Überfüllte Straße oder Autobahn im Vorgarten?
Johannes Wöpkemeier hat gemeinsam mit Jürgen Krüger für die Zeitung „Neue Westfälische“ das Multimedia Special „Ein Jahrhundertprojekt – die A30-Nordumgehung“ entwickelt. Das Special zeigt mit verschiedenen medialen Formen das umstrittene Projekt der A30-Nordumgehung bei Bad Oeynhausen aus den Perspektiven der Gegner und Befürworter. Der Spatenstich für die jahrzehntelang diskutierte Autobahn erfolgte im Jahr 2008. Voraussichtlich im Jahr 2018, zehn Jahre später, wird die Autobahn eröffnet. Das Multimedia-Special ist in der Kategorie „Information“ für den Grimme Online Award 2017 nominiert. Im Interview spricht Johannes Wöpkemeier, Student der Film- und Fernsehproduktion an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, über das Projekt.
Worum genau handelt es sich bei der A30 Nordumgehung Bad Oeynhausen?
Bei der Nordumgehung handelt es sich um eine Umgehungsautobahn um Bad Oeynhausen herum. Sie soll nach Fertigstellung die Mindener Straße, also die Verbindung zwischen den Autobahnen A2 und A30, entlasten. Durch die deutsche Wiedervereinigung ist der Durchgangsverkehr deutlich angestiegen. Viele Güter werden von Amsterdam durch Bad Oeynhausen bis in die baltischen Staaten geliefert. Wie durch ein Nadelöhr quält sich meistens der Verkehr über die Mindener Straße. Die Folge: Ein Dauerstau während der Hauptverkehrszeit, weil es quasi die Verbindung zwischen A2 und A30 ist, sodass dort alle Fahrzeuge aus Amsterdam nach Warschau lang kommen und aus Warschau nach Amsterdam zurück. Bedingt durch zwei, drei Ampeln staut es sich immer wieder.
Um welches Online Format handelt es sich bei „Mittendurch“?
„Mittendurch“ ist ein großes Multimedia-Special von Jürgen Krüger und mir im Auftrag der „Neuen Westfälischen“. Es handelt sich um eine Scrolltelling-Reportage, mit der wir das Jahrhundertprojekt Nordumgehung beleuchten. Dabei sprechen wir mit Befürwortern, mit Gegnern, mit Anwohnern und Planern. Die Interviewten kommen in Videos und Audiokommentaren zu Wort. Es gibt auch einzelne Bilder, Fotostrecken zum Durchklicken und sogar ein Video vom Spatenstich 2008. Highlight der großen Multimedia-Reportage ist ein in drei Videos geteilter Drohnenflug. Wir nehmen die User der „Neuen Westfälischen“ exklusiv mit auf einen Rundflug über die Nordumgehung, von der Anschlussstelle an die A2 in Rehme bis hin zum Anschluss an die A30 in Löhne. Dabei gibt NW-Redakteur Jörg Stueke den Piloten und erzählt interessante Fakten über die Nordumgehung.
Warum wurde gerade dieses Format ausgewählt?
Ganz zu Beginn des Projekts stand die Idee, mit einer Drohne die zukünftige Trasse der Nordumgehung zu überfliegen.
Nach und nach reifte dann in uns der Gedanke, eine Scrollytelling-Reportage zu bauen. Das bietet sich bei der Thematik natürlich auch an. So wie der User von der Anschlussstelle an die A2 bis zur Anschlussstelle an die A30 fliegen kann, kann er sich auch von oben nach unten durch die Reportage scrollen. Dabei erfährt er interessante Fakten und lernt Befürworter und Gegner des Jahrhundertprojekts kennen. Der Trend hin zu Multimedia-Reportagen mit dieser speziellen Erzählform ist ja auch erst in den letzten drei bis vier Jahren aufgekommen.
Wer ist die Zielgruppe dieser Reportage; also ist das Angebot nur für Anwohner aus der Umgebung?
Nein, überhaupt nicht. Wir hatten großartige Klickzahlen, als die Multimedia-Reportage letztes Jahr veröffentlicht wurde. Wir haben bemerkt, dass es nicht nur Leute in Bad Oeynhausen, sondern auch in ganz Ostwestfalen, teilweise sogar deutschlandweit gibt, die sich durch unsere Multimedia-Reportage geklickt haben. Ich glaube, es ist auch wahnsinnig interessant, Gegner und Befürworter multimedial kennen zu lernen. Wir haben einen Anwohner interviewt, der seit mehr als 60 Jahren in Bad Oeynhausen wohnt. Jetzt führt die Autobahn durch seinen Vorgarten. Der verschafft seinem Ärger im Audiointerview Luft. Solche Riesenprojekte kennen viele Leute.
Warum ist es interessant, über das Thema zu berichten?
Weil es sich bei der Nordumgehung um ein Jahrhundertprojekt handelt.
Vor fünfzig Jahren wurden die ersten Pläne vorgestellt, eine Umgehungsautobahn um Bad Oeynhausen herum zu bauen. Danach gab es jahrelang Diskussionen. Verschiedene andere Optionen waren auch mal im Gespräch. Eine Möglichkeit wäre gewesen, die Mindener Straße zu untertunneln. Das wurde dann fallen gelassen und so fiel 2008 die Entscheidung „die Nordumgehung wird gebaut“. Durch diese jahrzehntelangen Diskussionen hat das Thema natürlich eine wahnsinnige Brisanz. Die Autobahn wurde mitten in die Landschaft gesetzt. Häuser wurden abgerissen, Menschen mussten umgesiedelt werden, Nachbarschaften wurden zerstört. Die Autobahn hat Bad Oeynhausen geteilt.
Würdest Du noch etwas über den Arbeitsprozess erzählen?
Gerne. Mein Kollege Jürgen Krüger und ich hatten einen sehr spannenden Drehtag, als wir mit der Drohne die Trasse abgeflogen sind. Ich saß mit der Fernbedienung auf dem Beifahrersitz. Und dann ging es los. Glücklicherweise hatten wir an diesem Tag Rückenwind, sodass die Drohne ziemlich zügig geflogen ist. Für die knapp zehn Kilometer lange Trasse haben wir etwas mehr als vier Stunden benötigt. Insgesamt sieben Mal mussten wir den Akku an der Drohne wechseln. Die anschließende Gestaltung der Multimedia-Reportage am Computer hat mir großen Spaß gemacht. Die Lokalredaktionen Bad Oeynhausen/Löhne haben uns stark unterstützt.
Total interessant waren auch die Gespräche und Interviews mit den Anwohnern. Da wurde uns beiden tatsächlich noch einmal deutlich, welche Brisanz in dem Jahrhundertprojekt steckt.
Das Interview führte Erika Walter.
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Die Interviews mit den Nominierten und die Videos sind im Rahmen eines Medienpraxis-Seminars an der Universität zu Köln entstanden
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