Ein Reporter und der Jugendstil
Mit dem jungen Reporter Christian Heller begeben wir uns auf eine Reise um das Jahr 1900. Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg schickt uns mit der fiktiven Figur im Webjournal „Bewegte Jahre. Auf den Spuren der Visionäre“ an Orte wie Paris, Wien oder Glasgow, wo wir auf den Spuren des Jugendstils sind. Dabei treffen wir auf reale, historische Persönlichkeiten und sehen Dokumente, Objekte und Fotos aus den Beständen des Museums.
Das Webjournal „Bewegte Jahre. Auf den Spuren der Visionäre“ ist für den Grimme Online Award 2018 in der Kategorie Kultur und Unterhaltung nominiert. Im Interview spricht Dr. Manuela van Rossem aus der Vermittlungsabteilung des Museums unter anderem über die Hintergründe des Projekts, wer hinter Christian Heller steckt und warum er erfunden ist.
Unter welcher Idee und Motivation ist das Webjournal „Bewegte Jahre“ entstanden?
Wir hatten 2015 bei uns im Museum die große Sonderausstellung „Jugendstil. Die Große Utopie“ Im Zuge dessen wollten wir die großen Erkenntnisse, die wir vor allem in dieser Sonderausstellung gewonnen haben, gerne behalten. Wir wollten auch den Leuten die Möglichkeit geben, in diese Zeit einzutauchen. Zudem war es uns wichtig, die großen Akteure rund um Sigmund Freud oder den Architekten Henry van de Velde vertiefend darzustellen. Es ging uns auch darum zu zeigen, dass ihre Ehefrauen teilweise eine sehr große Rolle in diesem europäischen Jugendstil gespielt haben, da es in der Geschichtsschreibung bis heute nicht so wirklich angekommen ist. Das war sozusagen die Motivation dafür, dieses Webjournal zu starten. Wir haben uns letztendlich dann für dieses Format entschieden, um auch die jüngeren Leute an dieses Thema heranzuführen.
Wie ist das Webjournal aufgebaut?
Das Webjournal ist wie ein Reisetagebuch aufgebaut. Es erzählt von einem jungen Reporter, der im Hamburger Gängevierel aufwächst, wo damals noch wirklich katastrophale Zustände herrschten. Wir lassen ihn uns also seine Lebensumstände erzählen. Er bekommt später die große Chance, Reporter zu werden und bereist für eine Hamburger Zeitung die wichtigen Orte in der Zeit um 1900 wie Paris, Wien oder Glasgow. Dort lernt er vor Ort die verschiedenen Persönlichkeiten kennen und taucht mit ihnen zusammen in die Zeit ein.
Warum habt Ihr euch für einen fiktiven Reporter und keine echte historische Figur entschieden?
Das erschien uns am schlausten, um diese Orte und Persönlichkeiten um 1900 miteinander zu verbinden. Das hätte man natürlich auch mit einer historischen Figur machen können, aber wir haben keine gefunden, die man so gut durch die Orte und Zeit lenken kann. Der fiktive Reporter ist bestimmt auch ein Kritikpunkt, auf der anderen Seite ist es aber so, dass wir das nicht verschleiern. Zudem sind die Orte, die er bereist, und die Personen, die er trifft, real. Das alles kann auch anhand der Quellenangaben nachvollzogen werden.
Welche Inspirationen stecken hinter der Biographie des Reporters?
Für uns war es wichtig, dass es jemand ist, der in diesen wichtigen Jahren all diese Orte bereist und offen genug ist, sich auf diese ganzen Geschichten einzulassen. Zudem haben wir darauf Wert gelegt, dass es eine Figur ist, mit der sich zum Beispiel auch ein jüngeres Publikum gut identifizieren kann. Es ging uns auch darum, durch zusätzliche Ereignisse, wie Liebesgeschichten, den Spannungsbogen zu halten. Das alles wäre mit einer historischen Figur nicht möglich gewesen, um noch einmal darauf zurückzukommen.
Welche Reaktionen habt Ihr einerseits von Museumsleuten und andererseits von Nutzern erfahren?
Die Nutzer waren alle hellauf begeistert. Auch den Verbänden, mit denen wir zusammengearbeitet haben, gefiel es sehr gut. Bei den Museumsleuten ist es allerdings sehr geteilt. Die meisten finden es toll, weil es eine ganz neue Herangehensweise ist und sich sonst selten jemand an so etwas herantraut. Andere dagegen haben Schwierigkeiten mit der fiktiven Figur. Sie finden, dass das zu unterhaltsam ist und deswegen die Wissenschaftlichkeit fehlt. Aber insgesamt war die Resonanz sehr positiv.
Könnte dieses Format in weitere Bereiche in der Vermittlung der Kunstgeschichte übertragen werden?
Ja, auf jeden Fall. Ich würde vielleicht jetzt nicht noch einmal so ein Tagebuch machen, aber wir haben wahnsinnig viele Ideen, die weit darüber hinaus gehen. Ich glaube auch, dass so eine digitale Vermittlung heutzutage enorm wichtig wird. Das heißt jetzt nicht, dass wir das Analoge komplett vergessen und außen vorlassen, sondern das Analoge mit dem Digitalen zu verbinden. Ich glaube, da liegt auch wirklich der Reiz: Für mich ist das Digitale ein Mittel, um Menschen überhaupt erst einmal mit den Museumssammlungen in Berührung kommen zu lassen. So erschließen wir uns auch neue Besuchergruppen.
Das Interview führte Mine Aktas
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Die Videos entstanden im Rahmen der medienpraktischen Seminare des Masterstudiengangs International Media Studies (IMS) der DW-Akademie.
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