Der Kampf gegen die verführerische Lüge
Ein reißerischer Titel, eine Portion Dramatik mit Bezug auf aktuelle Politik und ein scheinbar von der Öffentlichkeit bisher ignorierter Skandal – das ist das Grundrezept für sogenannte „Fake News. Ein Begriff, der im letzten Jahr die Debatte um Qualität und Vertrauenswürdigkeit von vorwiegend online publizierten Artikeln neu entfachte. „Fake News“ sind keine klassischen Falschmeldungen, sondern bewusst manipulierte Artikel, die Unwahrheiten möglichst reichweitenstark und optisch kaum von seriösen Informationsquellen unterscheidbar in Umlauf bringen. Schon im Jahr 2016 war mit der „Hoaxmap“ ein Angebot nominiert, das erfundene Meldungen richtigstellt. Ein Blick in die Liste der Vorschläge zum Grimme Online Award 2018 zeigt, dass sich in diesem Jahr besonders viele Angebote der Auseinandersetzung mit „Fake News“ stellen. Auf unterschiedliche Art versuchen sie, für den Umgang mit Medieninhalten zu sensibilisieren.
Faktenchecks in Text, Bild und Ton
„Fake News“ stellen eine große Herausforderung für die klassischen Medien dar: Im Zuge der Debatte geriet die journalistische Gattung des „Faktenchecks“ wieder in den Fokus der redaktionellen Arbeit von Fernsehsendern, Zeitungen und Onlinemedien. Ein klassisches Beispiel liefert „tagesschau.de“ mit der Rubrik „Faktenfinder„. Hier werden tausendfachgeklickte und geteilte „Fake News“ entlarvt und richtiggestellt. Darüber hinaus werden in Video-Tutorials die wichtigsten Faktoren zur Erkennung von Fakes vorgestellt, die die Online-Medienkompetenz stärken.
Einen ähnlichen Weg geht die Plattform „stimmtdas.org„, gegründet von einem Team aus Studenten und Volontären. Sie analysieren nicht in Umlauf gebrachte Artikel, sondern beschränken sich auf einzelne Aussagen von Politikern in Interviews, Talkshows oder in verfassten Tweets. Verschiedene Abstufungen von „stimmt“ über „stimmt teilweise“ bis hin zur Kategorie „Scharlatanerie“ zeigen den Wahrheitsgehalt der getätigten Aussage an. Man erkennt schnell: Vor allem Politiker des rechten politischen Spektrums verdrehen bewusst die Fakten. Doch nicht nur Aussagen von Politikern der AfD sind falsch, auch bei denen der anderen Parteien fällt der Test nicht immer positiv aus. Somit bietet die Seite eine transparente und schnelle Übersicht über Politiker, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen und ihre politischen Forderungen mit verdrehten Fakten untermauern. „Stimmtdas.org“ und der „Faktenfinder“ zeigen, wie mittels journalistischer Recherche Lügen entzaubert und manipulative Strategien offengelegt werden können.
Das Geschäft mit der Lüge
Um das System der Verbreitung und Wirkung von Fake News zu verstehen, nähern sich zwei Angebote dem Thema spielerisch. Das aus den USA adaptierte Game „Fake it to make it“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Zusammenarbeit mit der Landesregierung Niedersachsen versetzt den User in die Lage eines Seitenbetreibers. Dieser versucht, möglichst viel Reichweite mit Online-Artikeln zu erzielen, die – sofern sie passend auf den verschiedenen Kanälen platziert sind – viele Klicks und Likes generieren. Schnell lernt man, was für eine reichweitenstarke Verbreitung des Artikels notwendig ist: Ein möglichst aufmerksamkeitserregender Clickbait-Titel wie beispielsweise „BEWEIS – Der Bundeskanzler ist ein Mitglied dieser Sekte!“. Dabei kann es sowohl um Politik, als auch um süße Katzenbilder gehen – erlaubt ist, was erfolgreich geklickt wird. Ziel des Spiels ist es, die fragwürdigen Inhalte besonders vertrauenswürdig aussehen zu lassen, um damit möglichst viel Geld zu verdienen. Das Spiel zeigt eindrücklich, wie die strategische Streuung von Fake News funktioniert und sensibilisiert somit den Blick auf die Informationsverbreitung in sozialen Netzwerken.
Die „Fake News App“ von der Landeszentrale für politische Bildung NRW nutzt ebenfalls eine spielerische Herangehensweise: Hier schlüpft der User in die Rolle eines Praktikanten einer Online-Redaktion. Im Zuge seines ersten veröffentlichten Artikels über die scheinbaren Gefahren eines neuen Smartphones tappt er in die Fake-News-Falle. Das Spiel fokussiert sich auf die Entstehung von aufgebauschten, offensichtlich quellenarmen und falschen Behauptungen, die aber letztlich viel Aufmerksamkeit erregen. Doch im Verlauf des fiktiven Praktikums lernt der User, was es heißt, die journalistische Sorgfaltspflicht einzuhalten. Besonders an diesem Spiel ist die Visualisierung: Es läuft ausschließlich über einen fiktiven Smartphone-Bildschirm, auf dem der Praktikant mit Kollegen chattet oder recherchiert. Durch die Konversationen bekommt der User schnell ein Gefühl, wie ein Online-Journalist bestenfalls handeln muss, um möglichst keine Fakes zu produzieren. Der spielerische Zugang der beiden Angebote macht die Mechanismen hinter den „Fake News“ besonders schnell sichtbar.
Medienkompetenz – wichtiger denn je
Dass Fakes aus dem digitalen Raum verschwinden, ist eher eine Wunschvorstellung als ein realistisch umzusetzendes Ziel. Deswegen fördern einige Anbieter gezielt die Medienkompetenz von Usern. So soll im Strom der Informationen auf den einzelnen Plattformen der Blick für die Unterscheidung zwischen vertrauenswürdiger Nachricht und reißerischem Fake geschärft werden. Ein Beispiel ist die von den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosendern unter der Federführung des BR initiierte Plattform „so-geht-medien.de„. Sie richtet sich speziell an jüngere User: In Video-Reportagen wird alles rund um das Thema abgedeckt – von der Entstehung über die Verbreitung bis hin zur Identifikation von Fakes. Doch nicht nur die Bekämpfung von Fakes im Internet wird dort behandelt, auch die journalistische Arbeit oder das öffentliche-rechtliche Rundfunksystem stehen bei „so-geht-medien.de“ im Vordergrund der Erklärungen.
Ein besonderes Augenmerk auf die Interaktion mit jungen Usern legt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit dem Projekt „FakeFilter„, das 2017 für sechs Wochen auf YouTube und der gleichnamigen Website lief. Als Motor der Aktion hat man den YouTuber MrTrashpack (aktuell etwa 750.000 Abonnenten) für Tutorials rund ums Thema „Fake News“ gewinnen können. Unter den Videos wurde das Team der bpb aktiv: Sie beantworteten Fragen und Kommentare der Community und diskutierten mit ihr. Insgesamt zehn Videos auf dem YouTube-Kanal von MrTrashpack sind so entstanden, die durch ein Informationstool auf fakefilter.de ergänzt werden. Der User wird so umfassend informiert, dass theoretisch keine Fragen offen bleiben sollten.
Richtungsweisend in Sachen „factchecks“ sind derzeit die USA. Zum Beispiel mit Datentools wie dem „Truth-o-Meter“ von der Pulitzer-Preis-prämierten Plattform „Politifacts“, der Aussagen von Politikern in kurzer Zeit verifiziert. Doch die Auswahl der für den #GOA18 eingereichten Angebote zeigt, wie ernst das Problem der irreführenden Informationen durch „Fake News“ auch in Deutschland genommen wird und wie wichtig sowohl die journalistische Aufarbeitung von verbreiteten Fakes, als auch die Förderung der Medienkompetenz der User ist.
Ob eines der hier vorgestellten Angebote die Nominierungskommission im Rennen um den Grimme Online Award 2018 überzeugen kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Vor ein paar Tagen haben sich nahezu alle großen Medien wieder einmal auf das Thema Fake News eingeschossen. Angeblich verbreiten sich Fake News (wenn sie „richtig“ gemacht sind) innerhalb von 20 Minuten großflächig. Da es ja einige Thinktanks für solche Portale gibt ist es meiner Ansicht nach nahezu unmöglich dagegen vorzugehen. Die eingesetzten Menpower reicht vollkommen aus um Meinungen nachhaltig zu beeinflußen.
Propagandamaschinen und Propagandaroboter sprechen für sich. Schön wäre es, wenn jedes newsbetreibende Unternehmen seine Interessen differenzierter deklariert und den Lesern, Rezipienten dies verständlich macht.
Wow, vielen Dank für die tollen Tipps! Da hast du absolut recht, hinter jedem Blog sollte eine klare Strategie stehen. Es ist wichtig zu wissen, was man erreichen möchte und wohin man sich entwickeln will, bevor man startet. Und natürlich darf man den zeitlichen Aufwand nicht unterschätzen. Einmal viel schreiben und dann jahrelang pausieren funktioniert nicht wirklich. Der Inhalt, also der Content, muss natürlich auch stimmen. Langweilige oder zu kurze Beiträge bringen nicht viel. Danke nochmal für die großartige Übersicht!