wie weit man als Journalist gehen kann. Was journalistisch interessant ist und was Privatsache bleiben muss. Ich glaube, das war für uns alle eine gute Schule.
Wie habt ihr euch angekündigt? Seid ihr mit dem Bus einfach in das Dorf reingefahren?
Ne, das war alles abgesprochen. Ein Mitschüler und ich sind schon mal vorgefahren. Wir hatten dieses Dorf über Sozialforscher in Berlin gefunden und haben dann den Bürgermeister kontaktiert. Die haben uns dann erst einmal eingeladen vorbeizukommen und uns vorzustellen. Wir haben gesagt, was wir gerne machen würden und daraufhin kam die Zustimmung. Zwei Wochen später sind wir dann angerollt.
Wie wurde das Projekt von den Lesern aufgenommen?
Unglaublich positiv. Wir haben ganz viele E-Mails bekommen von Menschen, die auch auf dem Land leben und gesagt haben: „genauso ist es!“. Ich persönlich habe viele Leserbriefe bekommen zu den Texten über die Jugend aus dem Dorf. Mir haben ganz viele Leute geschrieben, dass sie überhaupt nicht wissen, wohin sie gehören und dafür belächelt werden, wieder aufs Land ziehen zu wollen.
Was hast du persönlich von diesem Projekt mitnehmen können?
Ganz viel. Ich bin selber in einer Kleinstadt aufgewachsen und wollte immer unbedingt da weg. In Werpeloh habe ich gelernt, dass das eigentlich auch sehr sympathisch sein kann. Ich glaube, ich habe mich da so ein bisschen verliebt in Werpeloh und in diese Spießbürgerlichkeit. Ich sehe das auch nicht mehr ganz so negativ, sondern eher als das, was es vielleicht ist, nämlich wirklich so eine Art Rückgrat Deutschlands. Das klingt zwar bisschen übertrieben, aber es gibt überall diese kleinen deutschen Dörfer. Ich glaube ich habe gelernt, dass zu respektieren und auch sehr zu mögen und zu schätzen.
Das Interview führte Mine Aktas
Die Videos entstanden im Rahmen der medienpraktischen Seminare des Masterstudiengangs International Media Studies (IMS) der DW-Akademie.
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