Von der Demo zur Bekanntgabe
Endlich ist das Geheimnis gelüftet – letzten Donnerstag durften wir die Nominierungen für den diesjährigen Grimme Online Award bekanntgeben. 28 publizistische Angebote aus dem Netz können sich in vier Kategorien über eine Nominierung freuen. Voll war es im Raum der Bekanntgabe im „Startplatz“ in Köln. Gut gelaunt versammelten sich die Anbieterinnen und Anbieter, stellten ihre Inhalte vor und lauschten gespannt den Berichten und Erfahrungen der anderen Nominierten.
Es ist viel los im Netz. Clickbait lockt mit reißerischen Überschriften und Fake News sammeln sich. Schnell verliert man den Überblick und qualitativ hochwertige Plattformen können hier untergehen. Der Grimme Online Award fischt sie aber wieder raus. „Wir wollen mit unserem Preis die Orientierung bieten“, sagte Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach bei der Eröffnung.
Meinung provozieren
Die Kategorie „Information“ ist von funk-Angeboten geprägt. Das junge Netzwerk von ARD und ZDF kann sich hier gleich über drei Nominierungen freuen. Das Format „Deutschland3000“ möchte Jungen Menschen unter 30 Politik näherbringen – das geht am besten über das Internet, in diesem Fall über Facebook. Neutral ist das nicht immer: „Wir haben gesehen, da wo man mit einer starken Meinung rausgeht und eine Reibungsfläche bietet, da teilen das Menschen. Vor allem aber reiben sie sich und man kann diese von Facebook jetzt beschworenen ‚Meaningful Interactions‘ provozieren, also echte Diskussionen, einen Austausch und Leute auf neue Gedanken bringen“, bemerkte Eva Schulz, Moderatorin von „Deutschland3000“.
Etwas ernster ging es bei den Nominierten der Kategorie „Wissen und Bildung“ zu. Jeder kann heutzutage etwas online posten, das macht einen aber nicht direkt zum Experten. Informierte Berichterstattung muss her. „Mit ‚RiffReporter‘ haben wir eine Nische für freie Journalisten geschaffen, die spezielle Expertisen haben – damit setzen wir dem Schwinden des Wissenschaftsjournalismus etwas entgegen“, so Tanja Krämer, die gemeinsam mit Christian Schwägerl das Konzept entwarf.
Ein paar Zeitreisen
Das Thema ist für die Region weiterhin aktuell und wird hier in einer berührenden Form umgesetzt: Das Projekt „Schmerz“ der Schwäbischen Zeitung befasste sich mit einer Tragödie, die mittlerweile über 15 Jahre zurückliegt. Die Aufarbeitung des Flugzeugunglücks bei Überlingen wurde sogar ins Russische übersetzt, um die Betroffenen in Russland zu erreichen.
Noch weiter in die Vergangenheit reist Nora Hespers in ihrem Podcast „Die Anachronistin“ über ihren Großvater Theo Hespers in der Widerstandsbewegung während des 2. Weltkriegs. Diese historische Aufarbeitung ist auch mit aufwändigen Nachforschungen verbunden.
Nora Hespers „Die Anachronistin“
Egal, wie weit der Krieg zurückliegt, es kann mit Erschrecken festgestellt werden: Die Themen von Ausgrenzung und Nationalismus sind auch heute noch immer relevant.
Die App für Kinder und Erwachsene
Lockerer wurde es bei der Kategorie „Kultur und Unterhaltung“. Die KiKANiNCHEN-App ist ein Kinderangebot – eigentlich. Wie Michael Schwertel von der Nominierungskommission feststellte, können sich aber „auch Erwachsene gar nicht mehr davon lösen“ und verbringen gerne mal ein wenig Zeit damit, die bunte Welt der App für sich zu entdecken. Bei der eigentlichen Zielgruppe kommt die App auch klasse an. „Meine Kinder schlafen mit der Musik aus der App super ein“, lobte Christian Karch vom Bohemian Browser Ballett. Dass beim Äpfel ernten, wozu man das Smartphone schütteln muss, auch mal das ein oder andere iPhone durch die Gegend fliegt, möchte man den Machern deshalb verzeihen.
In der KiKANiNCHEN-Welt können Kinder unter anderem eigene Tierwesen erschaffen, bei „Ein deutsches Dorf“ besuchten junge JournalistInnen der Henri-Nannen-Schule Tiere direkt. Im Dorf Werpeloh in Niedersachsen gibt es pro Mensch zehn Schweine und ansonsten … viel Feld. Mit diesem Projekt im Emsland wollten die AbsolventInnen den Blick einmal auf einen Teil des Landes richten, der in den Medien lange nicht beachtet wurde. Dass das Dorfleben gar nicht so langweilig ist, wie vielleicht zuerst gedacht, erfuhr der Lehrgang gleich am ersten Tag beim Marsch zum Vatertag. Nico Schmidt berichtet zum Drehtag der etwas anderen Art:
Nico Schmidt „Ein deutsches Dorf“
Wir wollen die Kirche jetzt mal im Dorf lassen. Naja, nicht die Kirche. Und als Dorf kann man Hamburg Horn wohl auch schlecht bezeichnen. Hier wird nämlich eine Kirche in eine Moschee umgewandelt. So kam es zu der Webdoku „Eine Kirche wird zur Moschee“. An muslimischen Protagonisten mangelte es Özgür Uludag nicht, nur christliche ließen auf sich warten. „Ich bin ein dreiviertel Jahr der evangelischen Pastorin hinterhergerannt“, berichtete Uludag. Gelohnt hat es sich – die Webdoku ist zum virtuellen Denkmal geworden.
Aktivismus in der Kategorie „Spezial“
Manche Online-Angebote passen super zu den festgelegten Kategorien. Und dann gibt es noch solche, die irgendwie in keine Box passen, aber trotzdem Tolles leisten. Deshalb gibt es auch die Kategorie „Spezial“, in der es diesmal drei Nominierungen gibt. Von der Demo direkt zur Bekanntgabe kam padeluun von „Digitalcourage“, das Protestschild lehnte er hinter sich an die Säule. Auch der Veranstaltungsraum wurde für einen kurzen Moment zum Mini-Protest: „Ich finde auch, sämtliche Öffentlich-Rechtlichen müssten sofort mit Facebook aufhören.“
Zum Nachdenken bewegte auch Raul Krauthausen. Mehr Inklusion ist wichtig, auch in der Medienwelt. Viel zu selten sind Menschen mit Behinderung dargestellt. „Medienmachende müssen Brücken bauen“, forderte Krauthausen auf. Zum Thema Inklusion lassen wir ihn am besten selbst zu Wort kommen.
Die Nominierten schaffen mit ihren publizistischen Angeboten Herausragendes im Internet – und das erkannte auch die Nominierungskommission an. Welche der nominierten Angebote mit einem Grimme Online Award ausgezeichnet werden, das wird bei der Preisverleihung am 22. Juni bekanntgegeben.
Über die nächsten Wochen hinweg lassen wir die Macher der Angebote zu Wort kommen. Regelmäßig stellen wir Interviews mit den Nominierten online. Reinschauen lohnt sich!
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