Eine Wissenschaftlerin auf YouTube
Die Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim hat dem Labor den Rücken gekehrt und macht unter anderem Videos für ihren YouTube-Kanal „maiLab“. Dort füllt sie auf eine verständliche, aber auch eine unterhaltsame Art und Weise das Halbwissen ihrer ZuschauerInnen über die Themen Low-Carb-Diäten, Tierversuche oder Genetik auf. Ihre spürbare Begeisterung für die Wissenschaft ist dabei sehr ansteckend.
Der YouTube-Kanal „maiLab“ ist für den Grimme Online Award 2018 in der Kategorie Wissen und Bildung nominiert. Im Interview erzählt Mai Thi Nguyen-Kim unter anderem, wie ihr Angebot von ihrem ZuschauerInnen aufgenommen wird und was ihre WissenschaftskollegInnen zu ihrem YouTube-Auftritt sagen.
Welche Motivation steckt hinter dem YouTube-Kanal „maiLab“?
Bis vor zwei Jahren war ich jeden Tag als Wissenschaftlerin im Labor und habe mit großer Leidenschaft geforscht. Irgendwann habe ich aber festgestellt, dass es mir auch sehr viel Spaß macht mit anderen Leuten über meine Forschung zu reden, was ich als sehr wichtig empfinde. Deswegen möchte ich mit dem Kanal „maiLab“ Leute dazu bringen, sich für Wissenschaft zu interessieren.
Wieso benutzt du YouTube als Format?
Ich glaube, YouTube ist eine super Plattform für meine Arbeit. Das Video als Medium ist so vielschichtig. So kann man wissenschaftliche Inhalte, die oft auch gesellschaftlich relevant sind, so verpacken, dass man eben genau diejenigen erreicht, die sich von alleine gar nicht damit auseinandersetzen würden. Bei wissenschaftlichen Artikeln ist es zum Beispiel nicht möglich. In meinem Fall ist es zudem so, dass es mir der ganze Prozess, ein Video zu produzieren, Spaß macht. Es ist glaube ich auch wichtig, dass die Leute eine echte Wissenschaftlerin vor der Kamera sehen.
Woher kommen deine Videoideen? Richtest du dich da auch nach deinen ZuschauerInnen?
Manche Sachen kommen einfach von mir. Es sind dann meistens gesellschaftlich relevante Themen, bei denen ich der Meinung bin, dass da ein wissenschaftlicher Blick darauf fehlt. Aber vieles kommt auch von meinen ZuschauerInnen. Ich versuche auch immer, alle Kommentare durchzulesen. Das heißt, ich nehme es schon ernst, was die Leute schreiben und worüber sie gerne mehr erfahren möchten.
Wie wird dein Angebot von den ZuschauerInnen aufgenommen? Stößt du auch auf Kritik?
Wir hatten bei maiLab schon immer eine sehr hohe Interaktion im Vergleich zu unserer Viewzahl. Ich finde es interessant, was für Diskussionen unter meinen Videos entstehen. Die Kommentare sind überwiegend positiv – ich glaube, das liegt daran, dass meine ZuschauerInnen wissen, dass ich meinen Kanal selbst moderiere. Aber natürlich gibt es auch bei mir nicht-konstruktive Kritik, das Meiste sehe ich allerdings entspannt. Wenn aber rassistische oder sexistische Kommentare kommen, dann blockiere ich die Nutzer. Es kommt auch oft vor, dass ich innerhalb einer Kritik persönlich angegriffen werde. Da ignoriere ich die Beleidigungen und antworte darauf mit allen Regeln der gewaltfreien Kommunikation. Hier habe ich schon mehrmals die Erfahrung gemacht, dass danach ein respektvoller Austausch stattfindet. Oft entschuldigen sich die Leute dann auch bei mir.
Wie ist deine Vorgehensweise bei der Produktion deiner Videos?
Die meiste Zeit geht in die Recherche. Ich fange meistens damit an, dass ich erst einmal ganz normal im Internet nachgucke, was für Beiträge es überhaupt zu diesem Thema gibt. Hierbei versuche ich immer, wissenschaftlich fundierte Quellen zu finden. Da ich Wissenschaftlerin bin, habe ich ja auch einen guten Zugang dazu. Ich schreibe dann auch Experten an, um Hintergrundgespräche zu führen. Die Recherche macht mir unglaublich Spaß, das ist auch so ein bisschen meine Kompensation für die Forschung, die ich jetzt nicht mehr machen kann. Irgendwann setze ich mich dann hin und schreibe ein Skript. Mir ist es nämlich sehr wichtig, dass da ein guter roter Faden ist. Ich hoffe aber auch, dass es später beim Dreh trotzdem spontan wird. Die Videos nehme ich in der Regel zu Hause auf. Nach dem Schnitt schicke ich es an meine Kollegin Melanie Gath, damit sie die Grafiken machen kann. So ist der Arbeitsprozess.
Hast du nicht das Gefühl, deine Reputation als Wissenschaftlerin zu beschädigen, mit dem doch oft sehr humorvollen Umgang mit den Themen? Wie ist die Reaktion von WissenschaftskollegInnen?
Der wissenschaftliche Betrieb ist sehr hierarchisch, politisch und bürokratisch. Viele spüren quasi am eigenen Leibe, wie schlecht teilweise Wissenschaft kommuniziert wird. Die meiste Forschung basiert ja auf öffentlichen Geldern. Da sehe ich dann die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Verantwortung, ihre Arbeit dementsprechend der Öffentlichkeit zu erklären. Das kann man von ihnen aber nur bis zu einem gewissen Punkt verlangen, weil sie meistens institutionell abhängig sind. Hier sehe ich mich dann als eine gute Dolmetscherin, weil ich ja selber mal im Labor gearbeitet habe. Das sehen meine wissenschaftlichen Kollegen erstaunlicherweise genauso. Für meine MedienkollegInnen dagegen ist es etwas kurios, dass ich aus dem Labor rausgegangen bin und jetzt „Quatsch“ auf YouTube mache – mal überspitzt gesagt.
Wo siehst du „maiLab“ sich hin entwickeln?
Was ich machen will ist guter, differenzierter Wissenschaftsjournalismus. YouTube ist da für mich ein Mittel zum Zweck. Ich möchte auch wirklich ausnutzen, dass ich eine ausgebildete Wissenschaftlerin bin. Ich möchte einfach einen Kanal schaffen, wo die Leute zwar unterhalten werden, aber sich dann anschließend damit intensiv beschäftigen wollen. Ich halte mein Publikum für genauso schlau wie mich, der Unterschied ist aber, dass sie nicht die nötige Ausbildung haben oder die Zeit, sich Informationen zu beschaffen. Und das nehme ich ihnen ab.
Das Interview führte Mine Aktas
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