Von Mettigeln und Terrorbekämpfung
„Konvergenz“ – alle reden immer irgendwie davon, wir arbeiten damit: Beim Grimme-Preis dürfen inzwischen auch Produktionen teilnehmen, die gar nicht im linearen Fernsehen ausgestrahlt werden, sondern im Internet laufen. Klar, dass wir vom Grimme Online Award da auch mal einen Blick drauf werfen. Hier stellen wir ein paar beim Grimme-Preis nominierte Produktionen mit Webbezug vor:
DIY mit Hazel Brugger
Nominiert in der Kategorie Unterhaltung, ist „DIY“ eine Produktion der heute-show des ZDF, die auf YouTube läuft und bei der die Kabarettistin Hazel Brugger mit Politikern Interviews führt, während sie mit ihnen bastelt. Hazel Brugger stellt den Politikern auf trockene und scheinbar emotionslose Art Fragen, die teilweise zu irritierten Blicken und ungewöhnlichen Antworten bei ihren Interviewpartnern führen. Man hat hier manchmal das Gefühl, dass ihnen in diesen Momenten gar nicht bewusst ist, wie viel sie mit ihren Antworten eigentlich von sich und ihren Überzeugungen preisgeben. Man könnte hier auch von einem Überraschungsakt durch absurde Fragentechnik sprechen. Hazel Brugger ist sich aber auch selbst nicht zu schade, mit ihren Bemerkungen zu polarisieren.
Dass sich die Politiker nebenbei noch mit dem Basteln von veganen Mettigeln, Freakshakes und Musikinstrumenten beschäftigen, ist überaus unterhaltend.
The Art of Gaming
Die ARTE-Produktion „The Art of Gaming“ hat Chancen auf einen Spezialpreis in der Kategorie Information & Kultur. Hier gibt es Let’s Play-Videos der anderen Art: Gamer, Journalisten oder auch Psychologen beschreiben nicht einfach nur, was und wie sie gerade spielen, sondern sprechen auch über Themen wie Liebe, Frustration, Teamgeist oder Ideologien. In einer Folge geht es z.B. um die Bedeutung von Essen in unserer Kultur und was Nahrung in Games bei uns auslöst.
Bei „Birds“ wird der Frage nachgegangen, warum in Games so häufig Vögel auftauchen, ob als Figur oder als Opfer und was sie für uns symbolisieren. So bietet das Format über die Spiele hinaus Diskussionsaspekte in der realen Welt und schafft hier eine Brücke.
Bongo Boulevard
Im Wettbewerb Kinder & Jugend ist der YouTube-Kanal „Bongo Boulevard“ von funk nominiert, bei dem Marti Fischer und Marie Meimberg jeden Mittwoch mit verschiedenen Musikern, auch an besonderen Orten, Musik machen und ihre Gäste interviewen. So hat Fynn Kliemann Anfang des Jahres auf einer Plattform in 54 Metern Höhe den Song seiner ersten Platte live gesungen. Es ist ein herrlich ungezwungenes Format, das von teils verrückten Ideen, besonders aber von der Liebe zur Musik lebt. Es vermittelt eine Nähe zu den Musikern und schafft Wohnzimmerkonzertatmosphäre.
Germania
Ebenfalls im Wettbewerb Kinder & Jugend tritt der YouTube-Kanal „Germania“ an, ebenfalls ein Angebot von funk. Im letzten Jahr war er bereits beim Grimme Online Award nominiert. Hier kommen junge Menschen mit Migrationshintergrund, meist aus dem Kulturbereich, zu Wort, die über ihr Leben in und ihren Bezug zu Deutschland berichten. Hierbei bietet „Germania“ Bilder und Ansichten abseits der Erwartungen. So nennt der spanische Musiker Kid Simius als Beispiel für seine Integration in Deutschland, dass er jetzt Wasser mit Sprudel trinkt. Etwas, das in Spanien eher unüblich ist. Die Moderatorin Salwa Houmsi hat syrische Wurzeln und spricht darüber, was für sie Heimat bedeutet und wie es für sie war, als sie Syrer in Flüchtlingsheimen interviewt hat. Wir lernen hier durch die kurzen Porträts nicht nur die Künstler besser kennen, sondern erweitern durch ihre Sichtweise auch unseren Blick auf Deutschland.
Terrorjagd im Netz
Der Dokumentarfilm „Terrorjagd im Netz“ von RBB und ARTE gehört zu der dreiteiligen Serie „Welt 3.0 – Die Macht der Algorithmen“ und wurde in der Kategorie Information & Kultur nominiert. Dieser Film lässt uns tief eintauchen in die Welt der Cyberkriminalität und Massenüberwachung und zeichnet anhand von diversen Experteninterviews den Weg des Terrors im Netz bzw. den Umgang der Regierungen damit nach. Das Netz ist beinahe unendlich und so sind es auch unsere Daten. Der, auch durch Massenüberwachung gesammelte Datenwust sorgt dafür, dass die Geheimdienste beim Auswerten dieser Daten ca. ein Jahr hinterherhinken. Jeder Terrorist hat also theoretisch ein Jahr Zeit, seinen Anschlag vorzubereiten. An Daten an sich mangelt es also nicht. Was aber fehlt, sind die Analysten, die diese auswerten und richtig einordnen sowie Verknüpfungen herstellen können.
„Terrorjagd im Netz“ zeigt eine Alternative zur bisherigen Überwachungsmethodik auf. Programmierer arbeiten an einer Software, die mittels Künstlicher Intelligenz und Open Source Intelligence frei verfügbare Daten im Netz, z.B. aus Sozialen Netzwerken analysiert und auswertet. So kann sie auf Verknüpfungen hinweisen, die sonst vielleicht übersehen werden.
Wir sind gespannt, ob eine – oder sogar mehrere – der hier vorgestellten Angebote dann auch einen Preis bekommen wird. Am 14. März werden die Preisträger zum diesjährigen Grimme-Preis bekannt gegeben, die Preisverleihung ist am 13. April.
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